Die Gelegenheit, die Renditen auf dem aktuellen Niveau zu sichern, scheint verlockend zu sein, auch wenn die Volatilität der Anleihen wahrscheinlich noch eine Weile hoch bleiben wird.

Die Anleihenrenditen haben in den letzten Jahren eine Achterbahnfahrt hinter sich. Die 10-jährige US-Rendite überschritt sogar zum ersten Mal seit 2007 die 5%-Marke. Mit Blick auf das Jahr 2024 sind wir zuversichtlicher, dass sowohl die kurz- als auch die langfristigen Zinssätze ihren Höchststand erreicht haben und dass die Anlegerinnen und Anleger die Gelegenheit nutzen sollten, sich Renditen auf hochwertige Anleihen zu sichern.

Bond Vigilantes

Warum sind die Anleihenrenditen in die Höhe geschnellt? Eine Erklärung dafür ist, dass es eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage an den Märkten für Staatsanleihen gibt, insbesondere bei US-Staatsanleihen. Da bereits ein beträchtlicher Teil der Staatsausgaben in den USA gesetzlich festgelegt ist, besteht die Sorge, dass die Emission von Staatsanleihen die Nachfrage nach Anleihen übersteigt, da die Federal Reserve keine Staatsanleihen mehr kauft.

Oberflächlich betrachtet ist diese Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot von Vorteil. Die Zentralbanken haben viele der in den letzten Jahren begebenen Staatsanleihen übernommen und scheinen nun fest entschlossen zu sein, ihre Bilanzen zu reduzieren. Es stimmt auch, dass der Anleihenmarkt ohne eine quantitative Lockerung die „Freiheit“ hat, den Regierungen mitzuteilen, wenn er Ausgabenprogramme als zu hoch empfindet. Mit anderen Worten: Die Bond Vigilantes sind zurück, wie die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss nur zu gut weiß.

Wenn jedoch die privaten Anlegerinnen und Anleger über die unkontrollierbare Verschwendung der Staatsausgaben besorgt waren, hätte man erwarten können, dass der Anstieg der Renditen zumindest teilweise durch höhere Inflationserwartungen bedingt war. Stattdessen wurde die Entwicklung bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2023 fast ausschließlich von den Realrenditen bestimmt.

Die unserer Ansicht nach überzeugendere Erklärung für die höheren Anleihenrenditen ist, dass sich die US-Wirtschaft einfach als widerstandsfähiger gegenüber höheren Zinsen erwiesen hat, als zuvor erwartet wurde. Daher musste der Markt seine Vorstellung von einem nachhaltigen oder „neutralen“ Zinssatz neu bewerten. Der neutrale Zinssatz wird von Ökonomen manchmal auch als R-Stern bezeichnet. Er ist der Zinssatz, der bei Vollbeschäftigung und stabiler Inflation vorherrschen würde, so dass die Geldpolitik weder expansiv noch restriktiv ist.

"R-Stern"enbeobachtung

Ob die Anleihenrenditen weiter steigen, hängt davon ab, was wir in den kommenden Monaten über R-Stern erfahren werden. Wenn die Volkswirtschaften stabil bleiben und/ oder die Inflation keine Anzeichen für eine Rückkehr auf 2% zeigt, müssen die derzeit eingepreisten Zinssenkungen zurückgenommen werden – oder es müssen sogar weitere Erhöhungen eingepreist werden – was die Renditen nach oben drücken könnte.

Sollte die Wirtschaft jedoch, wie in unserem Basisszenario, unter den derzeitigen Leitzinsen Anzeichen eines Einbruchs zeigen, wird sich die Aufmerksamkeit darauf richten, wann und in welchem Umfang die Zentralbanken die Zinsen senken werden. Im Vergleich zu den Preisen von Mitte November erwarten wir, dass die Zentralbanken die Zinssätze zwar später, aber in größerem Ausmaß senken werden. Dadurch würden die Anleihenrenditen sinken und möglicherweise einen beträchtlichen Kapitalgewinn freisetzen – ein Rückgang der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen um 200 Basispunkte in den nächsten 12 Monaten würde zu einem Gesamtertrag von 21% führen.

Kurz gesagt: Kernanleihen bieten nicht nur attraktive Erträge für Anlegerinnen und Anleger, sondern auch potenzielle Kapitalgewinne in einem Rezessionsszenario. Die Gelegenheit, die Renditen auf dem aktuellen Niveau zu sichern, scheint verlockend zu sein, auch wenn die Volatilität der Anleihen wahrscheinlich noch eine Weile hoch bleiben wird.

