Tilmann Galler, Kapitalmarktexperte bei J.P. Morgan Asset Management blickt einmal im Monat auf die aktuellen Entwicklungen der Märkte.
Schutz vor dem Entgleisen
Wie Anlegerinnen und Anleger sich gegen die Risiken eines KI-Abschwungs wappnen können
Mit der Rückkehr von Präsident Trump in das Weiße Haus und der Implementierung einer nationalistischen Wirtschaftspolitik waren sich viele Marktteilnehme einig, dass 2025 ein schwieriges Aktienjahr werden dürfte. Dennoch steuert der Aktienmarkt auf erneut zweistellige Kursgewinne zu. Die Märkte haben verstanden, dass geopolitische Feindseligkeiten zwar die Schlagzeilen dominieren, aber andere Kräfte die Finanzmärkte beeinflussen. Dem relativ gesunden weltweiten Konjunkturmotor wird weiterhin in großen Mengen geld- und fiskalpolitischer Treibstoff zugeführt. Der Aktienmarktexpress scheint nicht aufzuhalten zu sein. Doch wie hoch ist das Risiko, dass er entgleist, und wie kann man sich dagegen schützen?
Nie zuvor haben wir außerhalb einer Rezession so hohe Haushaltsdefizite und ausgeprägte Zinssenkungen gesehen, wie in den letzten zwei Jahren. Doch diese Politik birgt erhebliche Risiken für die makroökonomische Stabilität und für die Finanzmärkte. Sehr oft haben in der jüngeren Geschichte übermäßige Anreize entweder zu steigender Inflation geführt, wie in den 70er Jahren und in 2022. Oder es kam zu Vermögensblasen wie Ende der 80er Jahre in Japan und der Dotcom-Blase. Denn überschüssige Liquidität zeigt sich nicht immer in den Verbraucherpreisen. Manchmal findet sie ihren Weg in die Vermögenspreise.
Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) über dem 20,5-Fachen liegen die Aktien nun im oberen Dezil der Bewertungen der letzten 35 Jahre. Obwohl die Aussichten für die Wirtschafts- und Unternehmensgewinne weiterhin konstruktiv sind, lassen diese Bewertungen wenig Spielraum für Enttäuschungen. Das Problem ist, dass es selten gelingt, den Punkt zu identifizieren, an dem rationale Begeisterung zu irrationalem Überschwang wird. Noch schwieriger ist es, den Zeitpunkt des Kipppunkts von Euphorie zu Verzweiflung zu messen. Aus diesem Grund verdient der teuerste und schwergewichtigste Teil des Aktienmarkts besondere Aufmerksamkeit – der Technologiesektor.
Mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz erleben wir eine technologische Revolution, die nicht nur die Arbeitswelt verändern wird, sondern Unternehmen die Möglichkeit gibt, ihre Effizienz deutlich zu erhöhen. In einem positiven Szenario könnten sich die Effizienzgewinne der heutigen Technologieriesen zukünftig auf große Teile der globalen Unternehmen ausbreiten. Der Aktienmarkt würde dadurch in seine hohen Bewertungen hineinwachsen.
Die Sorge der Anlegerinnen und Anleger ist, dass diese hoch bewerteten Unternehmen möglicherweise nicht den langfristigen Wachstumserwartungen gerecht werden. Die Absicherungen des Technologie- und KI-Risikos. ist insofern sinnvoll, dass das Abwärtsrisiko in einem negativen Szenario ist erheblich ist. Technologieaktien sind beim Platzen der Dotcom-Blase vom März 2000 bis September 2002 um 75 Prozent abgestürzt, während der globale Aktienmarkt „nur“ 45 Prozent verloren hat.
Hochwertige, langlaufende Anleihen können im Falle einer technologischen und KI-gesteuerten Krise, die wahrscheinlich zutiefst disinflationär wäre, ein nützlicher Airbag für das Portfolio sein. Denn falls die Nachfrage nach KI-Infrastruktur überschätzt wird und die Renditen enttäuschend ausfallen, sind Überkapazitäten, sinkende Preise, schrumpfende Margen und reduzierte Investitionen zu befürchten. Die Aktienkurse würden einbrechen, das Verbrauchervertrauen sinken, und die Investitionen in den Privatsektor zurückgehen.
Ein solches Szenario würde die US-Wirtschaft in Richtung Rezession treiben und die US-Notenbank dazu veranlassen, die Zinsen drastisch zu senken. Mit 10-Jahres-Treasury-Renditen von rund 4 Prozent profitieren die Anleger stärker von sinkenden Renditen als während der Pandemie. In früheren disinflationären Krisen – dem Bersten der Dotcom-Blase und der globalen Finanzkrise – erzielten US-Staatsanleihen in Zeiten maximaler Aktienverluste eine Rendite von 35 bzw. 17 Prozent.
Auch wenn die positiven Rahmbedingungen ein Entgleisen des Aktienmarktexpress zurzeit nicht erwarten lassen, unterstreicht das Risiko eines technologiegetriebenen Abschwungs aufgrund der hohen Gewichtung im Markt die Notwendigkeit von Absicherungsstrategien. Hochwertige, langlaufenden Anleihen können diesen effektiven Schutz für das Portfolio bieten.
Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt