Letztendlich erfordert die heutige Anlagelandschaft, dass wir die Diversifizierung überdenken ...

Angesichts der wiederauflebenden Inflation und der steigenden Staatsverschuldung stellen sich viele Anlegerinnen und Anleger die Frage, ob Anleihen in Zeiten von Marktturbulenzen noch Sicherheit bieten können. Und wenn nicht, wie sollte man dann ein diversifiziertes, ausgewogenes Portfolio aufbauen?

Es steht außer Frage, dass die Anlegerinnen und Anleger vor einem größeren Diversifikationsproblem stehen als in der Zeit vor der Pandemie. Damals war ein Portfolio mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Aktien und Anleihen unter allen Bedingungen gut investiert. Aktien lieferten in guten Zeiten Kapitalwachstum, während Staatsanleihen im Zuge von Rezessionen und Zinssenkungen der Zentralbanken aufwerteten.

Die Realität nach der Pandemie ist indes komplexer. Die Anlegerinnen und Anleger brauchen Schutz vor Rezessionsrisiken, aber auch vor Inflationsschocks und fiskalischer Großzügigkeit, die zu einem Rückgang der Anleihe- und Aktienkurse führen könnten. Anleihen sind nicht mehr die Einheitslösung, die sie einmal waren. Anlegerinnen und Anleger brauchen heute unterschiedliche Rettungsringe für unterschiedliche Stürme.

Staatsanleihen für Rezessionen, aber selektiv vorgehen

Staatsanleihen hatten zweifellos ein schwieriges Jahr. Die Angst vor Inflation und übermäßigen Staatsausgaben hat zu einer Volatilität der Zinssätze beigetragen, die zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Berichts sogar die Volatilität an den Aktienmärkten übertrifft. Kein Wunder also, dass die Anlegerinnen und Anleger die sicheren Häfen ihrer Bestände in Staatsanleihen in Frage stellen.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass in den letzten Jahren das vorherrschende wirtschaftliche Risiko in der Gefahr einer Überhitzung lag, die zum Teil durch großzügige fiskalische Unterstützung verursacht wurde. Mit Blick auf das Jahr 2025 sind die Risiken nun gleichmäßiger verteilt.

Während sich die US-Wirtschaft abkühlt, ist es möglich, dass die geopolitischen Spannungen einen Vertrauensverlust verursachen und zu einer Rezession führen. In diesem Szenario würden wir eine erneute Diversifikation von Aktienverlusten durch Anleihen erwarten. Tatsächlich haben Anleihen ihren Wert bereits unter Beweis gestellt, wenn Rezessionsängste aufkommen. Während des Abverkaufs am Aktienmarkt über den Sommer 2024 stellten Anleihen ihre eher typischen kompensierenden Eigenschaften unter Beweis. US-Aktien fielen vom 16. Juli bis zum 5. August um 8,4%, während 10-jährige US-Staatsanleihen positive Erträge von 3,2% erzielten. 

Angesichts des Ausgangsniveaus der Renditen ist die Fähigkeit von Anleihen, sich vor einem tiefen Rezessionsschock zu schützen, so groß wie seit langem nicht mehr. Wenn die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen in den nächsten zwölf Monaten um 100 Basispunkte sinken, würden sie einen Ertrag von mehr als 10% liefern (Abbildung 26). Diese Performance würde eine sinnvolle Diversifikation gegen Aktienverluste bieten, auf die Anlegerinnen und Anleger in Multi-Asset-Anlagen bei der Zusammenstellung ausgewogener Portfolios vertrauen.

Es gibt jedoch einige Nuancen, die Anlegerinnen und Anleger bei der Entscheidung berücksichtigen müssen, wo sie ihr Durationsbudget einsetzen wollen. Anlegerinnen und Anleger tendieren angesichts der attraktiveren regelmäßigen Erträge naturgemäß zu Anleihen mit höheren Renditen. Für die Diversifikation ist das Ausmaß der Renditeentwicklung jedoch weitaus wichtiger als die Ausgangssituation (Abbildung 26). Die Anlegerinnen und Anleger sollten sich daher darauf konzentrieren, Märkte zu identifizieren, an denen weder Inflations- noch Haushaltsrisiken die Fähigkeit der Anleihenrenditen, zu sinken, beeinträchtigen dürften.

