LTCMA Neubewertung: COVID-19 – Neuer Zyklus, neuer Start
Executive Summary
30-04-2020
In Kürze
- Aufgrund des massiven Schocks, den COVID-19 an den Kapitalmärkten und in der gesamten Wirtschaft ausgelöst hat, haben wir erstmals außerhalb unseres üblichen jährlichen Zyklus eine Neubewertung der Ertragserwartungen für unsere Long-Term Capital Market Assumptions vorgenommen.
- Dabei nehmen wir keine Änderung an den Annahmen selbst vor, sondern stellen uns vielmehr die Frage, wie sich die drastischen Ausschläge der Anlagenpreise auf die langfristigen Ertragsaussichten und damit auf den Portfolioaufbau auswirken werden.
- Die endgültigen Auswirkungen der aktuellen politischen Maßnahmen bleiben vorerst ungewiss. Infolge der massiven fiskal- und geldpolitischen Anreizpakete und dem damit verbundenen sprunghaften Anstieg der Staatsschulden, könnte es beispielsweise in den kommenden Jahren zu steileren Zinsstrukturkurven, einer Verschiebung bei der Marktführerschaft auf den Aktienmärkten und zu einer Reflation kommen.
- Abschließend berichten einige unserer erfahrensten Portfoliomanager, Kapitalmarktstrategen und Research-Analysten von ihren ganz persönlichen Erinnerungen an frühere Krisen und den Erkenntnissen, die sie jeweils daraus gezogen haben. Kein Markteinbruch gleicht einem anderen, dennoch können Lehren aus der Vergangenheit nützliche Perspektiven eröffnen.
DAS LTCMA COVID-19-UPDATE IM ÜBERBLICK
Wir erstellen unseren langfristigen Kapitalmarktausblick „Long-Term Capital Market Assumptions“ (kurz: LTCMA) seit rund einem Vierteljahrhundert. Zum ersten Mal weichen wir mit diesem Update der Ertragserwartungen für eine Reihe von Anlageklassen von unserem üblichen jährlichen Veröffentlichungsrhythmus ab. Deshalb sei hier auch ganz klar festgestellt: Dies ist keine vollständige Neubewertung unserer zugrunde liegenden Annahmen - diese werden wir mit unserer 25. jährlichen Ausgabe im November vornehmen. Doch das drastische Ausmaß der Marktbewegungen zum Ende des ersten Quartals 2020 war ein guter Grund für eine zwischenzeitliche Neubewertung.1
Der Ende 2019 mit dem Abflauen der Handelskonflikte zwischen den USA und China aufkommende wirtschaftliche Optimismus erscheint heute nur noch wie eine ferne Erinnerung. Wenn wir zurückdenken, so befand sich die Weltwirtschaft damals in der Spätphase einer rekordverdächtig langen Expansion und bemerkenswerten Hausse. Trotzdem: Die Kombination aus lockerer Geldpolitik und gedämpftem Geschäftsklima schuf die Voraussetzung für die künstliche Verlängerung eines bereits weit fortgeschrittenen Zyklus. Von einer langfristigen Perspektive aus betrachtet, waren die prognostizierten Anlageerträge mit steigenden Bewertungen einem unausweichlichen Druck ausgesetzt, während zugleich die Zinssätze infolge der außergewöhnlich lockeren Geldpolitik immer weiter sanken.
Kaum jemand außer vielleicht medizinischen und wissenschaftlichen Experten hätte die folgenden Ereignisse prognostizieren können. Diese Ereignisse zwangen die Regierungen weltweit, angesichts einer sich rasant ausbreitenden Pandemie einen Kompromiss zwischen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Wirtschaft zu finden.Wenig überraschend trug in dieser Abwägung die Gesundheit den Sieg davon, wenn auch um den Preis eines plötzlichen Lockdowns der Wirtschaft, dem aprupten Ende des bisherigen Wirtschaftszyklus und einer fundamentalen Neuformulierung aller bisher geltenden Grundsätze der Wirtschaftspolitik.
