Inflation: Der Angriff auf unsere Kaufkraft
Die Angst vor der Rezession wächst. Aber ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass diese nicht zwangsweise droht – vor allem dank der Pandemieersparnisse
Für die US-Anleihenmärkte scheint es eine fast ausgemachte Sache zu sein. Der starke Anstieg der Verbraucherpreise und eine wachsame Geldpolitik der US-Notenbank wird die US-Wirtschaft an den Rand einer Rezession bringen – wenn nicht sogar darüber hinaus. Die Zinsstrukturkurve hat sich Anfang April zum ersten Mal seit August 2019 wieder invertiert. Bei jeder US-Rezession in den vergangenen 55 Jahren waren im Voraus die Renditen der kurzfristigen Anleihen höher als die Rendite der zehnjährigen Anleihen. Aber auch dieses Signal ist nicht perfekt, denn es gab zwei Mal „falschen Alarm“. Deshalb ist es nicht so einfach, die Frage zu beantworten, ob die hohe Inflation zwangsläufig zu einer Rezession führen wird.
Sehr wahrscheinlich wird die Inflation für längere Zeit hoch bleiben. Der Krieg in der Ukraine wird für Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise noch längere Zeit preistreibend wirken, da die westlichen Länder ihre Abhängigkeit von russischem Öl und Gas reduzieren wollen. Kurzfristig kommt es zudem zu Lieferengpässen aufgrund der chinesischen Zero-COVID Politik. Die Inflation hält sich also hartnäckig, was Anlegerinnen und Anleger aus zwei Gründen beunruhigt. Erstens reduzieren die hohen Preise das verfügbare Einkommen. Zweitens müssen Zentralbanken angesichts der hohen Inflation kräftig auf die Bremse treten und könnten damit eine Rezession herbeiführen.
Das gefürchtete Beispiel der 1970er Jahre zeigt, dass die Reallöhne dramatisch gefallen sind, weil die Inflation einen großen Anteil der Löhne aufgezehrt hat, was gleich zwei Mal zu einer Rezession führte. Es gab später aber auch Zeiten, in denen die Reallöhne sanken und anschließend keine Rezession folgte. In diesen Phasen in den 1980er und 2000er Jahren hat sich der Arbeitsmarkt erhebliche verbessert, denn die internationale Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen hat von fallenden Reallöhnen profitiert, während Konsumenten ihre Ersparnisse oder Kreditkarten nutzten, um die Ausgaben zu bestreiten.
Aktuell gibt es gute Gründe, dass die Entwicklung genauso vonstattengeht. Die Haushalte haben in der Pandemie Ersparnisse von über 2,1 Billionen USD angehäuft und die Netto-Finanzvermögen sind um knapp 30 Billionen USD angestiegen. Gleichzeitig schafft der boomende Arbeitsmarkt ein Umfeld der Sicherheit – obwohl ein immer größerer Teil ihrer Ersparnisse genutzt wird, gestiegene Gas- und Stromrechnungen zu zahlen oder um ihre Autos vollzutanken. Positiv für den Konsum ist weiterhin, dass die starke Nachfrage nach Arbeitskräften die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer gestärkt hat und damit bessere Lohnabschlüsse nach sich ziehen dürfte.
Die Federal Reserve hat nun eine wichtige Rolle. In den bereits zitierten 1970er Jahren hat die Zentralbank rasch nach dem Inflationsanstieg die Zinsen angehoben – bis in zweistellige Bereiche. Das war sehr schmerzhaft und hat zur Rezession geführt. Auch heute drohen die langfristigen Inflationserwartungen in der Bevölkerung ihre Verankerung zu verlieren. Die Fed wird entsprechend in den kommenden Monaten sehr rigoros die geldpolitischen Zügel anziehen. Als 1973 die US-Verbraucherpreise wie heute über 8 Prozent gesprungen sind lag der US-Leitzins aber auch bereits bei 5,5 Prozent.
Dennoch ist die Furcht vor einer Rückkehr in die Zinslandschaft der 1970er Jahre nicht angebracht. Die Ankündigung einer gleichzeitigen monatlichen Bilanzreduktion von 95 Mrd. USD wird den Finanzmärkten kräftig Liquidität entziehen, was wie eine zusätzliche Leitzinserhöhung wirken dürfte. Das Ziel der Notenbank ist letztendlich, die Überschussnachfrage des Privatsektors aus dem Markt zu nehmen, ohne eine Rezession auszulösen – ein wahrlicher Drahtseilakt. Die aktuelle Konsumstärke reicht nach unserer Einschätzung aus, eine Rezession in 2022 zu verhindern. Sollte es bis 2023 nicht gelungen sein, die Inflation einzufangen, nimmt jedoch das Rezessionsrisiko zu. Denn dauerhaft kann die Kauflaune der Konsumenten – bei allen Ersparnissen – einer anhaltenden Erosion der Kaufkraft nicht standhalten. In diesem Fall würde der Zinserhöhungszyklus ein jähes Ende finden. Eine ausgewogene Gewichtung zwischen Aktien und Anleihen mit moderat kurzer Duration scheint uns in diesem Umfeld angemessen.
Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei
J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt
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