Netto-Null-Ziel: Der Weg zu einer CO2-neutralen Welt
Die Netto-Null-Agenda steht im Fokus. Als Anleger sollten Sie auf die Risiken und Chancen auf dem Weg in eine CO2-neutrale Welt vorbereitet sein.
Der Fokus darauf, bis 2050 die Netto-Null bei Emissionen zu erreichen, wurde im vergangenen Jahr verstärkt. Insbesondere europäische Regierungen sind im Zuge des Ukrainekonflikts - der zu einem Anstieg der Rohstoffpreise und einer erhöhten Dringlichkeit, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu beenden, geführt hat - noch stärker entschlossen, die Einführung erneuerbarer Energien zu beschleunigen.
Das Erreichen der Netto-Null in den kommenden Jahrzehnten bleibt jedoch schwierig. Dafür werden enorme Veränderungen in der Weltwirtschaft in Bezug auf Energieerzeugung, Konsum, Wohnraum und sogar die Ernährung der Menschen erforderlich sein – die alle mit erheblichen Risiken und Chancen für Anleger verbunden sind.
Um sicherzustellen, dass die Anleger gut vorbereitet sind, betrachten wir das Ausmaß der Herausforderung, die besten Strategien zum Erreichen des Netto- Null-Ziels, die Handlungsoptionen der politischen Entscheidungsträger und die wichtigsten Investmentchancen für die bevorstehenden Umstellungen.
Wie groß ist die Herausforderung?
Es ist nicht zu unterschätzen, welche Aufgaben damit verbunden sind, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. Bevor Ziele für die Reduzierung der Emissionen festgelegt werden können, müssen Entscheidungsträger und Investoren zunächst in der Lage sein, die globalen Treibhausgasemissionen präzise zuzuordnen, zu quantifizieren und zu analysieren. Alle diese Schritte sind mit Ungewissheiten behaftet.
Das Problem besteht darin, dass nicht alle Emissionen identisch sind. Verschiedene Treibhausgase haben eine unterschiedliche Lebensdauer und absorbieren unterschiedlich viel Infrarotstrahlung (Wärme). Kohlendioxid (CO₂) hat beispielsweise das geringste globale Erwärmungspotenzial unter den großen Treibhausgasen – aber eine der längsten Lebenszeiten in der Atmosphäre. Das erklärt, warum der Fokus der politischen Entscheidungsträger auf markanten CO2-Reduktionszielen liegt. Wenn die Pläne zur Emissionsreduzierung glaubwürdig bleiben sollen, muss aber auch die Reduzierung von Emissionen der schädlicheren Treibhausgase mit kürzerer Lebensdauer, wie Methan und Stickstoffoxid, angegangen werden.
Beim Umsetzen ihrer Ziele zur Emissionsreduzierung müssen Regierungen erhebliche Herausforderungen bewältigen. Ein Problem ist, dass der erforderliche Aufwand zum Erreichen des Netto-Null-Ziels überproportional stark auf die Schwellenländer entfällt, die tendenziell zu den größten Verschmutzern gehören (die Treibhausgasemissionen aus China und Indien sind allein in den letzten drei Jahrzehnten um mehr als 300 % gestiegen). Dort sind aber auch einige der Herausforderungen, die mit einem Netto-Null-Ziel einhergehen, am größten. Ein Beispiel dafür ist die mithilfe fossiler Brennstoffindustrien in vielen Entwicklungsländern geschaffene Beschäftigung.
Die Entscheidungsträger in den Schwellenländern betonen immer wieder, dass die Emissionsreduktionsziele in einem ausgewogenen Verhältnis zu wirtschaftlichen Zielen stehen müssen und dass Emissionen pro Kopf, der wirtschaftliche Entwicklungsgrad und die Auswirkungen von „Offshoring“ in Produktionsprozessen bei der Festlegung von Klimazielen berücksichtigt werden müssen. Es müssen also Vereinbarungen und Ausgleichsgeschäfte zwischen den Industrie- und Schwellenländern eingerichtet werden, um bei den Emissionszielen auf Kurs zu bleiben.
Welche Messgröße eignet sich zur Messung von Emissionen?
„Auf Länderebene sagen die absoluten Werte der Treibhausgasemissionen definitiv nicht alles über die negativen Auswirkungen des jeweiligen Landes auf die Umwelt aus. Zumindest die Unterschiede in der Bevölkerungsgröße sind zu berücksichtigen, indem man die Emissionen pro Kopf betrachtet. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass sich die Länder in unterschiedlichen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung befinden, und deshalb die Emissionen im Verhältnis zum BIP bewerten. Und wir könnten auch berücksichtigen, dass die Schwellenländer historisch gesehen weniger zu den globalen Treibhausgasemissionen beigetragen haben, weil ihre Wirtschaftsleistung geringer war. Darüber hinaus sind in einigen Schwellenländern die CO₂-Emissionen aufgrund der Produktionsverlagerung CO₂- intensiver Güter höher.
Neben der Betrachtung der gesamten Kohlenstoffemissionen lässt sich die relative Größe von Unternehmen berücksichtigen, indem ihre Effizienz im Verhältnis zum Umsatz oder den physischen Produktionseinheiten bewertet wird. Die Emissionen können auch in verschiedene Kategorien bzw. Scopes (gemäß Definition im Greenhouse Gas Protocol) eingeteilt werden, um widerzuspiegeln, an welchem Punkt der Wertschöpfungskette eines Unternehmens die Emissionen entstehen. Die meisten Initiativen konzentrieren sich zwar derzeit auf Scope-1-Emissionen (direkte Emissionen aus kontrollierten Anlagen) und Scope-2-Emissionen (indirekte Emissionen aus dem Einkauf von Strom oder Heizung/Kühlung), das Interesse an Scope-3-Emissionen, bei denen auch indirekte Emissionen aus der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens berücksichtigt werden, ist jedoch im Steigen begriffen.
Es wird aktiv untersucht, wie sich diese Erkenntnisse zur Bestimmung der Emissionseigenschaften von Kapitalanlagen kombinieren lassen, und die entsprechenden Standards entwickeln sich schnell. In diesem Zusammenhang hat unser Team vor Kurzem ein Dokument veröffentlicht, in dem der aktuelle Stand der Treibhausgasbilanzierung überprüft wird, und in dem wir erläutern, wie die verschiedenen Kohlenstoffmessgrößen auf den Anlageprozess angewendet werden können.“
Keven Roy, Ph.D., Climate Change Research Analyst, J.P. Morgan Asset Management Sustainable Investing team
Die besten Strategien zur Erreichung des Netto-Null-Ziels
Mit der Dekarbonisierung gehen beträchtliche Herausforderungen einher, die aber nicht unüberwindbar sind. Wir haben vier Schlüsselstrategien zum Erreichen der Netto-Null bei Emissionen identifiziert: Ausbau der Erzeugung sauberer Energie, Beschleunigung der Elektrifizierung, Effizienzsteigerung und Ausgleich der verbleibenden Emissionen.
Ausbau der Erzeugung sauberer Energie
Angesichts der Tatsache, dass 73 % der globalen Emissionen aus dem Energiesektor selbst stammen, spielen saubere Energietechnologien die größte Rolle beim Erreichen der Netto-Null-Ziele. Zahlreichen Schätzungen zufolge muss dass der Anteil von Erdöl, Kohle und Erdgas am globalen Energiemix bis 2050 von aktuell rund 90 % auf knapp 20 % sinken. Allerdings sind erhebliche Investitionen für die Ausweitung der Produktion und die Modernisierung der Infrastruktur für die Übertragung sauberer Energie weltweit erforderlich.
Ein Stromnetz zu entwickeln, das flexibel genug ist, um mit den Schwankungen der Stromerzeugung aus Wind und Sonne fertig zu werden, stellt eine weitere komplexe Herausforderung dar. Die Regierungen müssen deshalb den Fortschritt vorantreiben, indem sie in die Infrastruktur investieren, z. B. in belastbare Übertragungssysteme, und gleichzeitig Anreize für den privaten Sektor schaffen, an technologischen Innovationen zu arbeiten. Die jüngste Zusammenarbeit zwischen Norwegen und Dänemark ist ein Beispiel für mögliche Fortschritte. Während Norwegen den größten Teil seines Stroms aus Wasserkraft produziert, setzt Dänemark stärker auf Windkraft. Durch die Verlegung neuer Hochspannungsleitungen sind die beiden Länder nun gut aufgestellt, um je nach Wetterlage die Energiequellen des jeweils anderen Landes zu nutzen.