In dieser Überarbeitung unserer Ertragserwartungen (Abb. 1) legen wir den Fokus primär auf die erratischen Marktbewegungen des März 2020, als die globalen Aktienmärkte im Rekordtempo aus der Hausse in die Baisse umschwenkten. Naturgemäß setzte sich die Marktvolatilität auch noch weiterhin fort, wie der starke Anstieg der Aktienkurse im April vermuten lässt. Da Marktneubewertungen bewegliche Ziele sind und bleiben, interessiert uns vor allem auch auch, wie sensibel die langfristigen Renditeprognosen auf die neuen Einstiegspreise reagieren.
Wir betrachten außerdem den Portfoliokontext und die potenziellen Auswirkungen der jüngsten politischen Maßnahmen auf die Wirtschafts- und Investitionslandschaft der kommenden Jahre.
Abschließend berichtet ein Dutzend unserer führenden Portfoliomanager, Strategen und Analysten von ihren Erfahrungen mit früheren Krisen – vom Crash 1987 bis zur Staatsschuldenkrise der Eurozone. Sicherlich laufen Börsencrashs und Rezessionen immer wieder anders ab. Wir hoffen trotzdem, mit diesen gebündelten Erfahrungswerten eine nützliche Perspektive zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise eröffnen zu können.
Seit unserer letzten Publikation sind die Erträge von Staatsanleihen weltweit leicht rückläufig, während die Erträge für Aktien weltweit steigen sollten.
ABB. 1: VERÄNDERUNG DER ERWARTETEN ERTRÄGE AUSGEWÄHLTER ANLAGEKLASSEN (30.9.2019 IM VERGLEICH ZUM 31.3.2020)
Erwartete Ertragsänderungen ausgewählter Anlagen
Bei dieser Neubewertung unserer Ertragserwartungen sollten wir zunächst vorausschicken, dass wir weder unsere Annahmen für das ökonomische Gleichgewicht noch jene zur Zinsnormalisierung vom November 2019 geändert haben. Unser wirtschaftlicher Rahmen beruht auf einem angebotsseitigen Modell mit einer Schätzung des Trendwachstums bestimmter Länder und Regionen. So massiv die Auswirkungen von COVID-19 auch auf die aktuellen Wirtschafts-aktivitäten sind, sehen wir doch kaum unmittelbare Folgen für das langfristige potenzielle Wachstum. Einfach ausgedrückt prognostizieren wir für die durch das Coronavirus bedingte Rezession auf lange Sicht keine signifikante Beeinträchtigung des potenziellen Wachstums. Sicherlich könnten einige der heute eingeführten politischen Maßnahmen durchaus Auswirkungen haben. Diese werden wir ausführlich in unserer 25. LTCMA-Ausgabe im November bewerten. Für die Zwecke dieses Berichts belassen wir unsere Gleichgewichts-annahmen für Wachstum, Inflation und Politik jedoch unverändert.
Mit dem Kursverfall an den Aktienmärkten im März brachen auch die Renditen der Staatsanleihen ein. Zudem weiteten sich die Risikoaufschläge aus, was bei einer Bewertung der Anlagenkurse ab 31. März zu einem Rückgang der erwarteten Erträge um 30 Basispunkte (Bp) für Staatsanleihen weltweit2 und zu einem Sprung von 170 Bp für US-Hochzinsanleihen führte. Bei eingehender Betrachtung erkennen wir hier einige interessante Nuancen. Der Rückgang der Erträge von Staatsanleihen ist bei US-Staatsanleihen massiv ausgeprägt. So fallen die erwarteten Erträge für US-Treasuries mit 10-jähriger Laufzeit um 70 Bp, jene für den langlaufenden Staatsanleihenindex um 130 Bp. Im Gegensatz dazu liegen die erwarteten Erträge für Euro-Staatsanleihen sogar um 30 Bp besser, was eine Folge der bereits vor Beginn der Coronakrise außergewöhnlich niedrigen Zinsen ist (Abb. 2).
