Vergangene Rückschläge können lange in Erinnerung bleiben. Dies trifft sicherlich auf die europäischen Banken zu, einen Sektor, den die Anlegerinnen und Anleger seit fast zwei Jahrzehnte lang weitgehend gemieden haben, da sie während der globalen Finanz- und Staatsschuldenkrise in der Eurozone schwere Verluste erlitten hatten. In den letzten Jahren haben europäische Bankaktien das Anlegervertrauen jedoch allmählich zurückgewonnen. Wie hat sich das Schicksal dieses einst wenig geschätzten Sektors gewendet und bietet er in globalen Aktienportfolios noch immer Ertragspotenzial? 

Tiefe Narben vergangener Krisen

Um herauszufinden, ob der europäische Bankensektor heute noch Ertragspotenzial bietet, müssen wir einen Blick auf die Vergangenheit werfen und uns die Entwicklung des Sektors genauer ansehen. Die Banken standen im Epizentrum der globalen Finanzkrise von 2008 und sahen sich einige Jahre später mit dem Ausbruch der Schuldenkrise in der Eurozone einer weiteren Herausforderung gegenüber. Diese beiden Ereignisse erschütterten das Anlegervertrauen in die europäischen Kreditinstitute, und die darauffolgenden langen Jahre ultralockerer Geldpolitik und strengerer Regulierung setzten die Rentabilität eines ohnehin schon schwächelnden Sektors weiter unter Druck. Da kam eines zum anderen.

Gewiss, die Regulierungsbehörden haben neue Regeln eingeführt, um die Unternehmen im Falle einer erneuten Kreditkrise abzusichern. Die Banken waren gezwungen, faule Vermögenswerte zu verkaufen und Mittel zu beschaffen, um den neuen Kapitalanforderungen nachzukommen. Damit konnten sie ihre Bilanzen stärken, verzichteten dabei jedoch auf nennenswerte Erträge. Da die Zinssätze in der Eurozone in den 2010er Jahren auf ein extrem niedriges Niveau fielen, wurde es für die Banken immer schwieriger, Geld zu verdienen.     

Harte Arbeit zahlt sich aus

Zwar war die Erfüllung der neuen Kapitalanforderungen für die europäischen Banken besonders schmerzhaft, doch gingen sie daraus wesentlich robuster hervor. Als Corona 2020 die Märkte erfasste, zeigte sich der Sektor bemerkenswert widerstandsfähig. Die Europäische Zentralbank ordnete für den Sektor eine Aussetzung der Dividendenzahlungen an, aber keine Bank war ohnehin in der Situation, Kapital aufnehmen zu müssen.

Eine ähnliche Situation herrschte beim Zusammenbruch der Silicon Valley Bank im Jahr 2023, gefolgt vom Konkurs der Credit Suisse. Obwohl beide Ereignisse das Potenzial hatten, den gesamten Finanzsektor zu belasten, wurden sie von den europäischen Banken weitgehend ignoriert.

Seit der globalen Finanzkrise sind die europäischen Banken deutlich besser kapitalisiert, haben ihre Risiken reduziert und ihre Schulden abgebaut

Gleichzeitig begann die Rentabilität zu wachsen, und zwar inmitten eines Anstiegs der Inflation nach der Pandemie, der die Zentralbanken weltweit zu Zinserhöhungen zwang. In Europa bedeutete dies, dass die Nettozinsmargen der Banken – ein wichtiger Gradmesser für ihre Rentabilität – wieder steigen konnten. 

Inzwischen haben höhere Zinsen zu höheren Erträgen beigetragen

Rückkehr des Optimismus

Gestützt auf die deutliche Verbesserung der Fundamentaldaten konnte das Vertrauen in den europäischen Bankensektor allmählich gestärkt werden. Während die Anlegerinnen und Anleger 2023 und 2024 in schnell wachsende US-Technologieaktien strömten und deren Bewertungen in die Höhe trieben, überflügelte der europäische Bankensektor still und leise den europäischen Markt, was ausschließlich auf das zugrunde liegende Gewinnwachstum zurückzuführen war.

Erst die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik von Präsident Trump veranlasste die Anlegerinnen und Anleger, wieder verstärkt in den Sektor zurückzukehren. Diejenigen, die auf der Suche nach einem höheren Ertragspotenzial auf den europäischen Märkten sind, wurden von dem Potenzial für eine Verringerung der Bewertungslücke zwischen Banken in den USA und Europa aufgrund der Konvergenz der Eigenkapitalrenditen in den Sektor gelockt. Das Ergebnis war eine Neubewertung des europäischen Bankensektors.

Wie geht es weiter?

Wir sind davon überzeugt, dass die jüngste Neubewertung die Dynamik für europäische Banken verändert hat und der Sektor sich unserer Ansicht nach nun dem fairen Wert nähert. Dennoch bieten die Banken eine solide Rendite, es bestehen jedoch mehrere potenzielle Kurstreiber, die den Aktienkursen weitere Unterstützung bieten könnten.

Der offensichtlichste Impuls ist die Möglichkeit einer deutlichen Lockerung der Haushaltspolitik zur Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben und der wahrscheinliche Aufschwung, den dies der europäischen Wirtschaft bringen würde. Die Notwendigkeit, die europäischen Verteidigungsausgaben als Reaktion auf Präsident Trumps „America First“-Agenda zu erhöhen, macht Schritte hin zu einer europäischen Spar- und Investitionsunion dringlicher. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass nahezu 1 Bio. Euro aufgebracht werden müssen, um die Verteidigung Europas zu stärken und die europäische Infrastruktur zu verbessern. Sollten diese Ausgaben getätigt werden, wären sie für die europäischen Banken von Vorteil, da sie mehr Kredite, Finanzierungen und Investitionsmöglichkeiten bieten.

Darüber hinaus bestehen für die Entwicklung des Sektors mehrere Abwärtsrisiken, nicht zuletzt aufgrund der Volatilität der US-Zölle. Zwar sind die Banken von den Zöllen Präsident Trumps nicht direkt betroffen, sie sind jedoch indirekt durch eine Verlangsamung des Wachstums gefährdet, wobei die wirtschaftliche Unsicherheit das Risiko einer Rezession erhöht. Eine schwächere europäische Wirtschaft würde sich negativ auf die kurzfristigen Gewinne und Dividenden der Banken auswirken, insbesondere in Kombination mit einer importierten Deflation durch billige chinesische Importe, die aus den USA umgeleitet werden, was wahrscheinlich zu einem deutlichen Rückgang der kurzfristigen Zinsen führen würde.

Allerdings deuten die Anleihemärkte (Forward-Kurven) nicht auf einen starken Rückgang der Zinsen in Europa hin. Eine Rückkehr zu den anhaltend extrem niedrigen Zinsen der 2010er Jahre ist nicht zu erwarten. Und selbst wenn die durch die Zölle verursachte Konjunkturschwäche die kurzfristigen Erträge der Banken beeinträchtigt, bleibt unsere Prognose einer normalisierten Eigenkapitalrendite von 13% unverändert.

Wir konnten bereits beobachten, dass der Sektor einen Teil des durch die Marktvolatilität Anfang April verlorenen Bodens wieder gutmachen konnte, und da die verbleibenden Anlegerbedenken hinsichtlich der Bankbilanzen zunehmend der Vergangenheit angehören, bleiben wir optimistisch. Die europäischen Banken bieten zwar wertvolles Anlagepotenzial, wir sind jedoch der Ansicht, dass es wichtig ist, in diesem Bereich aktiv zu sein und diejenigen Aktien zu finden, die langfristig echten Wert bieten.