Strohfeuer oder Trendwende in China?
In diesem Jahr liegt der MSCI China weit vorn – aber wie nachhaltig ist die Erholung?
Die chinesische Wirtschaft hat in den letzten Jahren wenig positive Schlagzeilen gemacht. Die restriktive Corona-Politik, reihenweise regulatorische Eingriffe in die Privatwirtschaft und ein schwacher Immobilienmarkt haben der einstigen Vorzeigewirtschaft schwer zugesetzt. Das Wirtschaftswachstum ist inzwischen auf 4,6 Prozent gefallen und der Aktienmarkt hat seit 2021 in der Spitze 55 Prozent an Wert verloren.
Nach der Ankündigung eines umfangreichen Konjunkturpakets haben chinesische Aktien in den letzten Monaten eine spektakuläre Erholung gestartet. Der MSCI China ist in diesem Jahr mit einem Plus von 20 Prozent einer der besten Aktienmärkte der Welt. Ob das jüngste Konjunkturpaket in der Lage ist, die Trendwende für die chinesische Wirtschaft einzuläuten, ist aktuell eine der spannendsten Fragen für Investoren. Doch dafür bedarf es einer Einschätzung, ob mit den staatlichen Maßnahmen die Ursachen der Schwäche Chinas behoben werden können.
Das Kernproblem Chinas wird beim Verbrauchervertrauen deutlich. Der private Sektor befindet sich in einer Vertrauenskrise. Es ist bemerkenswert, dass sich die Stimmung selbst nach Ende der Zero-COVID Politik nicht erholen konnte. Ein wichtiger Grund für diese Unzufriedenheit dürfte der Immobilienmarkt sein, wo die Preise seit geraumer Zeit fallen. Sinkende Immobilienpreise belasten die Haushalte in China besonders stark, da ihre Sparmöglichkeiten durch Kapitalkontrollen erheblich eingeschränkt wurden. Heute sind 63 Prozent des Vermögens chinesischer Haushalte in Immobilien investiert.
Die Immobilienpreise fallen aus zwei Gründen: Erstens haben chinesische Immobilien insbesondere in den attraktiven Metropolen ein Preisniveau erreicht, das trotz Wirtschaftswachstum kaum mehr erschwinglich ist. Zweitens führte der jahrzehntelange Bauboom zu einer Wohnungsschwemme. Der Bau wurde größtenteils von lokalen Regierungen und anderen de facto staatlichen Betreibern finanziert. Sowohl die Haushalte als auch die lokalen Gebietskörperschaften leiden also unter negativem Eigenkapital, was ein unangenehmes schwarzes Loch in ihren Bilanzen und einen verständlichen Mangel an Appetit auf weitere Ausgaben hinterlässt.
Im Idealfall würde Peking das Problem an der Wurzel packen und den überschüssigen Wohnraum sowie die Schulden aus dem breiteren Wirtschaftssystem in seine eigene Bilanz aufnehmen. Es ist nicht so, dass es zu viel Wohnraum für die Anzahl der Menschen in China gibt. Tatsächlich ist die Urbanisierungsrate mit 65 Prozent im Vergleich zu anderen Industrieländern wie den USA (83 Prozent) oder Japan (92 Prozent) niedrig. Die Wohnungen müssen in Sozialwohnungen umgewandelt werden, um die fortschreitende Urbanisierung Chinas zu erleichtern, was wiederum die Produktivität steigern dürfte.
Warum also das Zögern? Peking ist verständlicherweise zurückhaltend, wenn es darum geht, das "Problem" in seine eigene Bilanz aufzunehmen. Denn das Ausmaß der Verschuldung ist immens. Nach Angaben des IWF beträgt die Staatsverschuldung Chinas zwar nur 24 Prozent des BIP. Aber wenn man die bilanzielle und außerbilanzielle Finanzierung der Kommunalverwaltungen hinzurechnet, steigt diese Zahl auf satte 117 Prozent.