Die Erträge für längere Anleihendurationen liegen in allen Regionen unter jenen von Cash
ABB. 2: ERTRAGSERWARTUNGEN FÜR DIE WICHTIGSTEN ANLEIHEN (USD, EUR, JPY, GBP) UND PROGNOSTIZIERTE INFLATION
Anleihen- und Aktienerträge
Die erwarteten Erträge von Unternehmensanleihen verbessern sich mehr oder weniger umgekehrt proportional zur jeweiligen Kreditqualität. Dies spiegelt sowohl das Ausmaß der Spread-Ausweitung als auch die kürzere Laufzeit von Anleihen mit Spekulationsrating gegenüber Anleihen mit Investment-Grade-Rating wider. Nicht in der Bewertung vom 31. März berücksichtigt ist die jüngste Entscheidung der Fed zum Kauf von Unternehmensanleihen, teils mit BB-Rating, die im April zu einer raschen Spread-Einengung geführt hat. Ebenso wenig spiegelt er auch die jüngste Ölpreis-volatilität oder den in einigen Sektoren größeren Hebel wider – beides könnte in naher Zukunft zu vermehrten Verlusten aus Unternehmensanleihen führen. Unter dem Strich steigen die Ertragserwartungen aus Unternehmensanleihen, in einigen Fällen nähern sie sich sogar denen von Aktien an. Zugleich sinken die Erträge von Staatsanleihen, die in den meisten Fällen real sogar negativ sind. Obwohl auch in einer weltweiten Rezession weiterhin Duration gefragt sein wird, sollten die heutigen Käufer von Anleihen diese eher nicht langfristig halten.
Die erwarteten Aktienerträge sind auf breiter Front um 100 Bp bis 250 Bp gestiegen. Dies mag angesichts der jüngsten Kommentare über die Risiken im Zusammenhang mit Gewinnen, Dividenden und Aktienrückkäufen nicht gerade logisch erscheinen. Aber so relevant kurzfristige Gewinnschwankungen auch sind, wir konzentrieren uns in unserem LTCMA-Aktienrahmen auf Gewinntrends, die mit dem langfristigen potenziellen Wachstum korrelieren. Außerdem glauben wir nicht, dass die Einschränkungen der Cash-Ausschüttungen nach dem Ende von Krise und Rezession noch lange anhalten werden. Obwohl in bestimmten Regionen und Sektoren die Auszahlungen kurzfristig unter Druck stehen, halten wir dies für kein dauerhaftes Thema, weil der Schock nicht das Ergebnis eines unternehmerischen Fehlverhaltens ist.
Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir von keiner signifikanten Beeinträchtigung des potenziellen Wirtschaftswachstums durch die aktuelle Rezession aus. Letztlich werden die Verluste vergemein-schaftet und schlagen sich in den Staatshaushalten nieder. Die mittelfristigen Auswirkungen auf die finanzielle Solidität der Staatshaushalte und Unternehmensbudgets sollten sich in Grenzen halten, weshalb die Gewinntrends und Margen in unserem Ausblick weitgehend stabil erscheinen. Die wichtigste Änderung unserer Prognosen hängt also mit den Bewertungen und daher mit den vorherrschenden Preisen zusammen.
Large Caps aus den USA gehörten lange Zeit hindurch zu den teuersten Aktien, doch wegen der hohen Marktqualität und der Neigung zu Technologiewerten gaben sie im letzten Konjunktur-aufschwung weltweit den Ton an. Die Renditeerwartungen für Large Caps aus den USA waren per 31. März von 5,60 % auf 7,20 % gestiegen. Dies verweist auf den starken Index-Verfall im März. Zwar führt dies die Renditeerwartungen für US-Aktien sehr viel näher an jenes Niveau heran, das wir als langfristig fair bezeichnen,3 doch die erwarteten Renditen anderer Regionen liegen nun weit vor jenen der USA. In lokaler Währung steigen die Renditen für Aktien des Euroraums um 240 Bp auf 8,20 %, für Aktien der Schwellenländer (EM) um 90 Bp auf 9,60 % und für japanische Aktien um 100 Bp auf. 6,50 %. Der Währungseffekt bestimmt angesichts der derzeitigen Überbewertung des US-Dollars den erwarteten Renditeaufschlag für Nicht-US-Märkte zusätzlich. Risikobereinigt verringert sich der US-Renditeaufschlag jedoch (Abb. 3).
