Europa und China hatten bereits vor der Wahl zu kämpfen, und da Trump wahrscheinlich der "America first"-Politik Vorrang einräumen wird, werden die beiden Regionen darauf reagieren müssen.
Die Wiederwahl von Donald Trump dürfte weitreichende Folgen über die USA hinaus haben. Innenpolitisch wird der neue Präsident mit ziemlicher Sicherheit mehr fiskalische Anreize schaffen, was bedeutet, dass die Regierungen in anderen Ländern, insbesondere in Europa und China, kaum eine andere Wahl haben werden, als diesem Beispiel zu folgen, um potenzielle negative wirtschaftliche Auswirkungen einer aggressiven Handelspolitik auszugleichen.
Angesichts der Tatsache, dass die Risikomärkte die Aussicht auf ein solches „Pump-Priming“ – also ein Ankurbeln der Wirtschaft – weiterhin bejubeln könnten, halten wir eine risikofreudige Haltung für sinnvoll. Allerdings ist es unerlässlich, dass die Anlegerinnen und Anleger das Abwärtsrisiko nicht außer Acht lassen, wonach geopolitische Feindseligkeiten zu einem Rückgang des Vertrauens der Unternehmen und einer Rezession führen, sowie das Risiko, wonach die Inflation wieder auflebt und die Anleihenrenditen in die Höhe treibt.
Die Gegenströmungen von Steuern und Zöllen
Vor der Wahl schien sich die US-Wirtschaft abzuschwächen, da die pandemiebedingten Ersparnisse der Privathaushalte aufgebraucht waren. Insbesondere auf dem Arbeitsmarkt gab es Anzeichen für eine Abkühlung, die aber immerhin geordnet verlief. Die Tatsache, dass die Mehrheit der Privathaushalte und Unternehmen so gut mit höheren Zinsen fertig wurde, war ein ermutigendes Zeichen für die zugrunde liegende Robustheit der US-Wirtschaft. Angesichts der Konjunkturabkühlung nahm der Inflationsdruck ab und es bestand Aussicht auf eine potenziell erhebliche geldpolitische Lockerung.
Die Wiederwahl von Donald Trump bringt Potenzial für neue fiskalische Impulse mit sich. Das Steuerpaket, das Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit verabschiedet hatte, dürfte umfassend verlängert werden, anstatt Ende 2025, wie zuvor gesetzlich festgelegt, auszulaufen. Präsident Trump hat ferner die Möglichkeit, den Körperschaftsteuersatz einmal mehr von 21% auf 15% zu senken, zusätzliche Steuersenkungen für Privathaushalte, etwa durch die Aufhebung der Besteuerung von Trinkgeld und Überstunden, sowie die Deregulierung in verschiedenen Bereichen diskutiert.
Es gibt zwei Risiken, die ein derart positives Ergebnis beeinträchtigen könnten und im Verlauf des Jahres 2025 im Auge behalten werden müssen. Erstens besteht die Gefahr, dass die anhaltend hohen Haushaltsdefizite und das Gerede über weitere Konjunkturmaßnahmen den Anleihenmarkt verunsichern und das, was über niedrigere Steuern in die Taschen der Menschen fließt, in Form höherer Hypotheken- und Unternehmenskreditzinsen wieder zunichtegemacht wird, wenn die langfristigen Zinssätze für Staatsanleihen steigen. Die zweite Gefahr ist, dass Zölle das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Unternehmen untergraben.
Präsident Trump verlangt von den Anlegerinnen und Anlegern an den Anleihenmärkten zweifelsohne viel (Abbildung 1). Bei der aktuellen Politik dürfte das Haushaltsdefizit im kommenden Jahrzehnt bereits im Bereich von 7%–8% bleiben, und die Verschuldung in Prozent des BIP auf über 120% anteigen (Abbildung 2).
Der Anleihenmarkt hat die Nachrichten über den umfassenden Wahlsieg der Republikaner bisher verhältnismäßig gut aufgenommen. Die Frage, wo die Renditen stehen, hängt davon ab, wie das Potenzial für weitere fiskalische Impulse mit der möglichen Umsetzung einiger anderer Wahlversprechen zusammenwirkt.
