Nachhaltigkeit, die auch ökologische, soziale und Governance-Überlegungen (ESG) einschließt, ist seit Langem ein Schwerpunkt für die europäische Investmentgemeinschaft, die europäischen Regierungen und die Regulierungsbehörden. In den letzten Jahren hat die Europäische Union (EU) spezifische gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, um den Kapitalfluss in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft zu fördern, einschließlich der Entwicklung und Verabschiedung von Vorschriften für nachhaltige Finanzen.
Die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten, die am 10. März 2021 in Kraft getreten ist, zielt darauf ab, die Transparenz und Standardisierung von Finanzprodukten in Bezug auf ihre ökologischen und sozialen Eigenschaften und nachhaltigen Ziele zu erhöhen.
Die EU-Taxonomie-Verordnung, die am 1. Januar 2022 in Kraft trat, bietet den Finanzmarktteilnehmern ein zusätzliches Maß an Transparenz, indem sie sechs spezifische Umweltziele anerkennt und definiert. Die EU-Taxonomie-Verordnung unterstützt das Ziel der Europäischen Union, damit das Kapital in nachhaltige Finanzierungen und grüne Projekte fließt.
Eine EU-Taxonomie speziell für soziale Ziele wird derzeit entwickelt und ein Berichtsentwurf wurde von der Untergruppe für soziale Taxonomie der EU-Plattform für nachhaltige Finanzen im Juli 2021 veröffentlicht. Wir erwarten, in naher Zukunft mehr über den Fortschritt der Sozialtaxonomie zu erfahren. In diesem Artikel beziehen wir uns ausschließlich auf die EU-Taxonomie-Verordnung in Bezug auf Umweltschutzziele.
Für Investoren ist es wichtig, den Geltungsbereich der EU-Taxonomie-Verordnung zu verstehen. In den Geltungsbereich fallende Unternehmen müssen sich nicht verbindlich verpflichten, in ihren Finanzprodukten EU-konforme Investitionen zu tätigen. Sie sind lediglich zur Offenlegung verpflichtet, inwieweit ihre Finanzprodukte der EU-Taxonomie-Verordnung entsprechen. Eine fehlende Ausrichtung an die EU-Taxonomie ist beispielsweise ebenso zulässig.
Zusammengenommen werden mit Elementen der EU-Taxonomie-, der Offenlegungsverordnung und mit ESG-bezogenen Änderungen der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) umfassendere, auf technische Regulierungsstandards bezogene Offenlegungen eingeführt. Die größten Auswirkungen werden die Anleger bis Mitte 2022 spüren.
Was ist die EU-Taxonomie-Verordnung und warum ist sie wichtig?
Sie ist das EU-Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Sie setzt die Umweltschutzziele der EU in einen klaren Rahmen für Investitionstätigkeiten um. Die Taxonomie-Verordnung der EU legt gemeinsame, standardisierte Begriffe, Kriterien und Due-Diligence-Prüfungen (Qualitätssicherung) zur Ermittlung von Wirtschaftstätigkeiten, die mit anerkannten Umweltzielen in Einklang stehen, fest.
Die EU-Taxonomie-Verordnung definiert sechs EU-Umweltziele:
- Eindämmung des Klimawandels*
- Anpassung an den Klimawandel*
- Nachhaltigkeit bei der Nutzung und dem Schutz der Wasser- und Meeresressourcen**
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft**
- Vermeidung und Kontrolle der Umweltverschmutzung**
- Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen**
Generell kann eine Wirtschaftstätigkeit als „ökologisch nachhaltig“ angesehen werden, wenn sie die folgenden Bedingungen erfüllt:
- Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele der EU.
- Sie verursacht keine signifikante Beeinträchtigung eines der anderen EU-Umweltziele, auf die sie nicht ausgerichtet ist.
- Sie erfüllt die vorgeschriebenen ESG-Mindestschutzvorschriften.
- Sie erfüllt die von der EU-Taxonomie-Verordnung festgelegten „technischen Bewertungskriterien“.
Darüber hinaus schreibt die EU-Taxonomie-Verordnung eine Reihe von Angaben vor, die für Finanzunternehmen und Finanzprodukte, die in den Anwendungsbereich fallen, in Bezug auf den Grad der Übereinstimmung ihrer Tätigkeiten und/oder Investitionen mit der EU-Taxonomie-Verordnung gemacht werden müssen.
Wer ist von der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen?
Die EU-Taxonomie-Verordnung gilt für alle in der EU ansässigen Finanzmarktteilnehmer. Vermögensverwalter und Finanzberater müssen offenlegen, inwieweit sie sich verpflichten, im Rahmen ihrer Finanzprodukte in taxonomisch ausgerichtete Aktivitäten zu investieren. Daher gilt:
- Die Unternehmen verfügen über klarere Leitlinien für nachhaltige Finanzinitiativen und Vorschriften, was ihnen bei der strategischen Planung und Kapitalbeschaffung für diese Projekte hilft.