Der Anstieg der Aktienrenditen aufgrund besserer Einstiegsbewertungen hat auch Auswirkungen auf die Sharpe-Ratios.
ABB. 3: SHARPE-RATIOS FÜR AKTIEN, UPDATE IM VERGLEICH ZUM LTCMA 2020 REPORT
Anstieg der erwarteten Erträgen für Private Equity und Immobilien
Bei alternativen Anlageklassen – vor allem Private Equity und Hedgefonds – sind die erwarteten Erträge der öffentlichen Märkte der wichtigste Renditetreiber. Steigende Ertragserwartungen an den öffentlichen Aktienmärkten führen zu einem Anstieg der erwarteten Erträge für kapitalgewichtetes von 100 Bp auf 9,80 %. Unsere Alpha-Prognosen sind sowohl für Hedgefonds als auch für Private Equity nach wie vor relativ optimistisch, und die jüngste Marktvolatilität bestätigt unsere Überzeugung, dass mittelfristig gute Aussichten zur Generierung von Zusatzerträgen bestehen. Vor allem kann „Dry Powder“ aus den Bilanzen der Private Equity Unternehmen, jetzt zu niedrigeren Einstiegspreisen eingesetzt werden und die höheren Finanzierungskosten weitgehend ausgleichen. Und erhöhte Volatilität und größere Streuung begünstigen die Alpha-Trends der Hedgefonds.
Bei den Rohstoffen steigert der Energiepreisverfall die Renditeerwartungen, obwohl unsere Basisannahmen für das Trendwachstum unverändert sind. Bei Gold haben sich hingegen unsere Renditeerwartungen trotz der starken Rally des Edelmetalls nicht verändert. Langfristig dürften der nach unseren Prognosen schwächere Dollar und die potenziell höhere Inflation die Renditeerwartungen für Gold unterstützen.
Auch die Renditeerwartungen privater Real Assets sollten unserer Meinung nach ebenfalls gestiegen sein, dies jedoch unter dem Vorbehalt, dass eine Bewertung meist erst sechs bis acht Wochen nach Quartalsende möglich ist. Folglich weisen unsere Schätzungen auf Basis einer theoretischen Marktbewertung vom 31. März eine große Konfidenzbandbreite auf. Nach unserem Basisszenario könnte der Kapitalwert von Real Assets infolge der Krise um bis zu 10 % sinken. Anders als in der Finanzkrise mit ihren Verlusten aufgrund überhöhter Anlagebewertungen ist ein Großteil der Abschläge dem rezessionsbedingten kurzfristigen Cashflow-Problem zuzuschreiben. Doch die Cashflows sollten sich im Laufe der Zeit wieder erholen – zuerst in den stabileren Kernsektoren wie der Logistik und etwas später auch in zyklischeren Sektoren wie der Hotelerie. Das bedeutet eine Erhöhung der erwarteten Erträge um 70 Bp bis 100 Bp bei Immobilien und um etwa 70 Bp im weniger zyklischen Infrastruktursektor mit seinem besseren Cashflow-Schutz. Auch REITs-Erträge sollten wegen des höheren Fremdkapitalanteils und der Bewertungsanpassungen deutlich steigen.
Da die Ertragserwartungen bei Anleihen wegen der geringen Anfangserträge unter Druck stehen, wird Immobilien mit eher nicht-zyklischen Cashflows in der Asset Allokation erhöhte Aufmerksamkeit zuteil werden. Nach dem Abklingen der Liquiditätsängste, die hinter den Marktturbulenzen vom März standen, sollte in Erinnerung gerufen werden, dass innovative Immobilienanleger nach 2008 als Gewinner aus der Finanzkrise hervorgegangen sind. Anlagen im Sektor Technologie und erneuerbare Energie entwickelten sich besonders gut. Und trotz der Bedeutung dieser Themen auch im nächsten Zyklus kommen fiskalische Anreize als weitere Dimension hinzu. Vom Staat großzügig bedachte Sektoren werden im nächsten Zyklus sicherlich zu den Gewinnern zählen.
