Die jüngste Marktrallye unterstreicht die Auswirkungen der niedrigen Bewertungen, einer geringen Positionierung von Anlegerinnen und Anlegern und günstiger politischer Impulse, wobei das Forward-KGV des MSCI China auf das Niveau des 15-Jahres-Durchschnitts gestiegen ist.
Zusammenfassung
- Chinesische Aktien, sowohl Onshore- als auch Offshore-Aktien, haben eine beeindruckende Rallye erlebt, die auf eine Neueinschätzung der Bewertungen zurückzuführen ist und von einem besser koordinierten Ansatz Pekings zur Bewältigung der Wirtschafts- und Marktschwäche profitiert.
- Eine anhaltende Rallye könnte dazu führen, dass Anlegerinnen und Anleger China eher als strategisches denn als taktisches Investment betrachten. Für eine weitere positive Entwicklung sind wahrscheinlich weitere Einzelheiten über die Umsetzung der Politik und eine allmähliche Verbesserung der Wirtschaftsdaten erforderlich.
- Zusammen mit der geldpolitischen Lockerung durch die US-Notenbank dürften die jüngsten politischen Maßnahmen Pekings globale Risikoanlagen stützen. Neben chinesischen Aktien könnten einige Anlegerinnen und Anleger auch Regionen oder Sektoren in Betracht ziehen, die von einem stärkeren chinesischen Wachstum profitieren könnten, wie etwa Rohstoffe oder zyklische Konsumgüter.
Chinesische Aktien haben eine spektakuläre Woche hinter sich. Seit dem 24. September sind der CSI 300 um 25%, der Hang Seng China Enterprise Index (H-Aktien) um 17,5% und der MSCI China um 21,3% gestiegen. Auslöser waren eine gemeinsame Ankündigung der People‘s Bank of China (PBoC), der Wertpapieraufsichtsbehörde (China Securities Regulatory Commission) und der Finanzaufsichtsbehörde (National Financial Regulatory Administration) vom 24. September über eine Reihe von Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft sowie eine früher als erwartet abgehaltene Sitzung des Politbüros am 26. September, bei der die Themen Wachstum, Wohnungsbau, Beschäftigung und soziale Wohlfahrt im Mittelpunkt standen. Seit 2022 gab es zwei Phasen der Markterholung. Die erste fand im vierten Quartal 2022 statt, als China den pandemiebedingten Lockdown aufhob. Die zweite war im zweiten Quartal 2024, ebenfalls aufgrund der Erwartung einer Erholung. Beide Episoden endeten mit einer erneuten Besorgnis des Marktes über die wirtschaftlichen Aussichten Chinas.
Peking hat in den letzten zwei Jahren ähnliche politische Schritte unternommen. Diese fanden jedoch isoliert statt und hatten nur begrenzte wirtschaftliche Auswirkungen. Diesmal ist eines anders: Die jüngsten Anstrengungen werden von den verschiedenen Ministerien und Regulierungsbehörden koordiniert, was zeigt, dass die Dringlichkeit erkannt wurde, die Dynamik zu erhöhen, sei es auf dem Wohnungsmarkt, beim Binnenkonsum oder an der Börse.
Nach der ersten Aufregung sind Ruhe und Geduld gefragt
Die angekündigten politischen Maßnahmen sind vielschichtig.
- Geldpolitik: Zur Erhöhung der Liquidität und zur Senkung der Finanzierungskosten wurden die Mindestreserve sowie die Kredit- und Hypothekenzinsen gesenkt. Außerdem wurde sechs Großbanken zusätzliches Kapital zur Verfügung gestellt.
- Immobilienmarkt: Die für Zweitwohnungen erforderliche Anzahlung wurde von 25% auf 15% gesenkt. Die PBoC hat eine Kreditfazilität in Höhe von 300 Mrd. CNY eingerichtet, um regionale staatliche Unternehmen beim Kauf von unverkauften Häusern zu unterstützen. Ursprünglich wurden damit 60% des Kapitals von Bankkrediten gedeckt, und dieser Kreditsicherungsanteil wurde auf 100% erhöht.
