Hohes Zinsniveau – kein Nachteil für Anleihen
Die festverzinslichen Wertpapiere können nach Jahren des Niedrigzinses nun endlich wieder ihrer Bestimmung nachkommen: Zins und Portfoliostabilität liefern.
Für die Rentenmärkte war 2024 bisher ein eher durchwachsenes Jahr. Der Optimismus des Jahresbeginns mit der Erwartung zügiger Zinssenkungen ist der Erkenntnis gewichen, dass das Zinsniveau über einen längeren Zeitraum erhöht bleiben dürfte. Denn hartnäckige Inflation und eine robuste Konjunktur schränken zurzeit die Möglichkeiten der Zentralbanken ein, ihre Geldpolitik zu lockern. Die Anpassung der Zinserwartungen hat zu einem Renditeanstieg an den Anleihenmärkten geführt und damit zu eher enttäuschenden Ergebnissen festverzinslicher Wertpapiere. Doch wie steht es um das zukünftige Potential von Anleihen und was bedeutet ein Umfeld strukturell höherer Zinsen für die Attraktivität der Anlageklasse?
Investoren erwarten von Anleihen traditionell zwei Dinge: eine verlässliche Ertragsquelle und Stabilisierung des Aktienportfolios im Falle von Wachstumsschocks. Doch in der Niedrigzinsphase ist der Einkommensaspekt fast vollkommen verloren gegangen. Nach dem dramatischen Zinsanstieg der letzten zwei Jahre sind die Couponzahlungen nun wieder eine dominierende Größe für den Gesamtertrag von festverzinslichen Investments.
Am Beispiel historischer Erträge von US-Anleihen wird dieser Zusammenhang deutlich. Auf dem aktuellen Renditeniveau von 5 Prozent haben US-Anleihen hoher Bonität in der Vergangenheit annualisierte Renditen zwischen 4,5 Prozent und 6,2 Prozent in den darauffolgenden fünf Jahren geliefert. Dies liegt daran, dass der höhere Coupon selbst in Zeiten steigender Renditen einen gesunden Puffer gegen etwaige Kursverluste bot. Die strategischen Argumente für festverzinsliche Wertpapiere sind also nach wie vor überzeugend. Wer seine Rendite durch taktische Allokation steigern möchten, sollte für die nächsten zwölf Monaten allerdings zwei Dinge berücksichtigen: eine angemessene Laufzeit und eine Allokation in Unternehmensanleihen.
Wir sind davon überzeugt, dass die Phase höherer Kurzfristzinsen im Zuge der schrittweisen Lockerung der Geldpolitik der Zentralbanken langsam zu Ende geht und die Zinsstrukturkurve sich normalisiert. Doch der Weg zur Normalisierung wird nach unserer Ansicht nach nicht so reibungslos verlaufen, wie die derzeit geringe Marktvolatilität vermuten lässt. Es bleibt ein nicht unerhebliches Restrisiko eines deflationären Wachstumsschocks aufgrund finanzieller Verwerfungen, wodurch die Zinsen deutlich schneller fallen könnten als bisher erwartet. Auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass eine anhaltend expansive Fiskalpolitik und hohe Lohnsteigerungen zu einem erneuten Anstieg der Inflation führen. In diesem für Anleihen ungünstigen Szenario würde die Normalisierung der Zinsstrukturkurve durch einen starken Anstieg 10-jähriger Renditen hervorgerufen. Angesichts der aktuell symmetrischen Inflationsrisiken bieten mittlere Laufzeiten für die nächsten sechs bis zwölf Monate bessere Risiko-Rendite-Aussichten.
Einpreisung von Risiken
So stellt sich aufgrund der aktuellen niedrigen Risikoprämien (Spreads) bei Unternehmensanleihen die Frage, ob Ausfallrisiken noch angemessen eingepreist sind. Hier gibt uns die Historie der letzten 25 Jahre ein paar nützliche Hinweise.
In einem Jahr mit steigenden Unternehmensgewinnen lag die durchschnittliche Ausfallrate von US-Hochzinsanleihen bei 1,62 Prozent. Das liegt sehr nahe an der aktuellen Ausfallrate von 1,7 Prozent. In Jahren fallender Unternehmensgewinne hingegen steigt die durchschnittliche Ausfallrate auf 4,8 Prozent. Die Konsensprognosen für das Gewinnwachstum von US-Aktien liegen für 2024 bei 11 Prozent, was bei einem erwarteten Wirtschaftswachstum von über zwei Prozent nicht unrealistisch erscheint. Die europäische Konjunktur zeigt sogar immer mehr Anzeichen einer Belebung gegenüber dem Vorjahr. Das heißt, solange sich die Ertragslage der Unternehmen nicht verschlechtert und die Ausfallquoten stabil sind, bleiben Unternehmensanleihen trotz niedrigen Risikoprämien attraktiver als Staatsanleihen.
Die Aussicht auf ein nachhaltig höheres Zinsniveau schmälert zwar das kurzfristige Ertragspotential von Anleihen. Doch die Anlageklasse bleibt aufgrund der höheren laufenden Verzinsung und der weiter verbesserten Defensivqualitäten ein wichtiger Baustein für das Anlageportfolio.
Ausfallraten von US-Hochzinsanleihen ggü. Gewinnwachstum des S&P 500
in %
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Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt
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