Wie werden die langfristigen Themen des nächsten Zyklus lauten?
Wir verändern in unserer aktuellen Neubewertung für alle untersuchten Anlageklassen hinweg zunächst nur einen Faktor – den Einstiegspreis. Wegen der immer noch stark volatilen Preise für Aktien und Unternehmensanleihen weisen wir explizit darauf hin, dass sich die Bewertung an den Preisen vom 31. März orientiert. Erst in einigen Monaten werden sich die Merkmale des nächsten Zyklus und die Auswirkungen der jüngsten politischen Neuerungen deutlicher abzeichnen. Aber eines zeigt sich anhand dieser Bewertung sehr klar und wird durch die Renditeerwartungen auf Basis verschiedener Einstiegspreise zusätzlich bestätigt (Abb. 4): Je stärker die Preise kurzfristig fallen, desto stärker auch der Impuls für die langfristig erwarteten Renditen. Anders ausgedrückt: Je pessimistischer die Einschätzung der Lage heute ist, desto optimistischer kann der langfristige Ertragsausblick ausfallen.
Einstiegspunkte erweisen sich vor allem in so volatilen Märkten wie zuletzt als wichtiger langfristiger Renditefaktor.
ABB. 4: EINSTIEGSSENSITIVITÄT LANGFRISTIGER RENDITEN VON US-AKTIEN UND 10-JÄHRIGEN US-TREASURIES
Das mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, hat aber mit der wichtigen Feststellung zu tun, dass zyklische und langfristige Renditefaktoren nicht verwechselt werden dürfen. Aus der Finanzkrise wissen wir, dass beispielsweise die falsche Einschätzung zyklischer Themen wie der Stabilität der Banken als langfristige Renditebremse zu einer Fehleinschätzung der langfristigen Erträge führen kann. Politische Entscheidungsträger könnten Wege zur Unterstützung der Märkte finden, und sie haben dies in der Vergangenheit auch immer wieder unter Beweis gestellt.
Im Zentrum unseres LTCMA-Bezugsrahmens stehen die ökonomischen Grundbausteine bestehend aus Bevölkerung, Produktivität und Politik. Obwohl wir längerfristig einige politische Veränderungen berücksichtigen müssen – vor allem die Frage nach dem Erfolg fiskalischer Anreize und deren Finanzierung –, bleiben die restlichen Bausteine des Rahmens recht stabil. So wichtig die Einstiegspunkte für unseren Renditeausblick sind, sollten die aktuellen zyklischen Themen also keinesfalls für ein Problem historischer Größenordnung gehalten werden.
Abgesehen vom unmittelbaren Einfluss der Preisvolatilität auf unsere Ertragserwartungen könnten einige wesentliche langfristige Themen den nächsten Zyklus bestimmen. Zunächst rechnen wir mit einer Veränderung der Spielregeln durch die Anreizpakete der Staaten. In unserer LTCMA-Ausgabe 2020 beschreiben wir die Grenzen der Geldpolitik und verweisen auf die Notwendigkeit fiskalischer Anreize in der nächsten Rezession. Wirklich überraschend für uns ist daher nur, wie rasch und in welchem Ausmaß diese Anreize nötig geworden sind. Natürlich wird die aktuelle Rezession desinflationären Druck und niedrige Anleiherenditen mit sich bringen, doch rechnen wir trotz der hohen Verschuldung der Staaten auch nach dem Ende der Rezession mit einer anhaltend expansiven Fiskalpolitik. Niemand verlangt heute eine neue Welle der Austerität. Deshalb rechnen wir – anders als nach der Finanzkrise – bis in die Erholungsphase hinein mit einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik. Diese dürfte mittelfristig zu steileren Kurven und einem reflationären Druck führen.
