Chinas mühsamer Weg zur Erholung

...die gute Nachricht ist aber, dass es Anzeichen für Bemühungen gibt, mit resoluteren Maßnahmen an dieser Front den Teufelskreis zu durchbrechen.

Zusammenfassung

  • Der offizielle EMI für China im November weist auf einen Rückgang von Nachfrage und Produktion hin, was das Wachstum der Ergebnisse und Preise im Industriesektor schwächt.
  • Die politischen Entscheider begegnen der Konjunkturschwäche jetzt mit entschiedeneren politischen Maßnahmen. Beispielsweise hat die Zentralregierung in den letzten Monaten zwei Anleihenprogramme auf den Weg gebracht, um staatliche Ausgaben zu stärken. Die Bankenaufsicht hat Leitlinien zur Unterstützung des Immobiliensektors herausgegeben, worauf im späteren Jahresverlauf voraussichtlich Sanierungen von Elendsvierteln folgen werden. Gleichzeitig wird mit einer weiteren geldpolitischen Lockerung gerechnet.
  • Obwohl der Umfang der Konjunkturhilfen bisher nicht ausreicht, verdeutlichten sie einen wichtigen Wechsel zu einer stärker wachstumsorientierten politischen Haltung.

Weiterhin schwache Daten

Corona-Ausbrüche und Lockdowns haben in den letzten drei Jahren zu Volatilität im Basiseffekt geführt, was es schwieriger macht, neu veröffentlichte Wirtschaftsdaten aus China richtig zu interpretieren. Im Oktober legten Konsum und Industrieproduktion im Jahresvergleich kräftig zu, wozu auch die niedrige Basis aus dem 4. Quartal 2022 beitrug, und schwache Basiseffekte sollten dazu führen, dass diese Entwicklung in den nächsten Monaten andauert. Im Monatsvergleich hingegen verliert das Wachstum an Schwung und die Stimmung von Verbraucherinnen und Verbrauchern könnte gedrückt bleiben.

Der EMI ist eine bessere Kennzahl für kurzfristige Trends als das Wachstum im Jahresvergleich. Im November 2023 sank der offizielle EMI für das herstellende Gewerbe auf 49,4 und signalisiert damit im zweiten Monat in Folge einen Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten. Gleichzeitig ging der offizielle EMI für den Dienstleistungsbereich auf 49,3 zurück, womit er zum ersten Mal seit Januar 2023 die Marke von 50 unterschritt. Darüber hinaus sind die EMI-Unterindizes für Auftragseingänge weiterhin schwach bei 49,4 für das herstellende Gewerbe und 46,3 für den Dienstleistungssektor, was eine Abschwächung von Nachfrage und Produktion in den kommenden Monaten signalisiert.

Infolge des Nachfragerückgangs und der Überschusskapazitäten wuchsen die aggregierten Gewinne der Industrie im Oktober um bescheidene 2,7% im Jahresvergleich, gegenüber 17,2% und 11,9% im August bzw. September. Im Monatsvergleich sanken die Gewinne in der Industrie um 7,0%. Angesichts des intensiven Wettbewerbs blieben die Output-Preise von Industrieprodukten im Oktober unverändert (0,0% ggü. Vormonat), nach vorübergehenden Erhöhungen im August (0,2% ggü. Vormonat) und September (0,4% ggü. Vormonat), worin sich der anhaltende deflationäre Druck zeigt.

Die Schwäche dieses Zyklus ist großenteils auf das laue Konsum- und Geschäftsklima zurückzuführen. Laut National Bureau of Statistics sank das Vertrauen von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Bezug auf Beschäftigung und zukünftiges Einkommen im Oktober fast bis auf seinen historischen Tiefpunkt. Die Anlageinvestitionsdaten weisen auf eine ebenfalls schwache Stimmung bei privaten Unternehmen hin.

... aber es gibt Aussicht auf politische Wendepunkte

Eine geldpolitische Lockerung alleine könnte angesichts der Abwärtsspirale des schwachen Vertrauens in den letzten Monaten nicht ausreichen, um die aggregiert Nachfrage zu stärken. Deshalb dürfte staatlichen Konjunkturprogrammen eine größere Rolle als Starthilfe für die Wirtschaft zukommen. Die politischen Reaktionen Chinas sind im ersten Halbjahr 2023 zwar langsamer und in geringerem Ausmaß erfolgt als erwartet, die gute Nachricht ist aber, dass es Anzeichen für Bemühungen gibt, mit resoluteren Maßnahmen an dieser Front den Teufelskreis zu durchbrechen.

China hat den Vorteil eines sehr geringen Verschuldungsgrads der Zentralregierung, der mit Stand 2022 bei ca. 21% des nominalen BIP geblieben ist, im Vergleich zu 116% des BIP in den USA (Stand 2022) und 218% in Japan (Stand 2021). Das dürfte der Zentralregierung viel Spielraum für eine Ausweitung staatlicher Ausgaben lassen. Die lokalen Regierungen in China sind hingegen sehr stark verschuldet, was stärkere Anstrengungen bei der Restrukturierung ihrer Schulden erwarten lässt. Deshalb dürfte eher die chinesische Zentralregierung anstelle der lokalen Regierungen eine entscheidende Rolle bei der Konjunkturankurbelung übernehmen. Seit Ende August hat das Finanzministerium zwei Anleihenprogramme auf den Weg gebracht, um Staatsausgaben zu unterstützen und die Schuldenlast lokaler Regierungen zu mindern.

