Obwohl es Möglichkeiten gibt, höhere Erträge zu erzielen, gibt es bei Anlagen – wie auch im Leben – nichts umsonst.
Hugh Gimber
Ertragsorientierte Anleger haben es aktuell nicht ganz einfach. Ein von lockerer Geldpolitik geprägtes Jahrzehnt haben Sparanlagen und Tagesgelder sowie die Zinsen für kurzfristige Staatsanleihen auf ein Niveau gedrückt, auf dem sie nur noch geringe bis gar keine Erträge mehr bieten. In einigen Ländern drohen Banken die negativen Zinsen in Form von Negativzinsen an Anleger weiterzugeben. Abbildung 1 wird diejenigen, die hoffen, dass es sich hierbei um ein vorübergehendes Phänomen handelt, nicht sonderlich ermutigen. In den letzten 30 Jahren haben die Märkte immer wieder mit steigenden Zinsen gerechnet und wurden immer wieder enttäuscht. Die Marktteilnehmer fragen sich inzwischen, ob der Spruch „Lower for longer = Niedriger (Zins) für längere Zeit“ nicht vielleicht in „Lower forever = Für immer niedriger“ geändert werden sollte.
Quelle: Bloomberg, J.P. Morgan Asset Management. Die graue Linie stellt die Euro-Zinssätze dar. Die blauen Linien stellen die Erwartungen des Marktes an die Entwicklung der Euro-Zinssätze in den folgenden acht Quartalen zum jeweiligen Jahresende dar. Euribor-Futures bezogen sich bis 2012 auf den Euro-Refinanzierungssatz und dann auf den Euro-Einlagensatz. Die Linie “Euro-Zinsen” stellt daher den Refinanzierungssatz bis 2012 und anschließend den Euro-Einlagensatz dar. Die bisherige Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für aktuelle und künftige Ergebnisse. Stand der Daten: 14. Januar 2020.
Die Optionen verstehen
Es ist immer noch möglich, renditestärkere Anlageklassen zu finden (siehe Abbildung 2). Anleger können sich für Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten oder für Unternehmensanleihen entscheiden. Angesichts der niedrigen Renditen in weiten Teilen des Anleiheuniversums achten Anleger jedoch zunehmend auf die Erträge, die mit Aktien erzielt werden können. Aktienmärkte rund um den Globus bieten Dividendenrenditen, die deutlich über den Renditen von Staatsanleihen aus Industrieländern liegen. Die Renditen europäischer Indizes – insbesondere der FTSE All-Share in Großbritannien – sehen besonders attraktiv aus. Angesichts der verstärkten Suche nach Erträgen könnten attraktive Dividenden den erneuten Mittelzufluss in die europäischen Aktienmärkte unterstützen, nachdem diese Region bei Anlegern für eine längeren Phase weniger beliebt war.
Obwohl es Möglichkeiten gibt, höhere Erträge zu erzielen, gibt es bei Anlagen – wie auch im Leben – nichts umsonst. Höhere Erträge sind mit einem höheren Risiko verbunden. Auch wenn ein wirtschaftlicher Abschwung nicht unmittelbar bevorsteht, ist es wichtig, dass die Anleger das mit diesen Anlagen verbundene Risiko verstehen und bereit sind, dieses einzugehen. Anleger sollten dieses Risiko verstehen und kein böses Erwachen erleben wenn der Markt das nächste Mal turbulent wird.
Quelle: Bloomberg Barclays, BofA/Merrill Lynch, FTSE, MSCI, Refinitiv Datastream, Standard and Poor’s, J.P. Morgan Asset Management. Zusätzliche Renditen gehen oft mit einem damit verbundenen Kapital- und/oder Liquiditätsrisiko einher. Die Renditen der Anleihenindizes sind Yield-to-Worst, für die Aktienindizes gelten die Dividendenrenditen. Deutsche Bundesanleihen: Rendite deutscher Bundesanleihen mit 10- und 30-jähr. Laufzeit; Euro IG Bloomberg Barclays Euro Agg. – Unternehmensanleihen; Hochzinsanleihen aus Industrieländern: BofA/Merrill Lynch Developed Markets High Yield Constrained. Die bisherige Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für aktuelle und künftige Ergebnisse. Guide to the Markets – Europe. Stand der Daten: 31. Dezember 2019.
