Die Klimapolitik könnte zu der größten Umschichtung von Investitionen und Kapital in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte führen.

Eine Energierevolution ist im Gange: Regierungen haben sich zu Netto-Null-Zielen verpflichtet, und neuere Bedenken hinsichtlich der Energiesicherheit und der hohen Preise erhöhen den Druck auf Regierungen, die Energiewende zu beschleunigen. Um diese Ziele zu erreichen, ist in allen Bereichen unserer Wirtschaft ein dramatischer Wandel erforderlich – Rohstoffe und ihre Produzenten werden im Mittelpunkt dieses Wandels stehen. Bisher lag der Fokus vor allem auf Energieunternehmen, die den Rückgang der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen bewältigen. Dennoch besteht eine enorme Nachfrage nach Metallen und Mineralien, die für den Aufbau einer Infrastruktur für erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge (EVs) benötigt werden.

In diesem Artikel untersuchen wir anhand verschiedener Szenarien die Größe und Geschwindigkeit dieses Nachfrageanstiegs, die Auswirkungen des Verhaltens von Unternehmen auf das Angebot und die daraus resultierenden Aussichten für die Rohstoffpreise. Die massiven Auswirkungen, die sich langfristig aus der Umstellung auf saubere Energie für den Rohstoffbereich ergeben, werden attraktive Gelegenheiten für Anlegerinnen und Anleger schaffen, die ihre Portfolios anhand der Energiewende ausrichten möchten.

Für die Energiewende unverzichtbare Ressourcen

Der Ressourcenbedarf im Ökosystem erneuerbarer Energien unterscheidet sich stark von dem eines Systems mit fossilen Brennstoffen. Im Gegensatz zu kohle- oder gasbefeuerten Kraftwerken benötigen Solarmodule und Windparks keinen Brennstoff, dafür aber wesentlich mehr Grundstoffe: Um ein Kohlekraftwerk durch Offshore-Windkraftanlagen zu ersetzen, wird die sechsfache Menge an Mineralien (Kupfer, Zink, Nickel, Chrom und seltene Erden) benötigt. Bei Gaskraftwerken sind es 13 Mal so viel. Der Bau von Solarstromanlagen ist weniger ressourcenintensiv, verbraucht aber immer noch das Dreifache an Mineralien als der Bau entsprechender Kohlekraftwerke. Darüber hinaus werden für den Bau neuer Stromleitungen als Verbindungsglieder zwischen Elektrizitätsangebot und -nachfrage weltweit erhebliche Mengen an Kupfer und Aluminium benötigt. Die fossile Energieerzeugung durch saubere Energie zu ersetzen, wird zwar die Nachfrage nach Kohle und Gas senken, dabei aber die Stromerzeugung grundlegend von einem kraftstoffintensiven zu einem materialintensiven System verändern.

Der Wechsel von Verbrennungsmotoren zu batteriebetriebenen Fahrzeugen folgt einem ähnlichen Muster. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Fahrzeug benötigt ein Elektrofahrzeug die sechsfache Menge an Mineralien wie Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan und Graphit, die kritische Rohstoffe für die Batterieproduktion sind (Abbildung 1).

Die Einschätzung über die Größe der Nachfrage ist vom Tempo der Umstellung abhängig

Neben der Materialintensität ist das Tempo der Umstellung entscheidend für die Einschätzung der zukünftigen Rohstoffnachfrage. Auch wenn sich politische Entscheidungsträger mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert sehen, wodurch das Ergebnis beeinflusst werden kann, geht selbst das konservativste Wachstumsszenario für saubere Energie von einer Fortsetzung der aktuellen politischen Trends aus. In diesem Szenario am unteren Rand des Spektrums steigt die Kapazität für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen bis 2030 um 50 %. Bis Ende des Jahrzehnts wird dieser Anteil von 14,8 % im Jahr 2018 auf 19,2 % ansteigen.