So konzentrieren sich die bisherigen Bemühungen weitgehend darauf, bestehende und neue Schulden erschwinglicher zu machen. Das entlastet sicherlich, aber es behebt nicht das zugrunde liegende Problem. Fiskalische Stützungen für private Haushalte mögen wirksamer sein als monetäre Verlockungen, aber sie können das Problem nicht nachhaltig lösen und führen daher letztlich zu einem Strohfeuer.
Auch liegen die Probleme der chinesischen Wirtschaft nicht nur im Immobilienmarkt. Die Flut von regulatorischen Eingriffen in den letzten Jahren haben auch bei Privatunternehmen zu erheblicher Verstimmung geführt. Das Investitionswachstum nicht-staatlicher Unternehmen ist zum Erliegen gekommen.
Mehr Zurückhaltung bei staatlichen Eingriffen und ein berechenbareres Umfeld zur Förderung des Unternehmertums sind neben der Entschärfung der Immobilienkrise notwendige Maßnahmen, um eine nachhaltige Trendwende in der Wirtschaft und an den Aktienmärkten herbeizuführen. Das jüngste Unterstützungspaket Pekings ist ein erster Schritt aber noch keine Lösung.
Verbrauchervertrauen in China
Indexstand
Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt
Bleiben Sie immer auf dem aktuellsten Stand
Folgen Sie Tilmann Gallers LinkedIn Newsletter, um nichts mehr zu verpassen.
Wichtige Hinweise
Bei diesem Dokument handelt es sich um Werbematerial. Die hierin enthaltenen Informationen stellen jedoch weder eine Beratung noch eine konkrete Anlageempfehlung dar. Sämtliche Prognosen, Zahlen, Einschätzungen und Aussagen zu Finanzmarkttrends oder Anlagetechniken und -strategien sind, sofern nichts anderes angegeben ist, diejenigen von J.P. Morgan Asset Management zum Erstellungsdatum des Dokuments. J.P. Morgan Asset Management erachtet sie zum Zeitpunkt der Erstellung als korrekt, übernimmt jedoch keine Gewährleistung für deren Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Informationen können jederzeit ohne vorherige Ankündigung geändert werden. J.P. Morgan Asset Management nutzt auch Research-Ergebnisse von Dritten; die sich daraus ergebenden Erkenntnisse werden als zusätzliche Informationen bereitgestellt, spiegeln aber nicht unbedingt die Ansichten von J.P. Morgan Asset Management wider. Die Nutzung der Informationen liegt in der alleinigen Verantwortung des Lesers. Der Wert, Preis und die Rendite von Anlagen können Schwankungen unterliegen. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die aktuelle und zukünftige Wertentwicklung. Das Eintreffen von Prognosen kann nicht gewährleistet werden. J.P. Morgan Asset Management ist der Markenname für das Vermögensverwaltungsgeschäft von JPMorgan Chase & Co. und seiner verbundenen Unternehmen weltweit. Telefonanrufe bei J.P. Morgan Asset Management können aus rechtlichen Gründen sowie zu Schulungs– und Sicherheitszwecken aufgezeichnet werden. Soweit gesetzlich erlaubt, werden Informationen und Daten aus der Korrespondenz mit Ihnen in Übereinstimmung mit der EMEA-Datenschutzrichtlinie von J.P. Morgan Asset Management erfasst, gespeichert und verarbeitet. Die EMEA-Datenschutzrichtlinie finden Sie auf folgender Website: www.jpmorgan.com/emea-privacy-policy. Herausgeber in Deutschland: JPMorgan Asset Management (Europe) S.à r.l., Frankfurt Branch Taunustor 1 D-60310 Frankfurt am Main. Herausgeber in Österreich: JPMorgan Asset Management (Europe) S.à r.l., Austrian Branch, Führichgasse 8, A-1010 Wien.
09pu230211095430