Antworten auf die fünf wesentlichen Fragen rund um die jüngsten Belastungen des Bankensektors

Aus ökonomischer Sicht wird die wahrscheinlichste Folge der jüngsten Belastungen des Finanzsektors eine Einschränkung der Kreditvergabe sein.

Wie stark ähneln sich die Belastungen von Banken in den USA und Europa?

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA hob zwei große Sorgen des Bankensektor hervor: Das Potenzial rapider Mittelabflüsse und Schwierigkeiten dabei, angesichts der nicht realisierten Verluste aus Investitionen in Staatsanleihen diese Verbindlichkeiten zu bedienen. Kurz gesagt: Aus Liquiditätssorgen wurden schnell Solvabilitätsbedenken.

Einige Aspekte dieser Risiken können zwar sowohl in den USA als auch Europa relevant sein, es gab aber zwei spezielle Eigenschaften, die die SVB besonders anfällig machten. Erstens hatte sie eine starke Konzentration bei den Einlegern: Über 90 % der Einlagen stammten von Unternehmen und über 50 % von Technologien in der Frühphase1. Zweitens hielt die SVB ein besonders großes Anleihenportfolio im Verhältnis zu ihren Einlagen, wodurch die Bank nach dem dramatischen Anstieg der Renditen seit 2021 auf großen nicht realisierten Verlusten saß. Als die Mittelabflüsse in die Höhe schnellten, mussten diese Anleihen dann verkauft werden, um Cash zu generieren, was zur Realisierung der Verluste führte.

Soweit wir wissen, haben keine anderen Banken in den USA und Europa dieselben Probleme mit der Einlagenbasis. Darüber hinaus zwingt die striktere Regulierung europäische Banken – unabhängig von ihrer Größe (anders als in den USA) – eine Mindestliquiditätsquote von mindestens 100 % beizubehalten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Banken über ausreichend leicht zugängliche Vermögenswerte zum Bedienen etwaiger Abhebungen verfügen. Auf aggregierter Ebene sieht die allgemeine Liquiditätsposition der europäischen Banken besser aus als bei ihren US-amerikanischen Pendants. Außerdem sind die Anleihenportfolios europäischer Banken im Durchschnitt kleiner, mit insgesamt 20 % der Einlagen gegenüber 31 % in den USA.

Was ist mit Credit Suisse passiert?

Die Probleme von Credit Suisse gehen auf die Zeit vor der aktuellen Stressphase zurück. Der Kurs der Bank war bereits vor den letzten Verwerfungen im Finanzsektor um nahezu 80 % gegenüber dem Spitzenkurs von 2021 eingebrochen. In jüngerer Zeit hatte Credit Suisse Probleme mit der Finanzberichterstattung gemeldet, und ein Großaktionär hatte angedeutet, er sei nicht willens, seine Beteiligung weiter auszubauen. In einer bereits problematischen Umgebung für Bankaktien fungierten diese Angelegenheiten als Auslöser für einen erneuten Verkaufsdruck für die Aktie.

UBS hat sich jetzt bereit erklärt, Credit Suisse zu übernehmen. Die Märkte begrüßten ganz allgemein die schnellen und entschiedenen Aktionen der Politik und Aufsichtsbehörden, obwohl ein Unterschied in der Regulierung zwischen der Schweiz und dem übrigen Europa zu weiteren Sorgen in Bezug auf AT1-Anleihen (Additional Tier 1) führte.

Bei AT1-Anleihen handelt es sich um eine Art wandelbarer Schuldtitel, die bei den regulatorischen Kapitalanforderungen einer Bank berücksichtigt werden. Sie können in Eigenkapital gewandelt oder auf Null gemindert werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (üblicherweise bei Liquiditäts- oder Solvabilitätsproblemen der Bank). Als Schulden hätten AT1-Anleihen bei der Restrukturierung einer Bank traditionell Vorrang gegenüber Eigenkapitalpapieren bei einigen Kapitalrückzahlungen.

Bei dem UBS-Deal machte das Schweizer Recht allerdings eine vollständige Wertminderung möglich, obwohl die Aktionäre immer noch eine Teilauszahlung für ihre Aktien erhalten. Dies führte zu Volatilität an den Märkten für Bankschulden, weil unter Anlegern Verwirrung darüber herrschte, ob AT1-Anleihen im Kapitalmix Vorrang gegenüber Eigenkapitalpapieren hatten. Die europäischen Regulierungsbehörden haben sich seither bemüht klarzustellen, dass dies im übrigen Europa (und in Großbritannien) bei künftigen Restrukturierungen der Fall wäre.

Wie groß ist die Gefahr, dass eine Finanzkrise in Europa in eine weitere Staatsschuldenkrise münden könnte?

Dank der bedeutenden Verbesserungen in der institutionellen Architektur der Eurozone während der letzten 10 Jahre ist die Gefahr einer weiteren Staatsschuldenkrise unserer Meinung nach gering. Die Währungsunion wird nun durch eine partielle Fiskalunion ergänzt, wie Programme wie der Aufbauund Resilienzfazilität (RRF) zeigen, die auf einer gemeinsamen Emission von Schuldtiteln auf der Ebene der Europäischen Union (EU) basieren.

Generell herrscht in Europa eine andere Einstellung, insbesondere nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine. Probleme werden wahrscheinlich gemeinsam auf europäischer Ebene angegangen – ein Beispiel dafür ist das REPowerEU-Programm, mit dem Europa bis 2030 komplett von russischer Energie unabhängig gemacht werden soll.

Parallel dazu ist das Kriseninstrumentarium der EU verbessert worden. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und das Transmissionsschutzinstrument (TPI) sind beispielsweise beide speziell entwickelt worden, um eine Wiederholung der Staatsschuldenkrise zu vermeiden. Der ESM stellt Finanzhilfen für Länder der Eurozone bereit, die von Finanzierungsschwierigkeiten betroffen oder bedroht sind. Mit dem TPI kann die Europäische Zentralbank Anleihen eines Landes kaufen, deren Spreads sich in einem Maße ausweiten, das durch Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt ist.

Welche Implikationen haben die jüngsten Belastungen für die Zentralbankpolitik?

Aus ökonomischer Sicht wird die wahrscheinlichste Folge der jüngsten Belastungen des Finanzsektors eine Einschränkung der Kreditvergabe sein. Die strikteren Kreditbedingungen dürften die Wirtschaftsaktivität allmählich bremsen und damit den Inflationsdruck senken. Die Herausforderung für Anleger und Zentralbanken besteht darin, dass sie nicht wissen, wie stark die Kreditvergabe der Banken zurückgeht.

Bei ihrer Märzsitzung hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um weitere 50 Basispunkte erhöht. Begründet wurde dieser Schritt mit der Stärke der aktuellen Wirtschaftsdaten, die Bank hob aber alle Prognosen auf und die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, stellte klar, dass die Zentralbank gegebenenfalls weitere Unterstützung für Banken bereitstellen würde. Letztendlich erwarten wir einen niedrigeren Endsatz bei den Zentralbanken in den Industrieländern, aber wie schnell sie pausieren, wird von den Wirtschaftsdaten abhängen.

1 Quelle: J.P. Morgan North American Equity Research, Large Cap Banks, 10. März 2023.
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