Um die Volatilität der erneuerbaren Energiequellen auszugleichen, werden auch deutlich günstigere Speichermöglichkeiten benötigt. Die Herstellungskosten von Speichertechnologien wie Batterien werden zwar mit zunehmendem Produktionsvolumen sinken, die steigenden Kosten der eingesetzten Rohstoffe könnten sich jedoch als problematischer erweisen. Wir sind der Ansicht, dass die Umstellung auf saubere Energie Auswirkungen auf die globale Rohstoffwirtschaft haben wird und möglicherweise einen neuen Superzyklus initiiert.
Beschleunigung der Elektrifizierung
Die großflächige Elektrifizierung ganzer Industriezweige ist der nächste Schritt auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel. Ein Beispiel dafür ist der Siegeszug der Elektrofahrzeuge. Eine ganze Reihe von Automobilherstellern hat angekündigt, ihre Produktion in den kommenden Jahren komplett auf Elektrofahrzeuge umzustellen, diese setzen sich aber nur langsam durch: Der Marktanteil von Elektrofahrzeugen hat sich zwar innerhalb der letzten zwei Jahre verdreifacht, Elektrofahrzeugverkäufe machen im Jahr 2021 aber immer noch nur 8,6 % des Gesamtumsatzes aus.
Ein Teil der Herausforderung besteht darin, dass es bis vor kurzem kaum einen Erstanbietervorteil gegeben hat. Die Autofahrer zögerten, auf Elektroantrieb umzusteigen, bevor nicht eine tragfähige Ladeinfrastruktur geschaffen worden war, während die Energieunternehmen sich davor scheuten, das Ladenetz auszubauen, ohne die Nachfrage abschätzen zu können. Wir erwarten, dass die langfristigen Gewinner in diesem Bereich diejenigen sein werden, die sich auf reine E-Fahrzeugplattformen und nicht auf Brückentechnologien wie Hybridfahrzeuge konzentrieren.
Für einige Branchen ist eine vollständige Elektrifizierung jedoch nicht machbar. So werden beispielsweise Prototypen von Elektromotoren für Flugzeuge entwickelt, aber die Batterien sind noch viel zu schwer, um eine brauchbare Energiequelle für Langstreckenflüge darzustellen. Produktionsprozesse in der Industrie, die mit hohen Temperaturen arbeiten, sind ein weiterer Bereich, in dem eine vollständige Elektrifizierung möglicherweise nicht realistisch ist. In diesen Fällen werden kohlenstoffarme Biokraftstoffe und Wasserstoff als Energieträger wahrscheinlich ein Teil der Lösung sein.
Effizienzsteigerung
Einen wichtigen Beitrag zur Emissionsreduzierung werden auch Verbesserungen der Energieeffizienz zur Reduzierung des gesamten Energiebedarfs leisten müssen. Die Ausweitung des Einsatzes von LED-Leuchtmitteln in Indien ist ein gutes Beispiel für eine Veränderung mit großer Wirkung1. Bei Anlagen mit relativ kurzer Lebensdauer, wie z. B. bei Leuchtmitteln, mögen Änderungen einfach sein, aber für Ausrüstungen, die viel seltener ersetzt werden, sind größere politische Anreize erforderlich.
Die Nahrungsmittelproduktion und Lebensmittelabfälle sind ein weiterer Bereich, in dem der Energiebedarf deutlich reduziert werden könnte. Die Reduzierung der Fleischproduktion (auf die Fleisch- und Milchproduktion entfallen 77 % der landwirtschaftlichen Flächennutzung, aber nur 18 % der weltweiten Kalorien2), die Reduzierung des Einsatzes von Chemikalien in der Nahrungsmittelproduktion, die Reduzierung von Lebensmittelverpackungen und die Verkürzung von Transportwegen im Lebensmittelsektor sind allesamt hilfreich, während die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, die 6 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen, eine weitere Priorität darstellt.