Verstimmungen vermeiden
Abbildung 3 zeigt die üblicherweise zur Erfassung des Risiko-Rendite-Verhältnisses von Anlegern verwendete Darstellung mit historischen Renditen und Volatilität der einzelnen Anlageklassen.
Der Begriff „Volatilität“ kann jedoch etwas missverständlich sein. Es ist vielleicht hilfreicher aufzuzeigen, was mit diesen Anlagen in vergangenen, von Marktturbulenzen geprägten Phasen geschehen ist. Abbildung 4 befasst sich mit der Entwicklung von Anleihen und Aktien während der letzten drei US-Rezessionen. Wir konzentrieren uns hier aufgrund der Verfügbarkeit von Daten für Anleiheindizes auf US-amerikanische Anlageklassen, sind jedoch überzeugt, dass die Schlussfolgerungen für die europäischen Märkte angesichts der relativ engen Verknüpfungen im Zeitverlauf ähnlich sind.
Das Ausmaß des jeweiligen Kursrückgangs (“Drawdown”) und die Zeit, bis die Anlagen ihre Verluste wieder ausglichen hatten, variierten erheblich. Die Rezession zu Beginn der neunziger Jahre verlief sanft, und die Rückgänge bei risikoreichen Anlagen konnten vor allem dank der raschen Konjunkturerholung nach dem Abklingen eines kurzen Anstiegs der Ölpreise relativ rasch wieder wettgemacht werden. Im Vergleich dazu verzeichneten die Aktienmärkte im Jahr 2001 einen längeren Abschwung, und die weltweite Finanzkrise dauerte noch länger: In beiden Fällen musste ein Anleger über drei Jahre warten, wenn er vermeiden wollte, unter dem vorherigen Höchststand zu verkaufen. Es überrascht ein wenig, dass in diesen drei Phasen kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Anfangsbewertung (in der Tabelle als Risikoaufschlag/Spreads und Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) angegeben) und der Höhe des Drawdowns zu erkennen ist. Dieses Fehlen eines klaren Zusammenhangs zwischen Bewertung und Drawdown unterstreicht die Bedeutung anderer Faktoren, insbesondere des Ausmaßes, in dem die Zentralbanken zur Unterstützung des Marktes eingreifen, um den Umfang einer Marktentwicklung zu bestimmen.
Quelle: Bloomberg Barclays, MSCI, Refinitiv Datastream, J.P. Morgan Asset Management. Die Volatilität ist die Standardabweichung der jährlichen Renditen seit 2004. Barmittel: JP Morgan Cash EUR (3M); Euro-Staatsanleihen: Bloomberg Barclays Euro Aggregate – Staatsanleihen; globale Investment-Grade-Anleihen: Bloomberg Barclays Global Aggregate – Unternehmensanleihen; Schwellenmarktanleihen: J.P. Morgan EMBI Global; globale Hochzinsanleihen: Bloomberg Barclays Global High Yield; globale Aktien: MSCI All-Country World Index (beinhaltet Industrie- und Schwellenländer). Die bisherige Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für aktuelle und künftige Ergebnisse. Guide to the Markets – Europe. Stand der Daten: 31. Dezember 2019.
Quelle: Bloomberg Barclays, NBER, Refinitiv Datastream, Standard & Poor’s, J.P. Morgan Asset Management. Der BIP (Bruttoinlandsprodukt)-Rückgang ist vom Höchststand zum Tiefstand. Der Spread vor dem Drawdown und das KGV vor dem Drawdown zeigen den optionsbereinigten Spread und das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der zukünftigen Gewinne für Anleihen und Aktien in den zwölf Monaten zum Monatsende vor Beginn des Drawdowns an. Der maximale Drawdown zeigt den Rückgang vom Höchst- zum Tiefstand für jeden Index zum Zeitpunkt der Rezession an. Die Zeit, die für die Verlustkompensation erforderlich ist, gibt die Anzahl der Monate an, die jeder Index benötigte, um neue Höchststände zu erreichen. US-IG-Anleihen: Bloomberg Barclays US-IG-Unternehmensanleihen, US-HY-Anleihen: Bloomberg Barclays US-Hochzins-Unternehmensanleihen, US-Aktien: S&P 500. Alle Berechnungen basieren auf monatlichen Daten zur Gesamtrendite in USD. Die bisherige Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für aktuelle und künftige Ergebnisse. Stand der Daten: 15. Januar 2020. *Für optionsbereinigte Spreads von US-Hochzinsanleihen im Jahr 1990 sind keine Daten verfügbar. Daher geben wir als Näherungswert die Indexrendite abzüglich der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen an.