Die Bekämpfung der Einwanderung war eines der zentralen Themen von Trumps Wahlkampf, und er hat außerdem drakonische Einwanderungsbeschränkungen und umfangreiche Abschiebungen versprochen. Die letzte erfolgreiche Deportation fand 1956 unter Präsident Eisenhower statt, als rund 1,3 Millionen Einwanderer abgeschoben wurden. Unabhängig davon, ob sich Abschiebungen als machbar erweisen, dürften wesentlich strengere Kontrollen an der Grenze, erschwerte Bedingungen für die Gewährung von Asyl und die Aussicht auf Razzien am Arbeitsplatz sowohl potenzielle Migranten als auch die US-Arbeitgeber mit Nachdruck abschrecken.
Dies wird Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Nicht zu vergessen ist, dass die massive Zunahme der Einwanderung in den letzten Jahren zwar die Wählerschaft verärgert hat, sie allerdings auch wesentlich dazu beitrug, dass die USA ein starkes Wachstum beibehalten und gleichzeitig die Inflation senken konnten. Ein deutlicher Rückgang bei den Wanderarbeitern könnte Lohndruck und Inflationssorgen wiederbeleben.
Der Kostendruck der Unternehmen könnte ferner steigen, wenn der selbsternannte „Zollmann“ auf breiter Basis hohe Zölle auf Importe verhängt. Trump hat erklärt, dass er Zölle von 60% auf alle Waren verhängen wird, die aus China in die USA kommen, und 10% bis 20% auf Waren, die aus allen anderen Regionen stammen.
Handelt es sich hier um eine Priorität ab Tag Eins oder um einen Ausgangspunkt für Verhandlungen?
Wir gehen davon aus, dass die Zölle auf China beschlossene Sache sind. Dass China ein „unfairer Händler“ ist, ist eine Ansicht, die in den USA von beiden Parteien, Republikanern wie Demokraten, politisch unterstützt wird. Während ein Zoll in Höhe von 60% sicherlich ins Auge sticht, ist anzumerken, dass das Handelsvolumen, das die USA gegenüber China aufweisen, seit der ersten Amtszeit von Präsident Trump bereits deutlich zurückgegangen ist (Abbildung 3). Friendshoring und Nearshoring haben sich bemerkenswert schnell entwickelt, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass chinesische Unternehmen selbst ihre Produktion an andere Standorte wie Mexiko verlagern.
Ein Pauschaltarif für alle anderen Regionen hätte tiefgreifende Auswirkungen, aber wie weit wird Präsident Trump diese Agenda vorantreiben? Einerseits sind er und wichtige Mitglieder seines Teams, wie sein ehemaliger Verhandlungsführer Robert Lightizer, eindeutige Zollideologen. Sie glauben nicht an die Vorteile des Freihandels und sehen Zölle als einfache Einnahmequelle, um Steuersenkungen im Inland zu finanzieren.
Unklar ist unterdessen, ob der Präsident per Erlass einen Pauschalzoll auferlegen kann. Er ist befugt, unilateral abzielende Zölle zu erheben, aber für breit angelegte Zölle sind wahrscheinlich Kongressbeschlüsse erforderlich, und das wird Zeit in Anspruch nehmen. Zudem sind breit angelegte Zölle wirtschaftlich riskanter. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie sehr die Wähler die Inflation verabscheuen, und ein Zoll von 10% bis 20% auf Importe aus allen Ländern dürfte größere Auswirkungen auf den Preisdruck in den USA haben. Ferner ging die Unsicherheit, die durch Trumps ersten Handelskrieg entstand, mit einem dramatischen Rückgang der Unternehmensinvestitionen in den USA einher (Abbildung 4).
Wir gehen daher davon aus, dass andere Regionen im Hinblick auf Zölle Spielraum für Verhandlungen haben werden. Diejenigen Länder mit den größten Handelsüberschüssen – einschließlich China, Mexiko, Vietnam und Deutschland – sind indes auch diejenigen, bei denen sich die Verhandlungen als am schwierigsten erweisen dürften (Abbildung 5).
