Ein genauer Blick auf die Höhen und Tiefen der Weltwirtschaft kann für Anlegerinnen und Anleger oft eine wertvolle Perspektive bieten. Seit einiger Zeit beobachten wir jedoch eine Entkopplung dieser Konjunkturzyklen zwischen verschiedenen Branchen und Ländern, die maßgeblich durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beeinflusst wird. Aus unserer Sicht hat diese Entkopplung eine komplexe Anlagelandschaft hervorgebracht, die eine sorgfältige Aktienauswahl erfordert.

Analyse der wirtschaftlichen Divergenz

Während der Lockdowns kam es zu einem Aufschwung an den Gütermärkten, da die Verbraucherinnen und Verbraucher vermehrt Waren anhäuften. Nach der Aufhebung der Lockdowns hatten die Menschen hingegen das Bedürfnis, etwas zu erleben, was zu einer Erholung im Dienstleistungssektor führte. Diese Entkopplung schlägt sich bis heute in den aktuellen Wirtschaftsdaten nieder: Das verarbeitende Gewerbe hinkt hinterher, während der Dienstleistungssektor auf Hochtouren läuft.

Die Entkopplung macht sich auch auf Länderebene bemerkbar. Die US-Wirtschaft hat ihre Führungsposition gefestigt, nachdem sie als erste Volkswirtschaft wieder das Niveau von 2019 erreichte und seither ein beeindruckendes BIP-Wachstum verzeichnet hat. Europa hat nach der Wiedereröffnung seiner Wirtschaft noch keinen Anschluss gefunden und fällt weiter hinter die USA zurück, während sich das Wirtschaftswachstum in China aufgrund der Immobilienkrise und der schwachen Konsumstimmung verlangsamt hat.

Auswirkungen der Entkopplung auf die Aktienmärkte

Langfristig werden die Aktienkurse von der grundlegenden Ertragskraft bestimmt. Die Entsynchronisierung der Branchenzyklen und der Ertragsentwicklung bietet eine günstige Gelegenheit, über dem Marktdurchschnitt liegende Erträge zu erzielen. Wir positionieren die Global Focus Strategy in den Bereichen, in denen wir die attraktivsten zyklischen und strukturellen Wachstumschancen sehen.

Während der Markt davon ausgeht, dass sich das Gewinnwachstum im gesamten S&P 500 ausweiten wird, zeigt die Realität ein anderes Bild: Während die Glorreichen Sieben im zweiten Quartal ein Wachstum des Gewinns je Aktie (GjA) von 38% erzielten, waren es für den Rest des S&P 500 nur 7,6%. Bereits vor etwa fünf Quartalen begann sich die Gewinnentwicklung der Glorreichen Sieben vom Rest des Marktes abzukoppeln, als die großen Technologiekonzerne zunehmend höhere Gewinne erzielten. Der Markt ist davon überzeugt, dass sie diesen Erfolg auch in Zukunft fortsetzen können.

Auch wenn wir anderer Meinung sein mögen, welches Unternehmen der Glorreichen Sieben letztlich am besten aufgestellt ist, um von künstlicher Intelligenz (KI) zu profitieren und wie hoch das künftige Gewinnwachstum ausfallen wird: Was die Grundtendenz betrifft, sind wir uns einig. Die Glorreichen Sieben sind im Bereich KI gut positioniert, um das Wachstum in Zukunft voranzutreiben.

Berücksichtigung von KI am breiteren Markt

Jenseits der Glorreichen Sieben sind wir indes nicht der Ansicht, dass der übrige Markt zu seiner früheren Spitzenrentabilität zurückkehren und ein noch höheres Niveau erreichen kann. Wir betrachten die Corona-Pandemie eher als Ausnahmephase denn als Auslöser eines strukturellen Wandels in der Rentabilität. Dieser Aspekt betrifft insbesondere das wachstumsschwache, zyklische Marktsegment, wo wir am stärksten untergewichtet sind.

In vielen Bereichen dieses Segments werden die Unternehmen auf KI setzen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ohne Marktbarrieren und Preismacht ist allerdings unklar, wie KI die Margen vieler Unternehmen verbessern wird. Britische Supermärkte sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Einführung von Selbstbedienungskassen zu Beginn der 2000er Jahre zwar erfolgreich Kosten einsparte, den Unternehmen selbst jedoch nicht zu einer höheren Wirtschaftlichkeit verhalf, da letztlich vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher davon profitierten.

Es lassen sich leicht Parallelen zur KI ziehen, deren Chatbots in vielen Branchen die Callcenter ersetzen könnten. Wahrscheinlich werden aber auch hier wieder die Kundinnen und Kunden einen Vorteil daraus ziehen. Deshalb sind wir der Meinung, dass in den zyklischen Marktsegmenten derzeit ein übertriebener Optimismus herrscht.

Herausforderungen im Automobilsektor

Die Automobilindustrie ist ein weiteres Beispiel für einen Sektor mit überzogenen Margenprognosen. Mit Ausnahme von Tesla sind die operativen Gewinnmargen der Erstausrüster (Original Equipment Manufacturers, OEMs) von 5,5% vor der Pandemie auf einen Höchststand von 9,5% im Jahr 2023 gestiegen. Bei derzeitigen Margen von etwa 7% befinden wir uns noch am Anfang der Normalisierungsphase. Die Konsensschätzungen rechnen mit einem erneuten Aufwärtstrend der Margen, obwohl es unserer Ansicht nach nur sehr wenige fundamentale Faktoren gibt, die für eine höhere Rentabilität sprechen. Vielmehr können wir auf drei Bereiche verweisen, in denen sich die Wettbewerbskräfte seit 2019 verschlechtert haben:

  1. China kann Autos 30% billiger produzieren als europäische Hersteller. Selbst wenn sie diese Autos in Europa bauen, können chinesische Hersteller ihre europäischen Konkurrenten um 15% unterbieten.
  2. Elektrofahrzeuge senken die Eintrittsbarrieren. Der Bau eines Verbrennungsmotors ist kompliziert, Milliarden von Dollar wurden in Forschung und Entwicklung investiert, um effiziente Diesel- und Benzinmotoren zu konzipieren. Ein Elektromotor ist dagegen weitaus weniger komplex.
  3. Hersteller, die sowohl Elektroautos als auch Verbrenner anbieten, müssen eine zweigleisige Strategie fahren. Da OEMs bekanntlich auf Skalenvorteile angewiesen sind, um eine operative Hebelwirkung zu erzielen, führt die Verdoppelung der Produktionsplattform bei ansonsten gleichen Bedingungen zur Belastung der Rentabilität.

Fazit

Die Entkopplung der Konjunkturzyklen über Branchen und Regionen hinweg wurde durch die Covid-19-Pandemie beschleunigt und hat ein komplexes Anlageumfeld hervorgebracht. Während die Aktien der Glorreichen Sieben aufgrund ihrer strategischen Positionierung im Bereich KI ein robustes Gewinnwachstum erzielt haben, steht der breitere Markt vor der Herausforderung, wieder sein früheres Rentabilitätsniveau zu erreichen. Indem wir die zyklischen Risiken und Chancen erkennen und sie von den strukturellen Faktoren wie etwa KI abgrenzen, sind wir überzeugt, dass die Global Focus Strategy in den kommenden Jahren eine Überrendite (Alpha) für unsere Kundinnen und Kunden generieren kann.

Die oben genannten Unternehmen dienen lediglich der Veranschaulichung. Ihre Nennung ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen.