Das Konzept der Nachhaltigkeit gewinnt in der Modebranche rasch an Bedeutung. Doch obwohl sich die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend für nachhaltige Mode interessieren, sind sie nicht bereit, mehr Geld dafür auszugeben. Trotzdem kann Nachhaltigkeit ein Wettbewerbsvorteil sein. Wir sind auf Unternehmen gestoßen, die eine nachhaltige Botschaft vermitteln, aber um die echten Vorreiter vom potenziellen „Greenwashing“ zu unterscheiden, braucht es Research.
Verbraucher legen Wert auf Nachhaltigkeit , aber nicht um jeden Preis
Mit der wachsenden Weltbevölkerung werden die negativen Umweltauswirkungen unserer Nachfrage nach Mode immer deutlicher. Die Branche ist für 10 % der globalen CO2-Emissionen und 20 % des weltweiten Abwassers verantwortlich und produziert erhebliche Mengen an Abfall. Pro Sekunde wird das Äquivalent eines Müllwagens mit Textilien in Deponien entsorgt oder verbrannt.1
75 % der Modekonsumenten betrachten Nachhaltigkeit als „extrem wichtig“ oder „sehr wichtig“ für ihre Kaufentscheidungen.2 Über 50 % der Verbraucher würden zu einer umwelt- und sozialverträglicheren Marke wechseln. Aber sind die Verbraucher in der Praxis tatsächlich bereit, dafür zu bezahlen? Noch nicht, wie es scheint. Nur 7 % der Verbraucher geben an, dass Nachhaltigkeit der wichtigste Faktor für ihre Entscheidung ist.
Abbildung 1: Verbraucher legen Wert auf Nachhaltigkeit, aber nicht um jeden Preis – die wichtigsten Entscheidungsfaktoren
Die Verbraucherinnen und Verbraucher bewerten eine „hohe Qualität“ und ein „gutes Preis-Leistungs-Verhältnis“ weiterhin als die wichtigsten Faktoren bei ihren Entscheidungen. Dies wird durch unseren Dialog mit den Modeunternehmen untermauert, die zu bedenken geben, dass die Verbraucher nicht bereit sind, einen Aufpreis für Nachhaltigkeit zu zahlen, obwohl sie sich zum gleichen Preis für das nachhaltigere Angebot entscheiden würden.
Wir werten dies als Signal, dass die Verbraucher nachhaltige Mode bevorzugen und dies für den Handel ein Wettbewerbsvorteil sein kann. Die Unternehmen müssen darin jedoch eine Möglichkeit sehen, ihren Marktanteil zu behaupten oder auszubauen, und keinen Vorwand für Preiserhöhungen. Die Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit sollten in Innovationen und Skaleneffekte nachhaltiger Lösungen investieren, um die Preise zu senken und ihre Markenposition zu verteidigen.
Fallstudie 1
Re:NewCell: geringerer Kostenaufwand für Nachhaltigkeit in der Mode
Re:NewCell ist ein schwedisches Unternehmen, das die Kosten für nachhaltige Materialien durch Innovationen reduziert. Die Firma hat Circulose entwickelt und patentiert, ein hochwertiges Material aus recycelter Kleidung. Wir gehen davon aus, dass Circulose – die bereits von H&M und Levi’s übernommen wurde– in der Modeindustrie zunehmend Akzeptanz finden wird. Dies dürfte dazu beitragen, die Kosten nachhaltiger Materialien zu senken und die Umweltbilanz der Branche zu verbessern.
Fallstudie 2
Adidas: Führend in puncto Nachhaltigkeit
Der bekannte Sportbekleidungshersteller Adidas ist in der Modebranche ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Das Unternehmen zeichnet sich insbesondere durch Kreislaufwirtschaft aus, die in seinen strategischen Prioritäten verankert ist: Adidas hat sich verpflichtet, Frischpolyester bis 2024 durch recyceltes Polyester zu ersetzen. Das Unternehmen arbeitet bereits mit der Umweltorganisation Parley for the Oceans zusammen, um recyceltes Polyester aus Kunststoffen zu verwenden, die in Küstengebieten gesammelt wurden. Die gesamte Baumwolle von Adidas wird nachhaltig über die Initiative „Better Cotton“ bezogen, was dem Konzern 2020 den Spitzenplatz in einem unabhängigen Ranking für nachhaltigen Baumwolleinkauf einbrachte. Adidas will die Treibhausgasemissionen in seiner gesamten Wertschöpfungskette von 2017 bis 2030 um 30 % reduzieren und dann bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Zur weiteren Bestätigung der Nachhaltigkeitsbemühungen von Adidas wurden diese Ziele im Februar 2020 einer externen Überprüfung durch die Science Based Targets Initiative unterzogen.
Die Spreu vom Weizen trennen
Die Modebranche ist stark fragmentiert und die Nachhaltigkeitsstandards sind noch nicht ausgereift. Immer mehr Unternehmen berichten sowohl über ihre ökologischen als auch über ihre sozialen Auswirkungen, konzentrieren sich jedoch auf unterschiedliche Offenlegungen, Kennzahlen und Messmethoden. Wie können wir da die Besten identifizieren? Für uns sind die Fundamentalanalysen und der Dialog mit den Unternehmen entscheidend, um zu beurteilen, ob Modemarken nur ein Lippenbekenntnis zur Nachhaltigkeit ablegen oder sich wirklich dafür einsetzen.
Worauf achten wir bei einem Nachhaltigkeitsführer in der Modebranche?
- Hat sich das Unternehmen messbare Ziele gesetzt, um seine negative Umweltbilanz zu verbessern?
- Hält sich das Unternehmen an externe Zertifizierungen, um die Nachhaltigkeit seiner Produkte zu demonstrieren?
- Bietet das Unternehmen eine korrekte Messung und Berichterstattung seines gesamten CO2-Fußabdrucks?
Letzteres erfordert eine besonders intensive Analyse, da nur etwa 5 % des CO2-Fußabdrucks eines Modehändlers direkt aus der eigenen Geschäftstätigkeit (Scope-1-Emissionen) oder indirekt aus der Erzeugung der vom Unternehmen verbrauchten Energie (Scope 2) stammen. Der überwiegende Teil der
CO2-Emissionen entsteht in der Wertschöpfungskette des Unternehmens (Scope 3). Dazu gehören die Herstellung, Verarbeitung und der Transport von Fasern und Geweben, der Transport des Endprodukts zum endgültigen Bestimmungsort sowie Emissionen durch Nutzung, Pflege und Entsorgung.
Bei derart komplexen Zusammenhängen leuchtet es ein, dass Emissionen derzeit nicht ausreichend erfasst werden und viele Unternehmen nur den Transport des Endprodukts angeben. Deshalb kommt es entscheidend auf das Fundamentalresearch an, um die Lieferkette nachzuvollziehen und festzustellen,
was die Unternehmen wirklich tun, um ihre
Gesamtemissionen zu reduzieren.
Fazit
Obwohl die Preissensibilität für die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Modebranche nach wie vor entscheidend ist, deutet einiges darauf hin, dass Nachhaltigkeit bei den Kaufentscheidungen und letztendlich auch für den langfristigen Markenwert eine immer größere Rolle spielt. Für die Nachhaltigkeitsführer ergibt sich dadurch eine erhebliche Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben, während nicht nachhaltige Modemarken den Anschluss verlieren. Allerdings ist das potenzielle Greenwashing in der Branche weit verbreitet, was die Unterscheidung zwischen Vorreitern und Nachzüglern des Trends zu nachhaltiger Mode erschwert. Hier sind Unternehmensresearch und ein engagierter Dialog gefragt.