Auch in der Landwirtschaft werden Änderungen erforderlich sein, insbesondere im Hinblick auf die Effizienz und Präzision des Einsatzes von Düngemitteln und Wasser. Untersuchungen der Europäischen Kommission haben gezeigt, dass Düngemittel bei effizientem Einsatz die Ernteerträge verbessern und gleichzeitig dazu beitragen können, mehr Kohlendioxid durch die erhöhte Produktion von Biomasse zu binden. Ein übermäßiger Einsatz von Düngemitteln kann jedoch die Umgebung erheblich beeinträchtigen. Hohe Investitionskosten für den Einsatz präziserer Methoden stellen seit jeher ein Hindernis für die Akzeptanz dar. Das wiederum verdeutlicht die Bedeutung politischer Anreize, um den Wandel voranzutreiben.
Emissionen ausgleichen
Da sich die Emissionen bis 2050 nicht vollständig eliminieren lassen, müssen Unternehmen beim Erreichen ihrer Netto- Null-Ziele auf den CO2-Ausgleich zurückgreifen. Natürliche Ausgleichsmöglichkeiten wie Wälder und Torfmoore sind am effektivsten. Sie verschwinden jedoch in erschreckendem Tempo. Die Welt hat in den letzten zehn Jahren mehr als 47 Millionen Hektar Wald verloren - eine Fläche, die der Größe Schwedens entspricht. Gleichzeitig entstehen rund 20 % der Treibhausgasemissionen durch Aktivitäten, die diese natürlichen Lebensräume zerstören.
Wir erwarten, dass der Fokus auf Biodiversität – die Art und Weise, wie Unternehmen mit der sie umgebenden Umwelt koexistieren und sie schützen – zunehmen wird, um diesen Schäden entgegen zu wirken. Die gute Nachricht ist, dass es in vom Verlust der Biodiversität besonders betroffenen Länder zu Innovationen kommt. „Blue Bonds“ – Schuldinstrumente, die zur Unterstützung von Investitionen in gesunde Ozeane ausgegeben werden – sind ein Weg, auf dem diese Länder Zugang zu neuem Kapital erhalten, um im Gegenzug die Biodiversität zu erhalten.
Technologiebasierte Ausgleichsmethoden wie z. B. CO2- Sequestrierung, Nutzung und Speicherung (CCUS), sind ein weiteres Instrument zum Verfolgen des Netto-Null-Ziels. Bei der CCUS werden CO2-Emissionen von anderen Gasen, die bei industriellen Prozessen oder der Stromerzeugung entstehen, getrennt und danach komprimiert, um an Orte transportiert zu werden, an denen sie genutzt oder gespeichert werden können. Es werden allerdings enorme Investitionen erforderlich sein, um die Projekte zur Senkung der Kosten für die Abscheidung von Kohlendioxid auszuweiten. Anleger sollten auch vorsichtig sein, die Auswirkungen der CO2- Sequestrierung und -Extraktion nicht zu überschätzen. Den Schätzungen des Intergovernmental Panel on Climate Change zufolge werden sie weniger als 10 % zur Reduzierung der Nettoemissionen beitragen, die im nächsten Jahrzehnt erforderlich ist, um auf Kurs zu bleiben und bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Für die meisten Industriezweige muss die Emissionsminderung – und nicht die Kompensation – im Vordergrund stehen.
Möglichkeiten für politische Entscheidungsträger
Die Umsetzung politischer Vorgaben könnte sich als der schwierigste Teil des Wegs zum Netto-Null-Ziel erweisen. Regierungen können der Herausforderung mit Vorschriften zur Bekämpfung des Klimawandels begegnen oder mit Anreizen arbeiten. Infrastrukturinvestitionen, Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E), Subventionen und steuerliche Anreize einerseits sowie Regulierung und Kohlenstoffbepreisung andererseits werden allesamt eine Rolle spielen.
Infrastrukturinvestitionen
Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastruktur können helfen, indem beachtliche Geldsummen bereitgestellt werden und ein höheres Risiko übernommen wird, als es einzelne Unternehmen tun können. Zugleich lassen sich schnell Skaleneffekte und Beständigkeit erreichen. Diese Investitionen der öffentlichen Hand sind das Fundament, auf dem der private Sektor dann innovieren, konkurrieren und letztlich Kosten senken kann. Formalisierte öffentlich-private Partnerschaften (Public-Private-Partnerships) können die Energiewende vorantreiben, gleichzeitig aber auch Chancen für private Anleger schaffen. Real Assets werden davon in besonderem Maße profitieren.