Selektives Vorgehen bei Anleihen

Ein gewisses Maß an Selektivität wird weiterhin erforderlich sein. In Europa sehen wir das Risiko, dass einige Regierungen in der Peripherie nicht in der Lage sein werden, der Versuchung einer expansiven Finanzpolitik im Jahr 2024 zu widerstehen. Die Renditedifferenz zwischen 10-jährigen italienischen und deutschen Anleihen beträgt weniger als 200 Basispunkte. Daher halten wir qualitativ höherwertige Staatsanleihen aus den Kernländern Europas für attraktiver als ihre Pendants aus den Peripherieländern.

Weltweit werden Anlegerinnen und Anleger wahrscheinlich ebenfalls die Staatsanleihenmärkte bevorzugen, auf denen die geldpolitischen Aussichten am günstigsten sind. Während wir - wie viele andere Anlegerinnen und Anleger auch - in den USA und Europa davon ausgehen, dass die Leitzinsen ihren Höhepunkt erreicht haben, ist dies in Japan nicht der Fall. Da die Bank of Japan ihre Geldpolitik im Jahr 2024 weiter normalisieren wird, dürfte der Aufwärtsdruck auf die langfristigen japanischen Anleihenrenditen anhalten.

Der Refinanzierungsbedarf rechtfertigt eine Qualitätssteigerung

An den Märkten für Unternehmensanleihen haben sich die Spreads sowohl für Investment-Grade- als auch für High-Yield-Anleihen in diesem Jahr dank einer Kombination aus relativ stabilem Wachstum und relativ geringer Refinanzierung gut gehalten. Die Mauer der Refinanzierung zu viel höheren Zinssätzen wird jedoch kommen. Oberflächlich betrachtet sieht es so aus, als ob 2024er Fälligkeiten perfekt beherrschbar sein dürften, aber Unternehmen neigen bei der Beurteilung ihres Kapitalbedarfs dazu, ein Jahr vorauszuschauen, was den Anstieg der Fälligkeiten 2025 zu einem Problem macht, das 2024 angegangen werden muss.

Die Situation im Hochzinsbereich dürfte noch problematischer sein als im Investment-Grade-Bereich. Zwar sind die bevorstehenden Fälligkeiten an den Märkten für Hochzinsanleihen nicht so hoch wie bei den InvestmentGrade-Anleihen, doch ist der Abstand zwischen dem aktuellen Kupon und der Indexrendite größer, was auf einen größeren Anstieg der Zinskosten hindeutet, wenn die Unternehmen Schuldtitel zu höheren Zinssätzen ausgeben müssen.

Angesichts dieser Aussichten bevorzugen wir InvestmentGrade-Anleihen gegenüber Hochzinsanleihen, bei denen der Gesamtertrag auch von einer höheren Zinssensitivität profitieren könnte, wenn die Renditen von Staatsanleihen zu fallen beginnen.

Anleihen der Schwellenländer

Anleihen der Schwellenländer in Landeswährung erzielten 2023 angesichts der schnell sinkenden Inflation und stabiler Landeswährungen eine herausragende Performance. Hohe Realzinsen und eine Verschiebung hin zu einer gemäßigteren Zentralbankpolitik – insbesondere in Lateinamerika und Osteuropa – sorgten für reichlich Rückenwind für diese lokalen Märkte. Mit Blick auf die Zukunft sind die Aussichten weniger eindeutig. Geopolitische Sorgen erhöhen das Risiko eines stärkeren US-Dollars, auch wenn weiterer Spielraum für Lockerungsmaßnahmen der Zentralbanken den lokalen Anleihen weiterhin Rückenwind in Bezug auf die Duration bieten dürfte.

Die angespannten Kreditbedingungen in den USA stellen derzeit Gegenwind für auf Hartwährungen lautende Anleihen der Schwellenländer dar. Eine mögliche geldpolitische Lockerung durch die US-Notenbank und eine anschließende Lockerung der Kreditbedingungen könnten jedoch den Ausblick für den Sektor in der zweiten Jahreshälfte 2024 verbessern. In einem Umfeld, in dem wir uns im Allgemeinen auf qualitativ höherwertige Anlagen konzentrieren, ist zu erwähnen, dass sich die Fundamentaldaten der Schwellenländer weiter verbessern, was sich in einem wachsenden Anteil von Ländern mit A- und AA-Rating im Universum widerspiegelt.

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