- Aktienmarkt: Die Zentralbank richtet mit Wertpapiermaklern und Versicherungsgesellschaften Swap-Fazilitäten in Höhe von 500 Mrd. CNY zur Finanzierung von Aktienkäufen ein. Darüber hinaus soll eine spezielle Refinanzierungsfazilität für börsennotierte Unternehmen zum Rückkauf eigener Aktien geschaffen werden.
- Finanzpolitik: Die Regierung könnte versuchen, ein höheres Haushaltsdefizit zuzulassen, um die Steuern zu senken, die Ausgaben zu erhöhen und mehr Finanztransfers von der Zentralregierung an die Kommunalverwaltungen zu ermöglichen, da Letztere aufgrund der Verlangsamung der Grundstücksverkäufe geringere Einnahmen verzeichnen. Eine weitere Möglichkeit, die Staatsausgaben zu erhöhen, wäre die Erhöhung der Quote für die Ausgabe von Schuldverschreibungen, da das Volumen der von den Gebietskörperschaften ausgegebenen Schuldverschreibungen Ende September bereits mehr als 90% der Quote für 2024 erreicht hat.
Den guten Vorsätzen müssen Taten folgen. Nach dem Nationalfeiertag kehren die Anlegerinnen und Anleger am 8. Oktober an den Markt zurück und wollen möglicherweise mehr darüber erfahren, wie diese politischen Ankündigungen umgesetzt werden. So könnte beispielsweise ein Konsumgutschein zu einem kurzfristigen Anstieg der Ausgaben führen, während eine Anhebung der Einkommenssteuergrenzen den Konsum nachhaltiger ankurbeln würde. Die Fiskalpolitik ist deshalb so bedeutend, weil sie der Wirtschaft unmittelbarer zugutekommt als die Geldpolitik, die erst über das Finanzsystem wirken muss.
Die Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen der letzten beiden Jahre haben aufgrund der vorsichtigen Haltung der privaten Haushalte und des Unternehmenssektors noch nicht zu einer Belebung des Kreditwachstums oder der Wirtschaftstätigkeit geführt. Könnten der Anstieg der Aktienkurse und der positive Vermögenseffekt Ersparnisse der privaten Haushalte freisetzen, die zu mehr Konsum oder sogar zu einer konstruktiveren Stimmung auf dem Wohnungsmarkt führen könnten?
Die Tourismus- und Konsumzahlen zum Nationalfeiertag könnten einen ersten Einblick in diesen Stimmungswandel geben, der auf eine kurzfristige Verbesserung der Ausgaben für nicht lebensnotwendige Güter hindeuten könnte. Für den Wohnungsmarkt bedeuten der hohe Bestand und die finanziellen Engpässe der Bauträger, dass es noch einige Quartale dauern wird, bis sich der Sektor stabilisiert.
Insgesamt wären zusätzliche politische Maßnahmen erforderlich, um die Wirtschaftstätigkeit und das Vertrauen zu stärken. Die bisher angekündigten Maßnahmen können dazu beitragen, den Entschuldungsprozess zu erleichtern, aber an einer Sanierung der Bilanzen führt kein Weg vorbei. Es gibt auch strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft, die eine andere industriepolitische Antwort erfordern würden. Dies wiederum würde Arbeitsplätze schaffen, die der neuen Struktur des Arbeitsmarktes entsprechen.
Dann ist da noch der internationale Aspekt
Die koordinierten Maßnahmen Pekings zur Unterstützung der Wirtschaft sind ein positiver Schritt für die chinesische Wirtschaft und ihre Märkte. Während wir auf bessere Wirtschaftsdaten warten, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass einige externe Faktoren, wie die geopolitische Unsicherheit, weiterhin bestehen bleiben.
Einen Monat vor den Wahlen in den USA würden viele Anlegerinnen und Anleger argumentieren, dass ein parteiübergreifender Konsens darüber besteht, dass die USA China als wirtschaftlichen und geopolitischen Rivalen betrachten. Bei der Umsetzung politischer Maßnahmen kommt es jedoch auf die Details an. Zwischen dem Versprechen des ehemaligen Präsidenten Trump, einen Zoll von 60% auf alle chinesischen Exporte zu erheben, und dem möglicherweise zielgerichteteren Ansatz von Vizepräsidentin Harris könnten die Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft und die Weltwirtschaft erheblich voneinander abweichen.