Eine andere Möglichkeit, die Erfahrung von Anlegern in den verschiedenen Anlageklassen während dieses Zeitraums zu berücksichtigen, ist in Abbildung 5 dargestellt. Kurz gesagt zeigen diese Grafiken auf, dass für Anleger, die nach jährlichen Erträgen streben und bereit sind auch mal größere Schwankungen einzugehen, Optionen mit höherem Risiko geeigneter sind, um höhere Erträge erzielen zu können. Diejenigen, die flexiblen Zugang zu Kapital benötigen oder eine geringere Toleranz gegenüber Schwankungen von Kapitalwerten haben, müssen niedrigere Erträge akzeptieren.
Quelle: Bloomberg Barclays, Refinitiv Datastream, Standard & Poor’s, J.P. Morgan Asset Management. Verwendete Indizes sind US-Staatsanleihen: Bloomberg Barclays US-Staatsanleihen; US-Unternehmensanleihen mit Investment Grade: Bloomberg Barclays US-Unternehmensanleihen mit Investment Grade; US-Hochzinsanleihen: Bloomberg Barclays US-Hochzinsanleihen; US-Aktien: S&P 500. Alle Indizes sind in USD angegeben. Die bisherige Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für aktuelle und künftige Ergebnisse. Stand der Daten: 31. Dezember 2019.
Erweiterung der verschiedenen Optionen
Natürlich sind Hochzinsanleihen und Aktien nicht die einzigen Optionen, die Anlegern, die Erträge in ihren Portfolios steigern möchten, zur Verfügung stehen. Unabhängig von der Anlageklasse können Anleger jedoch keine höheren Renditen erzielen, ohne in irgendeiner Form ein höheres Risiko einzugehen. Anleger, denen keine einfachen Optionen zur Verfügung stehen, sind möglicherweise am besten positioniert, wenn sie einen diversifizierten Ansatz verfolgen, der eine Reihe unterschiedlicher Risiken berücksichtigt.
Im Hinblick auf festverzinsliche Wertpapiere stellen Schwellenländeranleihen eine weitere Ertragsoption dar, die 2019 rekordverdächtig hohe Mittelzuflüsse verzeichneten. Schwellenländeranleihen weisen seit jeher eine höhere Volatilität auf als Unternehmensanleihen aus Industrieländern, wenngleich das Universum in den letzten zehn Jahren erheblich gereift ist: Die Anzahl der Länder im JP Morgan EMBI Global Index ist von 32 Ländern vor zehn Jahren auf heute über 70 gestiegen. Die Aufnahme von fünf Ländern des Golfkooperationsrates (GCC) im Jahr 2019 sowie der Ausstieg Venezuelas haben die Indexqualität weiter verbessert, worauf auch der rückläufige Anstieg der Ausschüttungsrenditen aus Schwellenländeranleihen deutete. Die Renditen in Lokalwährung sind in der Regel höher als die von USD-Hartwährungsanleihen, weisen jedoch ein erhöhtes Risiko aufgrund der zusätzlichen Wechselkursschwankungen auf.