Angesichts dessen ist die US-Notenbank nicht zu beneiden. Die US-Politiker müssen differenzieren, wie Steuersenkungen die Nachfrage ankurbeln werden, und gleichzeitig verstehen, wie Migration und Handelsspannungen das Angebot einschränken können. Alles in allem dürften diese Faktoren die Inflation in die Höhe treiben und damit die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die US-Notenbank die Zinsen bis 2025 deutlich senken wird. Abgesehen davon ist die schwierige Beziehung zwischen Präsident Trump und dem Vorsitzenden der US-Notenbank Jerome Powell zu erwähnen. In seiner ersten Amtszeit kritisierte Präsident Trump Powell häufig dafür, kein „nationaler Champion“ zu sein, indem er sich in einem Beitrag in den sozialen Medien zu Folgenden hinreißen ließ: „Wer ist unser größerer Feind, Jay Powell oder Chairman Xi?“ Trump drohte sogar, einen Schattenvorsitzenden zu ernennen, damit er eine bessere Kontrolle über die Entscheidungsfindung der US-Notenbank hat.
Unsere zentrale Annahme lautet, dass die US- Notenbank während der Präsidentschaft von Trump sehr zurückhaltend die Zinssätze anheben und im Falle einer Abschwächung der Daten schnell handeln wird. Solange es Powell gelingt, Anlegerinnen und Anleger an den Anleihenmärkten bei der Stange zu halten, dürfte eine Zentralbankreaktion, die das Wachstum in den Vordergrund stellt, für Risikoanlagen förderlich sein.
Europa und China müssen reagieren
Was bedeutet „America First“ für den Rest der Welt?
Europa und China hatten bereits vor der Wahl mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Im Gegensatz zum zuversichtlichen Überschwang in den USA sind die europäischen Privathaushalte und Verbraucherinnen und Verbraucher vorsichtig und zurückhaltend geblieben (siehe unsere jüngste Studie „Was bewegt Anlegerinnen und Anleger?“). Während die Privathaushalte in den USA die während der Pandemie angehäuften Ersparnisse willig aufbrauchten, haben die europäischen Privathaushalte ihre Ersparnisse weiter aufgestockt (Abbildung 6).
Die Anziehungskraft höherer Zinssätze ist hierbei ein Faktor (Abbildung 7), aber die Angst hat mit Sicherheit ebenfalls eine Rolle gespielt, da die Energiekosten hoch bleiben, der Konflikt in der Ukraine anhält und erneut Diskussionen über höhere Steuern zur Bekämpfung der Staatsdefizite aufkamen.
Innerhalb Europas hat Großbritannien die grünsten Triebe eines Aufschwungs entwickelt und scheint sich in einer bescheidenen Erholung zu befinden, da die sinkende Gesamtinflation und das starke Reallohnwachstum die Verbraucherausgaben wieder beleben konnten. Der jüngste Staatshaushalt der neuen Labour-Regierung enthielt erhebliche Steuererhöhungen, zugleich aber noch mehr staatliche Ausgaben, die im Voraus getätigt wurden und daher das Potenzial haben, dem Wachstum im Jahr 2025 unterm Strich einen positiven Schub zu verpassen.
Angesichts seines sehr kleinen Fertigungssektors ist Großbritannien zudem weniger anfällig gegenüber der anhaltenden globalen Handelsschwäche als die Eurozone, da ein Großteil der globalen Erholung in den letzten Jahren von der Nachfrage nach Dienstleistungen angetrieben wurde.
Die Schwäche der globalen Nachfrage nach Gütern könnte indes nur ein Überhang aus den Zeiten der Pandemie sein. Während der Lockdowns konzentrierten sich die Ausgaben der Privathaushalte auf Güter. Mit Aufhebung der Lockdowns fokussierte sich die Nachfrage auf Dienstleistungen und einen Nachholeffekt, um nicht gemachte Erfahrungen zu kompensieren. Irgendwann dürfte sich das Ausgabeverhalten normalisieren; es gibt viele Anzeichen dafür, dass das Durchschnittsalter von langlebigen Gütern, wie z. B. Autos, gegenwärtig sehr hoch ist.
Die anhaltende Nachfrageschwäche aus China spielt ebenfalls eine Rolle, da die Erholung Chinas nach der Pandemie noch enttäuschender war als die in Europa. Der dortige Überhang im Immobiliensektor – nach einem jahrzehntelangen Bauboom – hat die Hauspreise nachhaltig belastet. Da zwei Drittel des Vermögens chinesischer Privathaushalte im Immobiliensektor angesiedelt sind, überrascht es kaum, dass die Sorgen in Bezug auf den Sektor das Verbrauchervertrauen belastet haben. Angesichts der ins Stottern geratenen Binnenkonjunktur haben sich die Unternehmen auf Exporte konzentriert. Der daraus resultierende intensive Wettbewerb hat die europäischen Hersteller weiter unter Druck gesetzt.