Für Aktien sollte dies im Gegensatz zu Anleihen über unseren gesamten 10- bis 15-jährigen Prognosehorizont stark unterstützend wirken, wie sich unter anderem anhand der extremen Aktien-Risikoaufschläge auf allen wichtigen Märkten zeigt (Abb. 5). Trotzdem könnten die steileren Kurven und der größere Reflationsspielraum im nächsten Aufschwung die Führung auf den Aktienmärkten verschieben. Value-Aktien waren in den letzten 10 Jahren nie wirklich erfolgreich, weil niedrige Renditen und die sehr geringe Inflation längerfristige Beteiligungen und einen Wachstumsstil begünstigt haben. Regional betrachtet kam dies dem US-Markt zugute – und der Aufstieg der Technologie machte die 2010er Jahre bezüglich der Aktienrenditen zum „amerikanischen Jahrzehnt“. Das Thema Technologie bleibt uns erhalten, jedoch mit Spielraum für steilere Kurven, Reflation und die Möglichkeit einer massiven Förderung erneuerbarer Energien sowie Nachhaltigkeit durch staatliche Programme. So könnten in den 2020er Jahren andere Regionen aufholen.
Der jüngste Rückgang der Anleiherenditen treibt die Risikoaufschläge für Aktien in beinahe historische Höhen.
ABB. 5: AKTIEN-RISIKOAUFSCHLÄGE
Beginn eines neuen Zyklus
Die vergangenen Wochen werden für Wirtschaftspolitik und Anlagemärkte als eine der massivsten Zäsuren aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen. Rückblickend werden wir sie auch als Ende des längsten jemals verzeichneten Aufschwungs, aber auch als Beginn eines neuen Zyklus wahrnehmen. Dieser neue Zyklus wird seine ganz eigenen Charakteristika aufweisen, und wir werden in Zukunft sicherlich Themen wie Technologie, Nachhaltigkeit, Verteilung der Erträge zwischen Kapital und Arbeit, Reflation und eine Rotation der Anlagestile intensiver betrachten. Zudem bleiben uns einige der aktuellen Themen weiter erhalten: Aktienrenditen sind deutlich höher als jene von Anleihen; die einfache 60:40-Allokation zwischen Aktien und Anleihen verändert sich, wobei Cashflows aus alternativen Anlagen und Immobilien zunehmend die Anleihen-erträge aus Kupons ersetzen; und die Diversifizierung bleibt ein extrem wichtiges Thema (Abb. 6A und 6B).
Wir glauben, dass einige Zeit nach dieser Rezession ein kräftiges Wirtschaftswachstum einsetzen wird. Und obwohl wir noch nicht genau wissen, wie der nächste Zyklus aussehen wird, rechnen wir doch sicher mit Investitionschancen, sobald sich die neuen wirtschaftlichen Themen und Prioritäten abzeichnen.
Seit unserem letzten LTCMA-Report sehen wir eine viel steilere „Effizienzgrenze“ für Aktien und Anleihen.
1In this exercise, we have simply updated the starting price of assets from that on September 30, 2019, to the prevailing price on March 31, 2020. This captures the sharp market moves of March 2020 but at this time does not update any underlying assumptions – including equilibrium yields and normalization paths for rates and equilibrium valuations and margins for stocks. These will be updated and in the next full edition of LTCMAs due in November 2020. The full details of the current assumptions are available in the 2020 Long-Term Capital Market Assumptions. The mark-to-market exercise has been conducted for expected returns in USD-, EUR- and GBP-denominated assets; it does not extend to updating covariance assumptions, which already include an adjustment for periods of high volatility.
2Global government bonds, hedged in USD.
3Secular return expectations were referenced in both the 2019 and 2020 LTCMA notes and refer to the anticipated level of returns from an asset at equilibrium; in the case of equities, this eliminates the effect of valuation and margins from the estimate.
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