
Die Nachfrage nach Staatsanleihen verlagert sich allmählich von Institutionen wie der Fed und ausländischen Staatsfonds hin zu preissensitiven Käufern wie Investmentfonds, ETFs und Hedgefonds.
Seit Jahrzehnten wurden US-Staatsanleihen von Anlegerinnen und Anlegern weltweit in schwierigen Zeiten als „sicherer Hafen“ betrachtet. Wenn zunehmende Rezessionsrisiken die Aktienmärkte ins Wanken brachten, verzeichneten US-Staatsanleihen in Erwartung von Leitzinssenkungen seitens der US-Notenbank (FED) oft eine Rallye. Dadurch entstand für diversifizierte Portfolios ein entscheidender Puffer, um Aktienverluste auszugleichen.
Deshalb lohnt es sich, den starken Abverkauf am Markt für US-Staatsanleihen von Anfang April genauer zu betrachten. Denn nicht nur US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit verbuchten hier ihre schlechteste Woche seit fast 25 Jahren. Vielmehr koinzidierte diese Entwicklung mit einer Phase, in der auch Aktien unter Druck gerieten.
Analyse der treibenden Kräfte hinter den steigenden Renditen von Staatsanleihen
Die Inflationsrisiken in den USA werden durch die Handelspolitik der republikanischen Regierung eindeutig verschärft. Es scheint jedoch, dass die wirtschaftlichen Fundamentaldaten nicht der größte Impulsgeber für den Abverkauf im April waren. Die mittelfristigen Inflationserwartungen für die USA sind im Monatsverlauf relativ unverändert geblieben. Tatsächlich ließen sie in den ersten beiden Aprilwochen sogar nach, während die Renditen der US-Staatsanleihen stiegen. Darüber hinaus zeigen Veränderungen in der Form der Renditekurve von US-Staatsanleihen, dass hier neben Veränderungen der Zinserwartungen auch weitere Kräfte im Spiel waren. Die Renditen der zweijährigen US-Staatsanleihen stiegen in der ersten Aprilhälfte um etwas mehr als 25 Basispunkte (Bp) vom Tiefstand bis zum Höchststand. Diese Entwicklung wurde jedoch durch den Anstieg der Renditen von Staatsanleihen mit zehn- und dreißigjähriger Laufzeit in den Schatten gestellt, die 45 Basispunkte nach oben kletterten.
Es gibt zwar einige Anzeichen für eine Abschwächung der Auslandsnachfrage nach US-Staatsanleihen. Schwieriger nachvollziehen lassen sich jedoch Behauptungen, wonach die kurzfristige Renditeentwicklung möglicherweise angetrieben wurde durch Massenverkäufe von ausländischen Anlegerinnen und Anlegern als Vergeltungsmaßnahme im Zusammenhang mit den Zöllen. Zunächst müssen hier die Währungsauswirkungen einer solchen Taktik berücksichtigt werden. Staatsanleihen werden von ausländischen Regierungen in der Regel zum Währungsmanagement gehalten (und nicht, um finanzielle Gewinne zu erzielen). Folglich würde eine Entscheidung zum Verkauf großer Mengen von US-Anleihen voraussetzen, dass eine ausländische Regierung bereit wäre, eine deutliche Währungsaufwertung in Kauf zu nehmen, was in einem Umfeld mit zunehmenden Handelsspannungen unwahrscheinlich ist. Für institutionelle Anleger aus dem Ausland kann die Notwendigkeit, hohe Mark-to-Market-Verluste für Positionen in US-Staatsanleihen zu verbuchen, die nach dem Abverkauf 2022 noch immer unter dem Marktdurchschnitt liegen, eine weitere Einschränkung darstellen. Die Daten zu Anleihebeständen sind zugegebenermaßen intransparent, aber insbesondere bei China können wir feststellen, dass der offizielle Anteil des Landes am US-Staatsanleihenmarkt vom Höchststand von 9,1% im Jahr 2011 bis Ende letzten Jahres bereits auf 2,1% gefallen war.
Veränderungen in der Funktionsweise des Marktes
Stattdessen müssen wir berücksichtigen, dass durch Veränderungen in der Funktionsweise des Marktes für US-Staatsanleihen einige Puffer weggefallen sind, die traditionell dazu beigetragen haben, die Anleihenvolatilität niedrig zu halten.