Auf dem Automobilmarkt geht die Umstellung noch schneller voran. Allerdings wird hier die Prognose für die Nachfrage nach Grundstoffen durch die Unsicherheit hinsichtlich der in den nächsten 10 Jahren vorherrschenden chemischen Zusammensetzung von Batterien etwas erschwert. Bereits im Jahr 2021 hat sich der Jahresabsatz von Elektro- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen im Vergleich zum Vorjahr auf 6,8 Mio. Fahrzeuge verdoppelt (Abbildung 2). Es wird erwartet, dass sich diese Zahl bis 2030 auf 19 Mio. Einheiten verfünffachen wird, wenn die entsprechenden Gesetze und Subventionen weltweit in Kraft treten. Die EU strebt beispielsweise an, die CO2-Emissionen von Neuwagen bis 2030 um 55 % zu senken und den Verbrennungsmotor bis 2035 auslaufen zu lassen. China verfolgt das Ziel, bis 2035 einen Marktanteil von 50 % für Fahrzeuge mit neuen Antriebsformen (NEVs) zu erreichen. In den USA hat die Umweltbehörde EPA strengere Standards für Treibhausgase festgelegt, die bis 2026 eine Reduzierung der Emissionen um 28,3 % vorschreiben. Auf der Basis dieser Annahmen wird auch in diesem konservativsten Szenario ein Anstieg der Nachfrage nach kritischen Metallen um knapp 70 % bis 2030 prognostiziert.

Weil erneuerbare Energien allerdings lediglich den erwarteten zusätzlichen Strombedarf decken werden, während die Kohlenstoffemissionen stabil bleiben, dürften die politischen Entscheidungsträger den Umstieg auf saubere Technologien in Zukunft sogar noch forcieren. Ein ideales Netto-Null-Szenario mit ambitionierteren CO2-Emissionszielen liefert die Obergrenze für Wachstumsschätzungen im Hinblick auf die Energiewende und Elektromobilität. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass bis 2030 weltweit weitere Investitionen in Höhe von 1,3 Bio.US-Dollar erforderlich sein könnten, um den Zielen des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden. Der Anteil von Solar und Wind am Energiemix sollte deutlich schneller steigen, bis 2030 auf 48 %.

In einem Netto-Null-Szenario wird der Abschied vom Verbrennungsmotor vorgezogen und von einem sprunghaften Anstieg des Absatzes von Elektrofahrzeugen bis 2030 auf 40 Mio. US-Dollar und bis 2040 auf über 70 Mio. US-Dollar ausgegangen. Dafür würden nach IEASchätzungen erhebliche Investitionen für den Bau von mehr als 200 Millionen Ladestationen bis 2030 erforderlich, wofür eine gewaltige Menge Kupfer verbraucht würde. In diesem Szenario könnte die Nachfrage nach kritischen Metallen bis 2030 auf knapp 110 % ansteigen.

Das Fazit: Es kommt auf das Tempo an. Je nach Geschwindigkeit der Umstellung auf saubere Technologien könnte die Nachfrage nach kritischen Mineralien bis 2030 mit einer Rate von 70 % bis 110 % wachsen, zusätzlich zum Anstieg um 50 % in den letzten 10 Jahren (Abbildung 3).

Unternehmen beeinflussen mit ihrem Verhalten das Angebot

Positiv ist, dass die globalen Reserven kritischer Mineralien groß genug sind, um den Ressourcenbedarf der globalen Umstellung auf Kohlenstoffneutralität zu decken. Die entscheidende Frage ist, ob die Bergbauunternehmen dieses massive Nachfragewachstum in den nächsten 10 Jahren bewältigen können.

Besorgniserregend ist, dass Rohstoffunternehmen in den letzten Jahren ihre Investitionen im Verhältnis zum Umsatz reduziert haben. Abbildung 4 zeigt, dass es in der Vergangenheit eine positive Korrelation zwischen Investitionen in neue Projekte (Capex) und Barausschüttungen an die Aktionäre gab. Die letzte Rohstoff-Hausse zwischen 2004 und 2012 war von starker Nachfrage, steigenden Preisen und hohen Gewinnen charakterisiert. Rohstoffproduzenten investierten stark in neue Projekte und erhöhten ebenfalls die Dividenden. Als jedoch alle Projekte in Betrieb gingen, kam es zu einem Überangebot an den Märkten, welchesder Hausse ein Ende setzte. Daraufhin reduzierten die Unternehmen ihre Investitionen und Dividenden, bis zu einer neuerlichen Verbesserung des Preisumfelds im Zeitraum von 2013 bis 2016.