Infrastruktureinrichtungen, die die Versorgung mit erneuerbaren Energien unterstützen, haben hohe Priorität. Die Investitionen in die Erzeugung von Solar- und Windenergie sowie deren Kapazität nehmen weiter zu, und zusätzliche Investitionen könnten dazu beitragen, einige der ungelösten technischen Fragen rund um Speicherung und Effizienz zu lösen. In der Zwischenzeit könnten durch Investitionen in nationale Netze die vielen isolierten Versorger verbunden und die Reichweite der erneuerbaren Energien erweitert werden. Verstärkte Investitionen zur Weiterentwicklung der Kernenergie, einer einigermaßen zuverlässigen und effizienten Form nachhaltiger Energie, werden ebenfalls zu einer Diversifizierung gegenüber Solarund Windenergie beitragen, die derzeit weniger zuverlässig und effizient sind.
Die politischen Entscheidungsträger müssen auch in umweltfreundlichere Transportmittel investieren. Es gibt eine Reihe von Optionen, z. B. die Beschleunigung der individuellen Akzeptanz von Elektrofahrzeugen durch den Bau weiterer Ladestationen oder die Verbesserung der Bahnverbindungen, um eine ernstzunehmende Alternative zu Flugreisen zu bieten. Kommunalregierungen können ihre Fahrzeugflotten elektrifizieren, von Polizeifahrzeugen über Schulbusse und alles, was dazwischen liegt.
Ausgaben für Forschung und Entwicklung
F&E-Ausgaben für Innovationen und Technologie werden eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Lösungen spielen, die heute noch nicht verfügbar sind. Wir haben zum Beispiel noch keine klimaneutralen Materialien, die wir bei Stahl, Zement oder Dünger einsetzen können. Es ist unwahrscheinlich, dass wir in der Lage sein werden, Flugzeuge oder Langstrecken-LKWs zu elektrifizieren, aber sie könnten fortschrittlichere Biokraftstoffe verwenden, die wir noch nicht entwickelt haben.
Wir brauchen mehr Forschung im Bereich der Technologie zur direkten Abscheidung von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture, DAC), die darauf abzielt, bereits in der Luft befindliches Kohlendioxid zu entziehen. Derartige Initiativen erfordern viel längere Zeiträume und bergen ein hohes Risiko des Scheiterns. Dennoch hat die wissenschaftliche Gemeinschaft mit der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen in weniger als einem Jahr eine außergewöhnliche Leistung vollbracht – mit Hilfe umfangreicher finanzieller Mittel, weltweiter Koordination und einer Partnerschaft zwischen dem öffentlichen Sektor, der Privatindustrie und der akademischen Gemeinschaft. Dieses Muster könnte im Laufe der Zeit wiederholt werden, um einige der größten Herausforderungen beim Erreichen des Netto-Null-Ziels zu meistern.
Subventionen und Steueranreize
Subventionen, Steuererleichterungen und andere Anreize wie Kredite und Bürgschaften können helfen, den Wandel zu beschleunigen und die Kosten zu senken. Investitionen in Solar- und Windenergie zum Beispiel wurden in erheblichem Umfang mit Subventionen gefördert. Anreizprogramme, die die Verbraucher einbeziehen, wie z. B. der Tausch von Verbrennungsfahrzeugen gegen Elektrofahrzeuge oder die Aufrüstung von Geräten, können den bereits begonnenen Übergang beschleunigen. Sie können außerdem schwierige Übergänge über längere Zeit hinweg abfedern. Zum Beispiel könnten Subventionen oder Steuervergünstigungen für den Bau von Produktionsstätten für Elektrofahrzeuge in Gebieten, in denen die lokale Wirtschaft vom Kohleabbau abhängig war, neue Arbeitsplätze und Wachstum schaffen, die schließlich die wirtschaftliche Bedeutung der Kohle überflügeln.
Regulierung
Durchdachte Vorschriften können auch dazu beitragen, wirtschaftliche Hindernisse abzubauen und den Wandel zu beschleunigen. Beispielsweise können strengere Anforderungen an Kraftstoffe, Energie und Geräte Unternehmen und Verbraucher dazu bringen, ihre CO2- Bilanz zu verbessern. Strengere Vorschriften für Gebäude und künftige Bauvorhaben in Bezug auf Isolierung, Materialverbrauch, Heiz- und Kühlsysteme sowie Beleuchtung können eine vergleichbare Wirkung entfalten.
