Die chinesische Wirtschaft in drei Diagrammen

Die chinesische Wirtschaft hatte in den letzten Jahren zu kämpfen. Wir stellen drei Diagramme aus dem „Guide to the Markets“ vor, um Chinas Konjunkturschwäche zu erklären und die wichtigsten Indikatoren hervorzuheben, an denen Anlegerinnen und Anleger eine Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds ablesen können.

1. Das Konsumklima ist weiterhin getrübt 

Nach der Aufhebung der Null-Covid-Politik in China Ende 2022 rechneten viele Fachleute mit einer unmittelbaren Erholung der chinesischen Wirtschaft, da die Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen nun von den strengen Corona-Beschränkungen befreit war. Stattdessen beobachten wir eine Zurückhaltung der chinesischen Verbraucherinnen und Verbraucher, wieder Geld auszugeben. Das Konsumklima ist nach wie vor getrübt und noch nicht wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. Unser Diagramm zum Einkommens- und Vermögenseffekt der Privathaushalte veranschaulicht die möglichen Ursachen. Chinesischen Haushalten stehen im Wesentlichen drei Vermögensquellen zur Verfügung: Immobilien, Aktien und ihr Einkommen. Der anhaltende Abschwung im Immobiliensektor hatte erheblichen Einfluss auf die allgemeine Stimmung, da das Vermögen chinesischer Privathaushalte zu 60% in Immobilien gebunden ist. Die schwache Wertentwicklung chinesischer Aktien in den vergangenen Jahren hat diesen negativen Vermögenseffekt noch verstärkt, gerade bei jenen, die in den heimischen Aktienmarkt investiert hatten. Auch im Hinblick auf ihre künftigen Einkommensperspektiven herrscht in chinesischen Haushalten immer weniger Zuversicht. Wahrscheinlich werden robustere Fördermaßnahmen der Regierung erforderlich sein, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher wieder Vertrauen fassen. 

2. Der Immobiliensektor bleibt eine Belastung

Jahrzehntelang war der boomende Immobilienmarkt eine tragende Säule des rasanten Wachstums in China. Durch politische Reformen zur Eindämmung von Immobilienspekulationen sowie ein hartes Vorgehen gegen stark verschuldete Bauträger geriet der Sektor jedoch massiv unter Druck. Die Immobilienpreise sind aufgrund der sinkenden Nachfrage drastisch eingebrochen und mehrere namhafte Immobilienentwickler wurden insolvent. Unser Diagramm zu den Anlageinvestitionen veranschaulicht den Schwächetrend der Immobilieninvestitionen in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen Sektoren. Um die Wirtschaft zu stabilisieren, wurde bereits eine ganze Reihe schrittweiser politischer Maßnahmen ergriffen. Einige kleinere Städte in China haben sämtliche Beschränkungen für den Erwerb von Wohneigentum aufgehoben, größere Städte dürften diesem Beispiel folgen. Staatliche Banken haben darüber hinaus verschiedene Pläne angekündigt, um die Kreditvergabe an Projektentwickler zu fördern. Da die Investitionstätigkeit jedoch nach wie vor verhalten ist, rechnen wir auch in Zukunft mit weiteren Anreizmaßnahmen.

3. China hat im Vergleich zu anderen Ländern mehr Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik

Auch wenn sich der Gegenwind für die chinesische Wirtschaft nicht leugnen lässt, gilt es zu bedenken, dass die politische Entscheidungsebene in Peking über mehr Flexibilität verfügt als andere Regierungen weltweit. Wie unser Inflationsdiagramm zeigt, stellte China in den letzten Jahren eine Anomalie dar, weil es im Gegensatz zu den meisten anderen Volkswirtschaften von der Inflation verschont blieb. Vielmehr rutschte die chinesische Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2023 in den deflationären Bereich, und 2024 war der Preisdruck bislang gedämpft. Während die Zentralbanken in anderen Teilen der Welt weiterhin auf die Teuerung achten müssen, hat die Entscheidungsebene in China daher viel mehr Spielraum, um die Geldpolitik zu lockern und die Konjunktur anzukurbeln. Neben der geldpolitischen Unterstützung will China dieses Jahr spezielle, ultralange Staatsanleihen im Wert von 139 Mrd. USD ausgeben. Dies ist erst der vierte Verkauf derartiger Anleihen in den letzten 26 Jahren und deutet darauf hin, dass auch aus fiskalischer Sicht stärkere Impulse bevorstehen könnten. Erfreulicherweise gibt es nun erste Anzeichen dafür, dass diese entgegenkommendere Haltung Wirkung zeigt. Im ersten Quartal 2024 wuchs die chinesische Wirtschaft auf Jahresbasis um 5,3% und lag damit deutlich über den Konsenserwartungen und den staatlichen Vorgaben von 5%. Auch das Verbrauchervertrauen ist in den letzten Monaten gestiegen, wenn auch von einem niedrigen Niveau aus. Obgleich die Wirtschaft noch immer mit Herausforderungen konfrontiert ist, werden wir etwaige Hinweise auf weitere Konjunkturanreize, die zu einer nachhaltigeren Verbesserung des makroökonomischen Umfelds führen könnten, aufmerksam beobachten.

Zusammenfassung

Chinas konsumorientierte Wirtschaft litt in den vergangenen Jahren insbesondere unter dem maroden Immobiliensektor. Dies hat auch die Verbraucherstimmung getrübt, da das Vermögen chinesischer Privathaushalte zum großen Teil in Immobilien gebunden ist. Entscheidend ist jedoch, dass sich bereits eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abzeichnet und weitere politische Unterstützung erwartet wird. Zweifellos steht die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt noch immer vor Herausforderungen, doch aus unserer Sicht könnte das Schlimmste überstanden sein.