Ein zentraler Aspekt sind hier die Veränderungen, die wir in den letzten zehn Jahren bei der Zusammensetzung der Anlegerinnen und Anleger, die in US-Staatsanleihen investieren, beobachten konnten. Die Nachfrage nach US-Staatsanleihen hat sich allmählich weg von wenig preissensiblen Anlegern wie der US-Notenbank und ausländischen Staaten und hin zu deutlich preissensibleren Käufern wie Anlagefonds, ETFs und Hedgefonds verlagert. Dieser Nachfragerückgang bei ausländischen Käufern hat sich zuletzt beschleunigt, da US-Staatsanleihen durch steigende Renditen in Märkten wie Deutschland und Japan bei Absicherung in Landeswährung deutlich weniger attraktiv werden.
Wenn diese Änderung im Hinblick darauf, in wessen Händen sich die Anleihen befinden, in Kombination mit höheren und wachsenden Staatsdefiziten auftritt, ist es wohl keine Überraschung, dass die Anlegerinnen und Anleger an den Anleihenmärkten eine höhere Entschädigung für Risiken fordern. Eine solche Entschädigung ist die sogenannte „Laufzeitprämie“, die im März 2020 ihren Tiefpunkt erreichte und zuletzt den höchsten Stand seit 2014 verbuchte.
Vor diesem Hintergrund gerieten die Primärhändler – die als Market Maker für US-Staatsanleihen agieren – zunehmend unter Druck, Angebotsüberschüsse zu absorbieren. Da in den letzten Jahren zunehmend Staatsanleihen herausgegeben wurden, um die wachsenden Staatsdefizite zu finanzieren, sind die Bilanzen der Händler immer mehr aufgebläht. Die Anzahl der Staatsanleihen, die Banken zu halten gewillt sind, wird jedoch durch den Verschuldungsgrad beschränkt. Deshalb haben die Händler immer weniger Möglichkeiten, ihre normale Rolle auszuüben und eine Balance zwischen Angebot und Nachfrage zu schaffen.
In Kombination sorgen diese strukturellen Veränderungen dafür, dass der Markt für US-Staatsanleihen anfälliger ist für kurze und heftige Abverkäufe. Um die konkrete Schwäche im April zu erklären, müssen wir jedoch auch die Katalysatoren berücksichtigen, die zusätzlich zu dieser allumfassenden Fragilität auftraten.
Einen wesentlichen Beitrag leistete hier wahrscheinlich die Volatilität am Aktienmarkt, die durch die Zollankündigungen vom 2. April aufkam. Strategische Anlegerinnen und Anleger halten oft einen Pool an hochwertigen Vermögenswerten (wie US-Staatsanleihen), die schnell in Barmittel umgewandelt werden können, falls dies nötig ist, um Nachschussforderungen nachzukommen, wenn die Aktienmärkte fallen. Diese Dynamik ist auch mit eine Erklärung dafür, warum die am 9. April verkündete Kehrtwende bei den Zöllen dazu beitrug, den Anleihenmarkt zu stabilisieren – wenn man bedenkt, wie der starke Wiederaufschwung auf den Aktienmärkten den Druck auf die Anlegerinnen und Anleger an den Aktienmärkten zur Erhöhung der Margen reduziert haben dürfte.
Als die Renditen von US-Staatsanleihen zu steigen begannen, wurde die Entwicklung wahrscheinlich durch die Verringerung der Fremdkapitalquote seitens der Hedgefonds verstärkt. Starke Schwankungen an den Märkten für Zinsswaps lassen darauf schließen, dass eine beliebte Hedgefonds-Strategie für den Handel mit Swaps gegen Spot-Anleihen eine Ursache für den Verkaufsdruck gewesen sein könnte. Dies unterscheidet sich vom „Basishandel“, bei dem Hedgefonds Futures an Vermögensverwalter verkaufen und Spot-Anleihen kaufen, um ihr Engagement abzusichern, wobei die Hedgefonds von den leichten Bewertungsunterschieden zwischen Spot-Anleihen und Futures profitieren.
Kann die US-Notenbank die Entwicklung stoppen?