Wir bevorzugen in beiden Fällen deutsche Bundesanleihen. In zyklischer Hinsicht scheint das Inflationsumfeld günstiger zu sein, und wir sind zuversichtlicher, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen im Jahr 2025 deutlich senken wird. Die Überwachung der Finanzpolitik durch die Europäische Kommission bietet eine institutionelle Leitplanke, die für Anlegerinnen und Anleger in Staatsanleihen attraktiv ist. Und insgesamt dürfte die Verschuldung im Verhältnis zum BIP in der Eurozone relativ gesehen niedriger bleiben (Abbildung 27). Die Erreichung fiskalischer Ziele gestaltet sich jedoch in höher verschuldeten Ländern der Eurozone wie Frankreich und Italien als politisch schwierig. Wir haben mehr Vertrauen in die Fähigkeit von deutschen Bundesanleihen, ein Portfolio vor Verlusten zu schützen, als britische Gilts oder US-Treasuries.

Alternative Anlagen für Inflations- und fiskalische Schocks

Während der pandemiebedingte Inflationsdruck kurzfristig weiter nachlassen dürfte, gehen wir davon aus, dass mittelfristig eine stärker fragmentierte Weltwirtschaft – und das Potenzial für fiskalisches Fehlverhalten – zu weiteren Inflationsimpulsen führen werden, ähnlich wie schon im Jahr 2022. In diesem Fall ist bei festverzinslichen Anlagen mit einem Abverkauf bei gleichzeitig sinkenden Aktienkursen zu rechnen (Abbildung 28).

Diese Erwartung unterstreicht, wie wichtig es ist, Diversifikationsstrategien über klassische Anleihen hinaus zu verfolgen. In einem Umfeld, das durch zweiseitige Risiken gekennzeichnet ist, erweisen sich Sachwerte als wesentlicher Bestandteil eines gut abgerundeten Portfolios. Diese Vermögenswerte, zu denen Immobilien, Infrastruktur, Transport und Rohstoffe zählen, bieten eine Absicherung gegen Inflation und Schutz, wenn herkömmliche sichere Häfen rar gesät sind. Aufgrund ihres inneren Wertes und ihres materiellen Charakters sind sie weniger anfällig für die erosiven Auswirkungen steigender Preise, wodurch die Kaufkraft erhalten bleibt und die realen Erträge in inflationären Zeiten geschützt werden.

Neben Sachwerten können auch andere alternative Anlagen eine entscheidende Rolle bei der Diversifikation spielen. Durch die Allokation eines Teils eines Portfolios auf Strategien, die unabhängig von den Marktbedingungen Erträge generieren sollen, können Anlegerinnen und Anleger die Widerstandsfähigkeit des Portfolios weiter verbessern. Hedgefonds mit ihren verschiedenen Strategien wie Equity-Long/ Short, Event Driven und Global Macro können in verschiedenen Umgebungen Wert schaffen. Durch das aktive Management von Risikopositionen und flexible Reaktion auf sich ändernde Marktbedingungen können Hedgefonds Verluste mindern und Abwärtsrisiken in Portfolios begrenzen (Abbildung 29).

Gold kann auch in Inflationszeiten Wertzuwächse verzeichnen, da die Anlegerinnen und Anleger versuchen, Wert durch Investition in einen Vermögenswert zu speichern, dessen Angebot begrenzt ist. In der Tat hat sich Gold in den letzten zwei Jahren gut entwickelt, aber in „normalen Zeiten“ ist Gold ein nicht rentierlicher Vermögenswert – wir würden also argumentieren, dass andere Sachwerte im Verlauf des Zyklus einen besseren Schutz bieten. So haben US-Immobilien seit 1981 auf rollierender Dreijahresbasis in der Summe um 60% besser abgeschnitten als Gold und das Dreifache der Gesamterträge erzielt. 

Letztendlich müssen Anlegerinnen und Anleger die Diversifikation in der heutigen Investmentlandschaft neu überdenken. Ein Portfolio sollte Kernanleihen für Ertrags- und Rezessionsschutz, aber auch inflationssensible Sachwerte und Hedgefonds umfassen. Wir behalten zwar eine positive Sicht auf Anleihen bei. Ein breiter angelegter Diversifikationsansatz ermöglicht es Anlegerinnen und Anlegern jedoch, widerstandsfähigere Portfolios aufzubauen, die gut investiert sind, um die Komplexität und die Ungewissheit der heutigen Weltwirtschaft zu meistern.

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