Im August legte China ein 1,5 Billionen CNY schweres Anleihenprogramm zur Refinanzierung von Lokalregierungen auf, um die Umschuldung und Refinanzierung von Finanzierungsvehikeln der Lokalregierungen (LGFVs) zu unterstützen. Mit der Refinanzierung können Lokalregierungen ihre vorhandenen Schulden mit neuen Schulden, die niedrigere Kosten und längere Laufzeiten aufweisen, ersetzen. Der Wachstumseffekt könnte jedoch minimal ausfallen, weil die Refinanzierung bereits vorhandener Schulden wahrscheinlich keine zusätzlichen Investitionen auslösen wird.

Ende Oktober wurde der Plan angekündigt, Sonderstaatsanleihen in Höhe von 1 Billion CNY aufzulegen. Eine derartige Steigerung des offiziellen Haushaltsdefizits während des laufenden Haushaltsjahrs ist ungewöhnlich, umso mehr, als damit die Defizitgrenze von 3% durchbrochen wird. Nach der Maßnahme wird das Defizit der chinesischen Zentralregierung 2023 auf 3,8% des BIP steigen. Mit diesen Sonderstaatsanleihen aufgenommene Mittel könnten als Eigenkapital für lokale Infrastrukturprojekte vorgesehen werden, wobei die Investitionssumme sich insgesamt auf 3 Billionen CNY belaufen würde. Das könnte das reale BIP um 0,5 Prozentpunkte steigern.

Eine weitere Priorität ist der Immobilienmarkt, der sowohl fiskal- als auch geldpolitische Hilfen benötigt. Gegen Ende November gaben die chinesischen Bankaufsichtsbehörden 16 Leitlinien für die Unterstützung des Immobiliensektors heraus, insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung von privaten Entwicklungsgesellschaften. Das könnte zu einer Umkehr des stetigen Rückgangs der Finanzierung für Entwickler beitragen. Dessen ungeachtet ist die Nachfrage nach neuem Wohnraum unverändert problematisch, weil die Privathaushalte ein weiteres Sinken der Immobilienpreise erwarten. Es wird deshalb allgemein davon ausgegangen, dass es eine neue Runde mit Sanierungen von Elendsvierteln geben wird, mit Erstinvestitionen im Bereich von 1 Billion CNY.

Die genannten politischen Maßnahmen im Haushaltsund Immobilienbereich werden voraussichtlich von einer weiteren geldpolitischen Lockerung begleitet. Den Erwartungen zufolge wird die People’s Bank of China den Mindestreservesatz möglicherweise um 25 Basispunkte senken, um mehr Liquidität für die Finanzierung von Staatsanleihen zu schaffen. Außerdem wird die Zentralbank ihre Liquiditätsinstrumente wie die mittelfristigen Liquiditätsfazilitäten (MLF) und verpfändeten Zusatzkredite (Pledged Supplementary Lending, PSL) aufstocken, um die Kreditvergabe durch Geschäftsbanken zu fördern. Mit weiteren Senkungen der Einlagensätze dürfte auch die Nettozinsspanne der Banken stabil gehalten werden.

Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass sich das nominale BIP Chinas auf 121 Billionen CNY (2022) beläuft, reichen die bisher angekündigten Konjunkturprogramme möglicherweise nicht aus, um einen spürbaren Wachstumsimpuls zu liefern. Allerdings könnte die jüngste Intensivierung der Konjunkturhilfen den Übergang zu einem wachstumsfreundlicheren politischen Kurs markieren. In diesem Monat findet in Peking die jährliche Tagung der Zentralen Arbeitskonferenz zur Wirtschaft (CEWC) statt, auf der der wirtschaftspolitische Mix für 2024 diskutiert und beschlossen wird. Konkrete wirtschaftliche Ziele und der Staatshaushalt werden allerdings erst im Rahmen des Nationalen Volkskongresses Anfang März 2024 offiziell vorgestellt. Nichtsdestotrotz dürften der Ton und die Inhalte der Diskussion über Konjunkturhilfen während der CEWC wichtige Hinweise auf die Zusammensetzung der politischen Maßnahmen im Jahr 2024 liefern.

Auswirkungen auf die Anlagestrategie

Der Aktienmarkt hat unter der Unsicherheit in Bezug auf Wachstum und Politik gelitten und die Bewertungen sind während des gesamten Jahres gefallen. Dennoch sehen wir weiterhin Chancen bei chinesischen Aktien. Laut den Analystenprognosen zum Gewinn je Aktie im MSCI China werden die Unternehmensgewinne im Jahr 2024 um 14,5% wachsen, nach einem geschätzten Gewinnwachstum von 5,9% im Jahr 2023. Für Kommunikationsdienstleistungen und zyklische Konsumgüter, zu denen eine Reihe führender Technologietitel gehören, wird ein konstantes Gewinnwachstum in den Jahren 2023 und 2024 prognostiziert, obwohl ihr KGV gegenwärtig unter dem 15-jährigen Durchschnitt liegt. Es gibt also Sektoren mit guten Ergebnisausblicken und angemessenen Bewertungen. Darüber hinaus genießen aufstrebende Sektoren wie erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge und fortgeschrittene Fertigungstechnik nach wie vor reichlich politische Unterstützung und haben das Potenzial, sich zum neuen Exportmotor Chinas zu entwickeln.

Chinesische Aktien bleiben ein unverzichtbarer Bestandteil von Anlageportfolios in Asien. Wegen der wirtschaftliche Transformation vor dem Hintergrund der andauernden Probleme des Immobilienmarktes bleibt bei ihnen jedoch ein aktives Management gepaart mit einer gezielten Sektor- und Titelauswahl weiterhin besonders wichtig.

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