Als die US-Anleihenmärkte im März 2020 zuletzt einem solchen Druck ausgesetzt waren, wurde die US-Notenbank aktiv und kaufte große Mengen an US-Staatsanleihen, um die Funktionsfähigkeit des Marktes wiederherzustellen. Anders als heute waren die Inflationsrisiken zum Zeitpunkt der damaligen Intervention jedoch gering, weshalb die Maßnahmen der US-Notenbank ihrem allgemeinen Wunsch entsprachen, das Wirtschaftswachstum angesichts der niedrigen Inflation anzukurbeln.
In vielerlei Hinsicht ist ein Vergleich der aktuellen Situation mit den Maßnahmen der Bank of England vom September 2022 angemessener. Als eine grundlegende Änderung der Fiskalpolitik zu Notverkäufen britischer Gilts durch inländische Pensionsfonds führte, sah sich die Bank of England gezwungen, temporär an den Gilts-Märkten einzugreifen, um die Liquidität zu sichern, während sie gleichzeitig einen zukünftig restriktiveren geldpolitischen Kurs anstrebte.
In einer Zeit, in der die Regierung den aktuellen geldpolitischen Ansatz zunehmend kritisch betrachtet, hütet sich die US-Notenbank zu recht davor, den Eindruck zu erwecken, politische Entscheidungen zu treffen. Diese zögerliche Haltung könnte zwar dazu führen, dass die US-Notenbank langsamer als normal agiert. Wir sind jedoch weiterhin der Auffassung, dass die FED letztlich eingreifen würde, um die Anleihenrenditen zu stabilisieren, sollten ein weiterer schneller Anstieg der Renditen sowie der damit verbundene Rückgang der Liquidität am Anleihenmarkt eine wesentliche Bedrohung für das Finanzsystem darstellen.
Kurzfristige Volatilität, aber mittelfristige Diversifizierung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass US-Staatsanleihen aufgrund von strukturellen Veränderungen in der Funktionsweise des Marktes für US-Staatsanleihen künftig wohl anfälliger für kurzfristige volatile Phasen sein dürften. Preissensible Käufer fordern einen höheren Risikoausgleich und Kapazitätsengpässe schränken Primärhändler ein, wenn es darum geht, ihre übliche Rolle beim Absorbieren von Angebotsüberschüssen zu spielen. In Kombination mit einem Katalysator, wie der Volatilität am Aktienmarkt im April, droht klar die Gefahr, dass Aktien und Anleihen für kurze Zeit gleichzeitig fallen.
Im Grunde sind wir jedoch nach wie vor der Auffassung, dass fundamentale Faktoren wie die Prognosen im Hinblick auf Wachstum, Inflation und die Geldpolitik der US-Notenbank mittelfristig wichtigere Impulsgeber für die Renditen von Anleihen sind. Der Markt preist derzeit Zinssenkungen der US-Notenbank um etwa 110 Basispunkte über die nächsten zwölf Monate ein, wobei der Vergleichswert bei einem typischen Rezessionsszenario bei durchschnittlich 200 bis 300 Basispunkten liegen würde. Wenn in einer tiefen Rezession die Abwärtsrisiken für das Wachstum die Aufwärtsrisiken für die Inflation überwiegen, wären Kernanleihen unserer Ansicht nach über einen Zeithorizont von einem Jahr weiterhin die beste Absicherung gegen weitere Abwärtsbewegungen bei Aktien.
Wir sehen für Anlegerinnen und Anleger an den Anleihenmärkten drei Möglichkeiten, mit diesem komplexen Umfeld umzugehen. Die erste Möglichkeit ist eine globale Diversifizierung. Staatsanleihen von Industrieländern wie Großbritannien, in denen bereits fiskalische Fehler gemacht wurden, scheinen künftig weniger anfällig für politische Fehlentscheidungen zu sein. Zweitens sollten Währungsrisiken sehr sorgfältig abgewogen werden. Wenn die US-Politik für den Konjunkturschock verantwortlich ist, ist der US-Dollar als Instrument zur Diversifizierung deutlich weniger verlässlich, sodass Anlegerinnen und Anleger an den Anleihenmärkten, die stark in nicht abgesicherte US-Staatsanleihen investiert sind, doppelt exponiert sind. Und schließlich kommt einem aktiven Management der Duration eine entscheidende Bedeutung zu. Volatilere Anleihenmärkte erfordern eine flexiblere Kurvenpositionierung. Wenn jedoch die Rezession zur größten Sorge wird, profitieren Anlegerinnen und Anleger von der Möglichkeit, das Zinsrisiko schnell zu erhöhen.