Verbriefte Unternehmensanleihen sind eine weitere wichtige Komponente für Ertragschancen: Verbriefte Vermögenswerte sind eine der größten und liquidesten festverzinslichen Anlageklassen und machen heute rund 30 % des gesamten US-Marktes für festverzinsliche Wertpapiere aus. Der Begriff „Verbriefung“ – ein Wertpapier, dessen Wert an einen Pool von zugrunde liegenden Vermögenswerten gebunden ist – wird für viele die Erinnerungen an die Derivate wachrufen, die sich während der globalen Finanzkrise als so problematisch erwiesen haben. Dennoch haben sich die Underwriting- Standards seit der Krise erheblich verbessert und sind heute im Großen und Ganzen in gutem Zustand. Verbriefte Anlagen sind auch ein hilfreiches Instrument, um sich im Verbrauchersektor zu engagieren, der seit mehreren Jahren ein getreuer Begleiter dieser Expansion in den Industrieländern ist und der in vielen Industrieländern heutzutage eine bessere Verfassung aufweist als der Unternehmenssektor. Abgesehen von festverzinslichen Wertpapieren haben Immobilien – und insbesondere das Infrastruktursegment – in den letzten Jahren bei ertragsorientierten Anlegern erheblich an Attraktivität gewonnen. Da noch nicht lange Daten dieser alternativen Anlageklasse vorliegen, ist die historische Analyse unterschiedlicher ökonomischer Szenarien schwieriger, aber die Daten, die für Infrastrukturanlagen vorliegen, deuten auf einerelativ robuste Wertentwicklung in der globalen Finanzkrise hin. Dies ist der Kombination aus stabilen und prognostizierbaren Cashflows und einem durch Erträge erzielten hohen Anteil an der Gesamtrendite zu verdanken.
Infrastrukturanlagen können zudem die Diversifizierung des Portfolios verbessern. Jedoch gibt es auch hier einen Nachteil – nämlich die Illiquidität, die mit nicht börsennotierten privaten Vermögenswerten verbunden ist.
Wie aus Abbildung 6 hervorgeht, sieht die Bandbreite an Möglichkeiten mit dieser erweiterten Auswahl zur Erzielung von Erträgen über der Inflation wesentlich besser aus.
Quelle: Bloomberg Barclays, BofA/Merrill Lynch, Clarkson, DrewryMaritime Consultants, MSCI, Refinitiv Datastream, J.P. Morgan Asset Management. Zusätzliche Renditen gehen oft mit einem damit verbundenen Kapital- und/oder Liquiditätsrisiko einher. Die Renditen aus Anlagen in den globalen Infrastruktur- und den Transportsektor verstehen sich per März 2019 bzw. Juni 2019. Die Renditen der Anleiheindizes sind Yield-to-Worst, für die Aktienindizes gelten die Dividendenrenditen. Die gehebelte Rendite aus Anlagen in den globalen Transportsektor entspricht den Mieteinnahmen abzüglich der Betriebskosten, Tilgung und Zinsaufwendungen, ausgedrückt als Prozentsatz des Aktienwerts. Globale Wandelanleihen: Bloomberg Barclays Global Convertibles; Deutsche Bundesanleihen: Deutschland Rendite 10- und 30-jähr. Laufzeiten; Euro IG: Bloomberg Barclays Euro Agg. – Unternehmensanleihen; globale REITs: FTSE NAREIT Index; Hochzinsanleihen Industrieländer: BofA/Merrill Lynch Developed Markets High Yield Constrained; Staatsanleihen Schwellenländer: J.P. Morgan EMBI Global; globale Infrastruktur: MSCI Global Infrastructure Asset Index – Geringes Risiko. Die bisherige Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für aktuelle und künftige Ergebnisse. Guide to the Markets – Europe. Stand der Daten: 31. Dezember 2019.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Anleger, die in Spareinlagen investiert bleiben, wohl auf absehbarer Zeit ihrer Erträge beraubt werden. Wenngleich es nicht möglich ist, die Portfolioerträge anzukurbeln und gleichzeitig die Risiken zu beschränken, sollten Anleger die weitere Optionen in Betracht ziehen. Führende Staatsanleihen sind nach wie vor ein zentraler Teil eines ausgewogenen Portfolios, jedoch dienen sie jetzt viel mehr als Absicherung als für die Lieferung von Ertägen. Unternehmensanleihen und Aktien müssen einen höheren Anteil des Gesamtertrags als früher liefern, jedoch sollten die Anleger ebenfalls eine Kombination des breitestmöglichen Spektrums von Anlagen in Erwägung ziehen, um die Vorteile der Diversifikation zu nutzen und den Risiko-Rendite-Mix zu optimieren. Ertragsorientierte Anleger sollten einen Ansatz à la spanischer „Tapas“ verfolgen und viele verschiedene Appetithäppchen für das perfekte Abendessen kombinieren.