Seit 2017 sind die Dividenden jedoch gestiegen, während die Investitionsausgaben stagnieren. Wir sehen mehrere Gründe für diese Verhaltensänderung bei den Unternehmen. Erstens war der Verschuldungsgrad in den Bilanzen vieler Rohstoffunternehmen nach dem letzten Superzyklus aufgrund der hohen Investitionstätigkeit und teurer Übernahmen sehr hoch, so dass die Geschäftsleitungen intensiv am Schuldenabbau arbeiteten. Zweitens verschärfte das Pariser Abkommen die Umweltauflagen und rückte Umweltschäden durch Exploration und Förderung verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Anlegerinnen und Anleger. Demzufolge ziehen es die Geschäftsleitungen von Bergbau- und Energieunternehmen heute vor, die Cashflows ihrer Unternehmen an die Aktionäre auszuschütten, anstatt sie in neue Projekte zu investieren, die Gegenstand behördlicher Prüfungen oder öffentlicher Kritik werden könnten.

Was bedeutet das für den Angebotsausblick? Die schwache Investitionstätigkeit gefährdet die zukünftige Versorgung mit kritischen Mineralien, da die Erschließung einer Lithiummine drei bis 10 Jahre dauert, und die Entwicklung von Abbaumöglichkeiten bei Kupfer, Nickel und anderen Industriemetalle fünf bis 15 Jahre. Das Investitionsdefizit der letzten vier Jahre könnte also zu einem Angebotsmangel im Zeitraum von 2025 bis 2030 führen. Auf kurze Sicht scheint die Versorgung an den kritischsten Rohstoffmärkte auszureichen. Die Immobilienkrise in China stellt derzeit einen zyklischen Gegenwind für die Nachfrage dar, der zu einer Korrektur bei kritischen Mineralien führt. Aber selbst im Szenario mit dem geringsten Nachfragewachstum wird es bei einigen kritischen Rohstoffen wie Kupfer, Nickel, Kobalt und Lithium am Ende des Jahrzehnts voraussichtlich zu einem Angebotsmangel kommen. Wenn die politischen Entscheidungsträger die Ziele ihrer Netto-Null-Strategien ambitionierter gestalten, könnten es an mehreren Rohstoffmärkten innerhalb von drei Jahren zu Angebotslücken kommen.

Ausblick für Rohstoffpreise und Schlussfolgerungen 

Selbst das Szenario mit der konservativsten Annahme zum Nachfragewachstum bietet Rohstoffpreise in den kommenden Jahren starken Auftrieb. Die Spotpreise bei Industriemetallen sind in den letzten Jahren bereits gestiegen (Abbildung 5). Wir glauben, dass der Übergang zu sauberen Technologien einen neuen Superzyklus bei kritischen Rohstoffen in Gang bringt, aus dem Rohstoffunternehmen als Gewinner hervorgehen.

Ironischerweise dürfte eine grünere Zukunft Bergbauunternehmen zu den Gewinnern machen. Auf Grundstoffe entfallen 15 % der globalen Treibhausgasemissionen und Bergbaubetriebe verursachen häufig erhebliche Umweltschäden. Aus der Perspektive von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) bestehen in einigen Bereichen der Branche auch weitreichendere Bedenken hinsichtlich Gesundheit und Sicherheit sowie Korruption.

Offenkundig ist die Bergbauindustrie in Bezug auf CO2-Emissionen ein Teil des Problems aber auch Teil der Lösung. Wir meinen, dass Aktionärsengagement und Unternehmensdialog dazu beitragen können, den Widerspruch zwischen den strukturellen Defiziten der Branche und dem gewünschten nachhaltigen Ergebnis zu beheben, und eine produktivere Wirkung haben als ein direkter Ausschluss. Bergbauunternehmen und ihre Zulieferern zum Umstieg von fossilen Brennstoffen zu umweltfreundlichem Strom zu ermuntern, kann ihre CO2-Bilanz erheblich verbessern. Viele börsennotierte Unternehmen achten bereits auf Nachhaltigkeitsziele und haben damit begonnen, ihr Verhalten entsprechend zu ändern.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Klimapolitik zu der größten Umschichtung von Investitionen und Kapital in Friedenszeiten führen könnte. Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette für saubere Technologien dürften strukturell von diesem Trend profitieren. Vergleichbar zur Einpreisung massiver Umwälzungen bei globalen Automobilindustrie an den Märkten, wirkt eine Bewertung mit dem Achtfachen der Gewinne im Bergbausektor nicht übertrieben. Ein neuer Rohstoff- Superzyklus könnte einen langfristigen Wandel in der Weltwirtschaft verursachen und eine gleichermaßen seismische Rotation der Aktienmärkte von Growth- in Value-Titel unterstützen.

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