- Anlageverwalter können glaubwürdige grüne Produkte entwickeln, die den anerkannten gemeinsamen Standards entsprechen.
- Kleinanleger können Finanzprodukte auf der Grundlage von mit der EU-Taxonomie-Verordnung konformen Aktivitäten besser vergleichen.
- Professionelle Anleger (Portfoliomanager) können Unternehmen durch eine erhöhte Offenlegung der auf die EU-Taxonomie-Verordnung abgestimmten Aktivitäten besser vergleichen.
Wie wird die EU-Taxonomie-Verordnung auf ein Investitionsportfolio angewendet?
Die Offenlegung der an der EU-Taxonomie-Verordnung ausgerichteten Tätigkeiten auf Unternehmensebene fließt in die Offenlegung der auf die EU-Taxonomie-Verordnung ausgerichteten Tätigkeiten auf Portfolioebene ein. EU-Unternehmen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, müssen angeben, inwieweit ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auf die EU-Taxonomie-Verordnung abgestimmt sind. Die Vermögensverwalter fassen die Informationen der Unternehmen zusammen und berücksichtigen dabei alle wichtigen Bedingungen, so dass sie den prozentualen Anteil des Fonds bestimmen können, der auf die EU-Taxonomie-Verordnung ausgerichtet ist.
Aggregierter Ansatz zur Abstimmung auf die EU-Taxonomie-Verordnung
Qualität, Vollständig- und Rechtzeitigkeit der entsprechenden Angaben der Beteiligungsunternehmen sind entscheidend dafür, dass die Vermögensverwalter ihren eigenen Verpflichtungen gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung nachkommen können. Mit der Zeit werden die verbesserten Unternehmensangaben den Portfoliomanagern helfen, Umweltaspekte besser in die Anlageentscheidungen und die Portfoliokonstruktion einzubeziehen.
In welchem Zusammenhang steht die EU-Taxonomie-Verordnung mit der Offenlegungsverordnung und anderen EU-Initiativen zur nachhaltigen Finanzierung?
Die EU-Taxonomie-Verordnung wird in die Offenlegungspflichten der Offenlegungsverordnung integriert. Von Unternehmen wird erwartet, dass sie ihre Mindestangleichung an die EU-Taxonomie-Verordnung neben Überlegungen zur Offenlegungsverordnung widerspiegelt. Bei Finanzprodukten nach Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung muss außerdem offengelegt werden, inwieweit sie sich zu nachhaltigen Investitionen verpflichtet haben, wobei sowohl auf die Standards der Offenlegungsverordnung als auch auf die der EU-Taxonomie-Verordnung Bezug genommen werden muss.
Gemäß der Offenlegungsverordnung bedeutet „nachhaltige Investition“ im weitesten Sinne eine Investition in eine Wirtschaftstätigkeit, die zu einem ökologischen und/oder sozialen Ziel beiträgt, vorausgesetzt, dass solche Anlagen keinem dieser Ziele erheblich schaden und dass die Unternehmen, in die investiert wird, die Grundsätze der guten Unternehmensführung befolgen.
Gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung bedeutet eine „nachhaltige Investition“ (die an die EU-Taxonomie-Verordnung angepasst ist) eine Investition in eine Wirtschaftstätigkeit, die zu einem der sechs in der Verordnung anerkannten Umweltziele beiträgt, unter der Bedingung, dass die Anlage die oben beschriebenen vierstufigen Due-Diligence-Standards erfüllt.
Integration von Aspekten der EU-Taxonomie-Verordnung in ein Produkt entsprechend Artikel 8 der Offenlegungsverordnung
Wie die EU-Taxonomie-Verordnung bei einem Produkt nach Artikel 8 der Offenlegungsverordnung berücksichtigt wird
Die Offenlegungen nach Artikel 8 und Artikel 9 vermitteln den Anlegern durch vorvertragliche (ex ante) Offenlegungspflichten, z. B. in Form eines Prospekts, ein detailliertes Verständnis der Verpflichtungen von Finanzprodukten in Bezug auf nachhaltige Anlagen. Die Anleger werden durch regelmäßige Berichterstattung (Ex-post-Offenlegungspflichten), auch erkennen können, wie die Finanzprodukte in Bezug auf diese Verpflichtungen abschneiden.