Auf den ersten Blick scheint das Wahlergebnis in den USA die Probleme Europas und Chinas zu verschärfen. Wir gehen allerdings davon aus, dass sowohl China als auch Europa dieser drohenden Feindseligkeit mit mehr Unterstützung für ihre eigenen Volkswirtschaften begegnen werden.
Die Konjunkturmaßnahmen Chinas haben sich bisher darauf konzentriert, Kredite schneller verfügbar und billiger zu machen. Wenn das zugrunde liegende Problem jedoch eine überbordende Verschuldung ist, ist eine Kreditvergabe zu attraktiveren Bedingungen selten eine Lösung von Dauer. Wir gehen davon aus, dass die Feindseligkeiten des Auslands Peking dazu veranlassen werden, den Schuldenüberhang der lokalen Regierungen direkter anzugehen und den Privathaushalten und Unternehmen direktere fiskalpolitische Anreize zu bieten.
Die Fähigkeit Europas, schnell zu reagieren, könnte durch hausgemachte politische Probleme beeinträchtigt werden.
In Deutschland1 traf Kanzler Olaf Scholz, der die Wiederwahl Trumps – gepaart mit dem Krieg in der Ukraine – als „Notfallsituation“ bezeichnet, die eine vorübergehende Aussetzung der Schuldenbremse ermöglichen sollte, auf den Widerstand der fiskalisch konservativen FDP-Partei.
Seitdem ist die Regierungskoalition zusammengebrochen, und im Februar dürften Bundestagswahlen anstehen. Die nach aktuellen Umfragen sinkende Beliebtheit der FDP deutet darauf hin, dass die fiskalische Verantwortung der Partei nicht honoriert wird. In der Tat ist es derzeit unwahrscheinlich, dass die FDP die für den Einzug in das deutsche Parlament erforderliche 5%-Hürde bei den Wählerstimmen nehmen wird. Ungewiss ist, ob Deutschland schnell eine Regierung mit einem glaubwürdigen Plan für die Binnenwirtschaft und die Ukraine-Politik bilden kann. Während die für die USA für die nächsten zehn Jahre prognostizierten Defizite unserer Ansicht nach unklug erscheinen, erscheint die extreme Besessenheit Deutschlands von finanzpolitischem Konservatismus dagegen wie ein bemerkenswerter Akt der Eigensabotage.
Die politische Situation in Frankreich ist ähnlich prekär. Nachdem Präsident Macron im Juni überraschend Parlamentswahlen ausrief, verlor seine Koalition ihre Mehrheit. Es dauerte dann mehrere Monate, bis eine neue Mitte-Rechts-Koalitionsregierung gebildet werden konnte, sehr zum Ärger des Linksbündnisses, das eigentlich die meisten Sitze gewonnen hatte. Michel Barnier – der neue Premierminister – hat eine fragile Haushaltslage geerbt. Das Defizit wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 6,1% erreichen, und Frankreich unterliegt nun dem „Verfahren bei einem übermäßigen Defizit“ der Europäischen Kommission, in dem sich das Land dazu gezwungen sieht, Konsolidierungsmaßnahmen vorzuschlagen.
Der neue Haushaltsplan Frankreichs beinhaltet folglich Ausgabenkürzungen in Höhe von 40 Mrd. EUR und Steuererhöhungen in Höhe von 20 Mrd. EUR. Er dürfte im Parlament auf wenig Gegenliebe stoßen. Sollten Versuche unternommen werden, den Haushalt über einen umstrittenen Verfassungsartikel durchzusetzen, könnte dies ein Misstrauensvotum und neue Parlamentswahlen auslösen, die allerdings nicht vor Juni 2025 stattfinden können.