Darüber hinaus kann die Dauer der aktuellen Marktrallye davon beeinflusst werden, wie internationale Anlegerinnen und Anleger mit potenziellen geopolitischen Risiken umgehen. Ausländische Anlegerinnen und Anleger könnten vorerst abwarten, bis die Wirtschaftsdaten den Tiefpunkt durchschritten haben und sich die neue Politik gefestigt hat. Der Einstieg langfristiger internationaler Anlegerinnen und Anleger im Real-Money-Bereich könnte die Nachhaltigkeit der aktuellen Erholung am chinesischen Aktienmarkt erhöhen.
Auswirkungen auf die Anlagestrategie
Die Markterholung der vergangenen Woche hat gezeigt, was niedrige Bewertungen, eine geringe Positionierung der Anlegerinnen und Anleger und die richtigen politischen Impulse für einen Markt bewirken können. Das zukunftsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis des MSCI China ist von 9,1 am 24. September auf 10,5 gestiegen und entspricht damit weitgehend dem 15-Jahres-Durchschnitt. Daher sind chinesische Aktien auf Basis der zukünftigen Gewinne nicht mehr sehr günstig (Abbildung 1).
In der Frühphase der Markterholung ist mit einer weiteren Neubewertung zu rechnen, die die aktuelle Marktrallye unterstützt. Dem müsste jedoch eine Verbesserung der Gewinnaussichten folgen, um eine längerfristige Markterholung zu untermauern. Die jüngsten politischen Maßnahmen könnten die Unternehmensgewinne in den nächsten 12 bis 18 Monaten stützen, wenn die Wirtschaft positiv darauf reagiert (Abbildung 2).
Im Vergleich zwischen dem Onshore-Markt für A-Aktien und dem Offshore-Markt für H-Aktien in Hongkong sind Letztere aufgrund des relativen Abschlags immer noch attraktiv. Darüber hinaus könnten die Sektoren Technologie und Kommunikationsdienstleistungen von einer zyklischen Erholung profitieren. Viele dieser Technologiegiganten haben in den letzten drei Jahren ihre operative Hebelwirkung verbessert und ihre Rentabilität gesteigert. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage könnte dazu beitragen, dass die Anlegerinnen und Anleger die Anstrengungen dieser Unternehmen zur Bewältigung der regulatorischen Änderungen in den Jahren 2021/22, zur strengeren Kostenkontrolle, zu Aktienrückkäufen und zur Erhöhung der Dividendenausschüttungen stärker honorieren.
Neben chinesischen Aktien können Anlegerinnen und Anleger auch auf andere Stellvertreterwerte setzen, die von einem wirtschaftlichen Aufschwung in China profitieren könnten. Europäische Konsumgüter und Rohstoffe sind zwei mögliche Schwerpunktbereiche. Während einige Anlegerinnen und Anleger ein „chinaähnliches“ Engagement auf Basis dieser Ideen bevorzugen, bietet dies in der Regel nicht die gleichen Vorteile wie eine Direktinvestition und kann durch andere exogene Faktoren erschwert werden. So führt ein stärkeres China beispielsweise in der Regel zu höheren Rohstoffpreisen, insbesondere bei Öl. Saudi-Arabien und die Organisation erdölexportierender Länder könnten jedoch beschließen, ihre Produktion zu erhöhen, um Marktanteile zurückzugewinnen, was den möglichen Anstieg der Ölnachfrage aus China ausgleichen würde.
Auch die Wirtschaftsleistung Asiens könnte durch die Nachfrage Chinas nach Exporten aus der Region, sowohl nach Gütern als auch nach Tourismus, zusätzlich gestützt werden. Dies könnte eine breitere Erholung asiatischer Aktien über die Halbleiter- und Technologiehardware-Exporteure hinaus ermöglichen.
Angesichts der Tatsache, dass China sich für eine aggressivere Wirtschaftsförderung entschieden hat und die Zentralbanken weltweit ihre Geldpolitik lockern, ist das aktuelle weltwirtschaftliche Umfeld für risikoreiche Anlagen günstig. Auch wenn die jüngste starke Rallye chinesischer Aktien kurzfristig unter Druck geraten könnte, dürfte die allgemeine politische Haltung Pekings unsere Empfehlung für eine gut diversifizierte Asset Allokation in asiatischen und globalen Aktien untermauern.