Factor Investing an den Kreditmärkten: Bewährungsprobe für Faktoranlagen
Von Jemma Clee, Investment Specialist, Global Liquidity
21-10-2020
Faktorbasierte Kreditstrategien verwenden einen regelbasierten Ansatz für die Wertpapierauswahl. Sie investieren in die besten Emittenten, die anhand von Kennzahlen wie Bilanzqualität, aktuellen Bewertungen und der jüngsten Kursdynamik bewertet werden. Das Ziel sind höhere risikobereinigte Erträge, vor allem in schwierigen Marktphasen, indem die Emittentenauswahl durch einen systematischen und transparenten Prozess verbessert wird.
Um zu testen, wie sich faktorbasierte Kreditstrategien in volatilen Märkten entwickeln, haben wir die Performance während der Covid-Krise im ersten Halbjahr 2020 untersucht. Dabei konzentrierten wir uns auf drei Bereiche: die Gesamtrenditen faktorbasierter Kreditstrategien; die Wertentwicklung einzelner Kreditfaktoren; und die Frage, inwieweit Faktorinvestitionen extreme Kreditrisiken vermeiden können.
Ertragsbewertung faktorbasierter Kreditstrategien in der Covid-Krise
Wir haben die Gesamtperformance von Faktorstrategien gemessen, indem wir die absolute Rendite des ICE Global High Yield Index mit der relativen Überschussrendite des J.P. Morgan Asset Management Global High Yield Multi-Factor Index verglichen haben. Im Mittelpunkt standen vier verschiedene Zeiträume zwischen Januar und Juni 2020.
Wie man sieht, notierten die Märkte in Phase 1 vor Ausbruch des Coronavirus (relative Normalität) leicht positiv, ebenso wie die faktorbasierten Überschussrenditen. In Phase 2 (Marktrückgang) erzielte das Factor Investing jedoch einen Mehrwert, da die Märkte aufgrund des wirtschaftlichen Shutdown im Zuge der Coronakrise massiv einbrachen. Faktorinvestitionen schneiden bei Marktstress tendenziell gut ab, insbesondere wenn die Performance verschiedener Emittenten stärker gestreut ist.
In Phase 3 (schnelle anreizbedingte Rally) hatten es Faktorstrategien schwer, da die Märkte von den Regierungsmaßnahmen und beispiellosen Hilfspaketen der Zentralbanken bestimmt wurden. Liquiditäts- oder technisch bedingte Rallys sind für faktorbasierte Anlagen in der Regel ein schwieriges Umfeld. In Phase 4 (Rückkehr zur Normalität) erzielten faktorbasierte Kreditstrategien schließlich neutrale Renditen, da sich die Märkte stabilisierten, bevor sie ihren positiven Trend fortsetzten.
Wertentwicklung einzelner Faktoren
Wenn wir die Wertentwicklung einzelner Faktoren (Qualität, Substanzwert, Dynamik) in den ersten sechs Monaten 2020 betrachten, sind die Ergebnisse relativ naheliegend.
Der Qualitätsfaktor an den Kreditmärkten berücksichtigt Kennzahlen wie die Verschuldung, Rentabilität und allgemeine Bilanzstärke eines Unternehmens. Wie zu erwarten war, erzielte der Qualitätsfaktor während des Marktrückgangs eine Outperformance, blieb während der Marktrally jedoch zurück.
Der Value-Faktor an den Kreditmärkten berücksichtigt die relative Preisgünstigkeit einer Anleihe und investiert in Emittenten mit höheren Spreads im Verhältnis zu ihrem Substanzwert. Diese Titel mit höheren Renditeaufschlägen verbuchten während des Ausverkaufs eine Underperformance, erzielten in der anschließenden Erholung aber einen Mehrwert.
Der Faktor Dynamik berücksichtigt die jüngste Kursentwicklung eines Emittenten, sowohl an den Aktien- als auch an den Kreditmärkten. Das Muster dieses Faktors war aufgrund der raschen Marktbewegungen etwas weniger eindeutig. Im Allgemeinen war die Dynamik während des Drawdowns neutral, während der anschließenden Rally jedoch negativ, da sich die Trendwende so schnell vollzog.
Vermeidung von Extremrisiken
Faktorbasierte Anlagestrategien bewerten Emittenten anhand ihrer Fundamentaldaten und wählen die Wertpapiere mit dem stärksten relativen Multi-Faktor-Score aus. Dieser Ansatz hat einige Vorteile: Backtests deuten beispielsweise darauf hin, dass es Faktorstrategien bislang gut gelungen ist, risikoreiche Emittenten wie etwa potenzielle „gefallene Engel“ (Emittenten, die von Investment Grade auf High Yield herabgestuft wurden) und Ausfälle zu vermeiden.
Wir verfolgen bei Anlagen an den Kreditmärkten einen Multi-Faktor-Ansatz, um die Umschlagshäufigkeit und den Drawdown zu begrenzen. Dieses Jahr wurden rund 50 Emittenten in den Industrieländern auf Hochzinsniveau herabgestuft. Unsere faktorbasierte Kreditstrategie hat sie fast alle vermieden.
Darüber hinaus gab es an den globalen Hochzinsmärkten etwa 30 Ausfälle, die wir mit unserer Multi-Faktor-Strategie zu mehr als 90 % umgehen konnten. Da die Ausfallquoten voraussichtlich steigen werden, sollte dies in den nächsten sechs bis zwölf Monaten weiter beobachtet werden.
Faktorbasierte Strategien können die risikobereinigten Erträge verbessern
In dem beispiellosen Ausverkauf und der Rally der ersten Jahreshälfte 2020 entwickelten sich faktorbasierte Strategien wie vorgesehen: Outperformance während des Drawdowns und Schlusslicht in der liquiditätsbedingten Rally.
Wir glauben, dass ein transparenter Multi-Faktor-Ansatz bei der Emittentenauswahl dazu beitragen kann, das Aufwärts- und Abwärtspotenzial im Laufe des Marktzyklus besser zu nutzen. Dies hilft den Anlegern, ihr Kreditrisiko zu diversifizieren und die risikobereinigten Renditen zu verbessern.