Darüber hinaus muss Europa über seine Vorgehensweise zum Klimaschutz nachdenken. Während es zweifellos bewundernswert ist, der Zukunft des Planeten Priorität einzuräumen, legen andere Regionen nicht das gleiche Gefühl der Dringlichkeit an den Tag. Unter Präsident Trump droht sich die Regulierungslücke zwischen Europa und anderen Regionen auszuweiten, was sich zu einem zunehmenden Gegenwind für die europäische Industrie entwickelt. Europa muss entweder seine aktuellen Pläne anpassen oder die betroffenen Unternehmen subventionieren und eigene Schutzwälle errichten, um sich vor dem Wettbewerb durch Waren zu schützen, die in Regionen mit weniger strengen Umweltrichtlinien hergestellt werden
Es ist verlockend, sich Pessimismus hinzugeben und davon auszugehen, dass die europäischen Politiker nicht die Notwendigkeit erkennen oder die Fähigkeit haben werden, eine Lösung für diese Probleme zu finden. Doch gerade in Zeiten globaler Krisen haben die politischen Entscheidungsträger des Euroraums oft zusammengefunden, um aktiv zu werden. Denken Sie an die Reaktion des Kontinents auf den Krieg in der Ukraine oder die Kooperation nach der Pandemie, die zum Wiederaufbaufonds der EU geführt hat, der ein außerordentlicher Schritt hin zu einer dringend benötigten Fiskalunion war.
Die heutigen Krisen könnten sich als Motor für weitere Anreize erweisen. Viele europäische Länder erfüllen nun ihre NATO-Verpflichtung, 2% des BIP für die Verteidigung auszugeben (Abbildung 8). Präsident Trump hat allerdings unlängst erklärt, dass diese Zahl künftig bei 3% des BIP liegen sollte.
Die Unterstützung durch die Regierungen kann einige Zeit in Anspruch nehmen, so dass die Europäische Zentralbank (EZB) zunächst unter Druck geraten wird. Im Gegensatz zur US-Notenbank dürfte die EZB kaum durch Sorgen über ein Wiederaufflackern der Inflation behindert werden, sodass wir weiterhin davon ausgehen, dass die Währungshüter Europas im Laufe des Jahres 2025 mehrere Zinssenkungen vornehmen werden. Angesichts der angespannten finanziellen Lage in Europa könnte diese Lockerung der Zinssätze erhebliche Auswirkungen auf den zinssensiblen Unternehmenssektor haben und vielleicht sogar die Privathaushalte dazu ermutigen, einen Teil ihrer umfangreichen Ersparnisse auszugeben.
Die Bank of England dürfte angesichts der robusten Nachfrage in Großbritannien und der anhaltenden Bedenken über einen angespannten Arbeitsmarkt infolge der geringen und sinkenden inländischen Beteiligung kaum Stimulierungsmaßnahmen in der gleichen Größenordnung ergreifen.
Bekannte Unbekannte
Insgesamt gilt es im Auge zu behalten, dass es ein hohes Maß an Unsicherheit in Bezug auf die Innen- und Außenpolitik der USA und die politischen Reaktionen gibt, zu denen es in anderen Regionen kommen wird. Eine „America First“-Politik könnte zwar zu einem anhaltenden „US-Exzeptionalismus“ in allen Anlageklassen führen. Da der Multiplikator für die zukünftigen Gewinne jedoch beim 22-Fachen liegt, verglichen mit dem 14-Fachen in Europa, würden wir jedoch erwarten, dass ein Großteil dieses relativen Optimismus bereits am US-Aktienmarkt eingepreist ist (siehe Voreiliger Abschlag auf europäische Aktien und Chinas Anreize und Aussichten für Schwellenländeraktien). Die Anlegerinnen und Anleger müssen auch sehr darauf achten, wie sie ihre Aktienallokationen verwalten, da der KI-Boom nach dem anfänglichen Hype nun in der Realität ankommen muss (siehe Investieren in KI: Beständiger Trend statt Blase).
Wir sollten uns ferner dessen bewusst sein, dass das heutige Umfeld über die konjunkturellen Auswirkungen hinaus einige der strukturellen Ansichten bestätigt, die wir schon seit geraumer Zeit vertreten. Dazu gehört die Tatsache, dass das Risiko einer höheren und volatileren Inflation angesichts der veränderten Wechselwirkung zwischen Finanz- und Geldpolitik im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie uns zwingt, die Grundlagen der Portfoliodiversifikation zu überdenken (siehe Neue Anforderungen an die Portfolio-Diversifikation).