Mehrere EU-Initiativen zur nachhaltigen Finanzierung, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden, werden wahrscheinlich Elemente der EU-Taxonomie-Verordnung enthalten, wie z. B.:
- EU-Umweltzeichen für Finanzprodukte für Privatkunden
- Künftige EU-Standards für grüne Anleihen und grüne Hypotheken
- EU-Klima-Benchmark-Verordnung
- EU-Verordnung über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen (NFRD) und Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD)
Wird es eine britische Version der EU-Taxonomie-Verordnung geben?
Das Vereinigte Königreich plant ein hybrides, paralleles Modell der Verordnung, das möglicherweise folgende Aspekte umfassen wird:
- Empfehlungen der Task Force zu klimabezogenen Finanzoffenlegungen für klimabezogene Angaben auf Unternehmens- und Produktebene, die am 1. Januar 2022 in Kraft traten
- Mögliche nachhaltige Offenlegungsanforderungen (UK SDR) auf der Grundlage eines Diskussionspapiers vom 3. November 2021
- Mögliche Verordnung zur Umwelttaxonomie, ähnlich wie in der EU, erwartet für Ende 2022
Die britischen Behörden haben noch nicht entschieden, ob sie ESG in ihre eigenen Rechtsvorschriften integrieren wollen.
Auf welche weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie-Verordnung sollten Anleger achten?
Die Integration „nachhaltiger Präferenzen“ in die bestehenden, durch die MiFID definierten Eignungsregeln wird eine der nächsten Entwicklungen sein, die Auswirkungen auf die Anleger haben werden.
Die jüngsten EU-Vorschriften zur Integration von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in bestimmte organisatorische Anforderungen und Geschäftsbedingungen für Investmentgesellschaften, wie sie in der MiFID dargelegt sind, werden auch „Nachhaltigkeitspräferenzen“ in die bestehenden Eignungsregeln einbeziehen. Diese soll nach aktuellem Stand im August 2022 zusammen mit anderen ESG-bezogenen Änderungen in Kraft treten, die mehrere EU-Regulierungsrahmen betreffen, darunter Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und die Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD).
Mit den Nachhaltigkeitspräferenzen können Kunden (oder potenzielle Kunden) bestimmen, ob und in welchem Umfang sie Nachhaltigkeit bei ihren Anlagen durch ein Finanzinstrument mit einer der folgenden Optionen berücksichtigen möchten:
- Mindestanteil an Investitionen in ökologisch nachhaltige Anlagen gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung
- Mindestanteil, der in nachhaltige Anlagen gemäß der Definition der Offenlegungsverordnung investiert wird
- Berücksichtigung der wichtigsten negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren mit qualitativen oder quantitativen Elementen, die als Nachweis für diese Berücksichtigung dienen
Zusätzliche Änderungen werden Schlüsselbegriffe wie „Nachhaltigkeitsfaktoren“ und „Nachhaltigkeitsrisiko“ einbeziehen und ESG-Erwägungen berücksichtigen, um eine Angleichung an die Offenlegungsverordnung zu erreichen.
Welcher Zeitplan gilt für die Umsetzung der Taxonomie-Verordnung der EU?
Die EU-Taxonomie-Verordnung trat am 1. Januar 2022 in Kraft. Seit diesem Datum gelten die vorvertraglichen Ex-ante-Offenlegungsstandards der Stufe 1.
Vorbehaltlich der Verabschiedung der entsprechenden Stufe-2-Standards der EU-Taxonomie-Verordnung in EU-Recht werden die erweiterten Offenlegungsstandards mit Wirkung vom 1. Januar 2023 in die Offenlegungsvorlagen der Offenlegungsverordnung integriert (dieses Datum muss noch bestätigt werden).
Wie wird die EU-Taxonomie-Verordnung den Anlegern zugutekommen?
Es ist davon auszugehen, dass die Auswirkungen der EU-Taxonomie-Verordnung in den kommenden Jahren eher schrittweise erfolgen werden, als dass sie einen unmittelbaren Wandel bewirken, insbesondere für nicht professionelle Anleger.
Da Elemente der EU-Taxonomie-Verordnung in der Offenlegungsverordnung integriert sind, erlangen Investoren ein zusätzliches detailliertes Verständnis der Mindestverpflichtungen für nachhaltige Investitionen von Finanzprodukten und deren Ausrichtung auf die EU-Taxonomie-Verordnung sowohl vor der Erst- als auch während der Anlage in ein bestimmtes Produkt. Mit anderen Worten: Die Anleger können künftig die Nachhaltigkeitsverpflichtungen von Finanzprodukten im Lauf der Zeit besser vergleichen und überwachen.
Letztendlich werden die Anleger neben weiteren ESG-bezogenen Änderungen der MiFID von einem verbesserten Niveau der ESG-bezogenen Angaben in Finanzprodukten profitieren.
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