Für einen Sektor an vorderster Front der Pandemie bietet die Krise sowohl Anlagechancen als auch das Potenzial langfristig veränderter Verhaltensmuster.
Der Gesundheitssektor hat seine defensiven Eigenschaften in der Covid-19-Pandemie unter Beweis gestellt. Das Segment erzielte in den ersten Monaten des Ausbruchs eine Outperformance und gehörte anschließend zu den Underperformern, da steigende Erwartungen an einen wirksamen Impfstoff und eine V-förmige Erholung zu einer Rotation aus dem Sektor führten. Im dritten Quartal und bis zuletzt haben die US-Wahlen die Diskussion dominiert; angesichts der erneuten weltweiten Infektionswelle erwarten wir jedoch, dass Covid-19 wieder in den Vordergrund treten wird.
Längerfristige Auswirkungen
Covid-19 hat bei Gesundheitsaktien für erhebliche Turbulenzen gesorgt, ebenso wie in der Welt insgesamt. Einerseits rechnen wir zumeist mit kurzfristigen und vorübergehenden Auswirkungen, z. B. die Verzögerung von elektiven Eingriffen und einen begrenzten Zugang zu medizinischem Fachpersonal. Andererseits wird es wahrscheinlich auch nachhaltigere Konsequenzen geben. Die größere Akzeptanz von Technologie und die Digitalisierung des Gesundheitswesens wurden durch die coronabedingten Reisebeschränkungen beschleunigt. Eines der sichtbarsten Beispiele ist die Umstellung auf Online-Apotheken und medizinische Fernkonsultationen, wie sie beispielsweise von Teladoc angeboten werden, dem multinationalen US-Unternehmen für Telemedizin und virtuelle Gesundheitsdienste.
Laut einer im April veröffentlichten Umfrage des Technologieanbieters Sykes gaben rund 67 % der Befragten an, dass Covid-19 ihre Bereitschaft erhöht hat, künftig Telemedizin auszuprobieren, während dies für 25 % dieser Befragten zuvor keine Option war. Eine weitere im April durchgeführte Umfrage von Sevocity (einem Anbieter für elektronische Patientenakten) ergab, dass 85 % der Arztpraxen Termine per Telemedizin anboten, verglichen mit nur 6 % vor dem Ausbruch des Virus.
Sowohl die öffentlichen als auch die privaten Finanzmittel (Risikokapital) für Telemedizin-Dienste und die Fernüberwachung von Patienten nahmen im ersten Quartal 2020 erheblich zu (siehe Grafik). Auch diese Neuerung wird bleiben, denn die Technologie ermöglicht es der Branche und den Kostenträgern, Einsparungen zu erzielen und/oder die Ergebnisse für Patienten zu verbessern.
Abbildung 1: Risikokapitalfinanzierung für Telemedizin
Wechselkurs CAD/USD
Anlagechancen
Die Belastung durch Covid-19 schlug sich im zweiten Quartal in den Geschäftsergebnissen der Pharmaunternehmen nieder, da die Arzneimittelvorräte nicht mehr aufgestockt wurden und der Zugang zu Ärzten begrenzt blieb. Trotz gelockerter Beschränkungen liegt die Aktivität in vielen Regionen weiterhin unter dem Niveau vor der Pandemie. Wichtig ist, dass wir uns weiterhin auf die Identifizierung von Qualitätsunternehmen konzentrieren, die Zukunftsinnovationen vorantreiben und diese kurzfristigen Abschwünge verkraften können.
Einer der Hauptschwerpunkte für Pharma- und Biotech-Unternehmen weltweit war zuletzt die Entwicklung wirksamer Therapeutika und eines Impfstoffs gegen Covid-19. Die Daten der Impfstoffstudie wurden gerade von Pfizer veröffentlicht, was äußerst vielversprechend ist; es gibt jedoch noch keine ausreichende Verlaufskontrolle zu dieser Studie, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen. Auch wenn wir uns bei der Erstellung unserer Anlagethese nicht auf diesen speziellen Bereich fokussieren, hatte die Wahrnehmung einer angemessenen Sicherheit und Wirksamkeit großen Einfluss auf die Marktstimmung, was auch in Zukunft der Fall sein wird. Doch Vorsicht: Selbst diese oder andere „gute Daten“ bedeuten möglicherweise keine breite Verfügbarkeit und Verteilung von Impfstoffen bis weit ins nächste Jahr hinein.
Angesichts der hochwirksamen antiviralen Medikamente, die in den letzten drei Jahrzehnten zur Behandlung von HPV (humanes Papillomavirus) und Hepatitis C entwickelt wurden, sind wir auch im Hinblick auf die antiviralen Ansätze einer Covid-19-Behandlung und die Entwicklung wirksamer Antikörpertherapeutika einigermaßen optimistisch.
Eine bislang unbeantwortete, aber entscheidende Frage lautet, ob das Virus nach der Pandemie vollständig verschwinden wird, oder ob wir es mit einer neuen Erkrankung zu tun haben, die wir in den kommenden Jahren unter Kontrolle bringen und mit der wir uns für die nächsten Jahrzehnte werden arrangieren müssen. Wir freuen uns auf die Veröffentlichung weiterer Daten aus den frühen Virusstudien, die uns einen besseren Einblick in die Pathologie des Erregers vermitteln dürften. Zum jetzigen Zeitpunkt betrachten wir das Covid-19-Research nicht als Kernelement jeder These, sondern als zusätzliche Option für unsere Anlageargumente.