Wenn diese Vorschriften über einen Zeitraum von zehn Jahren schrittweise eingeführt werden, haben Unternehmen und Verbraucher ausreichend Zeit, die neuen Normen zu erfüllen. In einigen Fällen kann die Regulierung zur Steigerung der Nachfrage beitragen, z. B. bei der Kernenergie, wo die behördliche Aufsicht dazu beitragen könnte, Sicherheits- und Umweltbedenken beizulegen.
Kohlenstoffbepreisung
Der Preis für Kohlendioxid kann durch Steuern oder Emissionshandelssysteme (ETS) festgelegt werden, die beide Anreize für CO2-Verursacher schaffen, ihre Kohlenstoffintensität zu reduzieren. Die Europäische Union (EU) ist Vorreiter auf diesem Gebiet und hat 2005 den weltweit ersten Kohlenstoffmarkt ins Leben gerufen. Das Beispiel der EU findet immer mehr Nachahmer, und mehrere Länder - insbesondere China - haben in den letzten Jahren eigene Emissionshandelssysteme eingeführt. So werden mittlerweile fast 25 % der globalen Treibhausgasemissionen durch die Kohlenstoffbepreisung erfasst, verglichen mit nur 5 % im Jahr 2005.
Es gibt jedoch keinen gemeinsamen Kohlenstoffpreis, da die internationalen Kohlenstoffpreise im Allgemeinen deutlich unter denen in Europa liegen. Noch wichtiger ist, dass vielen Klimawissenschaftler und Politikern zufolge die meisten Kohlenstoffpreise auch unter dem Niveau liegen, das erforderlich wäre, um bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen3.
Ein globaler Kohlenstoffpreis mit einem Niveau, das zu einer bedeutenden Verringerung der Emissionen beitragen könnte, liegt derzeit außer Reichweite. Es gibt jedoch positive Entwicklungen. Die EU hat – angesichts des heiklen Gleichgewichts zwischen der Erfüllung der Klimaziele für den Binnenmarkt und der Bewahrung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen – vorgeschlagen, ein CO2- Grenzausgleichssystem (CBAM) einzuführen, um gleiche Preise für den ökologischen Fußabdruck eines Produkts zu sichern, unabhängig davon, ob es lokal hergestellt oder importiert wird. Bisher hat das CBAM nur als Drohkulisse gegenüber internationalen Konkurrenten gedient, die Glaubwürdigkeit der Drohung wurde nach der jüngsten Einigung der EU-Mitgliedstaaten über die erforderliche Verordnung zur Umsetzung jedoch gestärkt.
Welche Auswirkungen hat der Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf das Netto-Null-Ziel?
Die Entwicklung des Russland-Ukraine-Konflikts bleibt äußerst ungewiss, eines ist jedoch sicher: Die tragischen Ereignisse in der Ukraine haben den Wunsch der europäischen Entscheidungsträger, ihre Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren, enorm beschleunigt. Die EU aktualisiert ihr Ziel in Bezug auf die Menge an Energie, die bis 2030 aus erneuerbaren Energiequellen generiert wird, von 32 % auf 40 %, und die Europäische Kommission hat einen Vorschlag mit der Bezeichnung REPowerEU für eine Reduzierung der Gasimporte aus Russland bis Ende 2022 um zwei Drittel vorgelegt. Politisch werden diese Zielen zwar umfassend unterstützt, über den Weg, wie sie zu erreichen sind, gehen die Ansichten aber auseinander.
Ein Beispiel dafür ist, welche Rolle der Kernenergie bei der Energiewende zukommt. Während Atomkraft bis vor Kurzem eher nicht als Teil der Lösung betrachtet wurde, hat der Konflikt in der Ukraine die Gleichung grundlegend verändert. Mehrere Länder wie Frankreich haben zugesagt, große Geldsummen in neue Kernkraftwerke zu investieren, während andere wie z. B. Belgien beschlossen haben, die Stilllegung ihrer Kernkraftwerke zu verschieben. Die Europäische Kommission ist sich der Herausforderungen, mit der viele Länder konfrontiert sind, und der Notwendigkeit einer stabilen Energieversorgung auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel bewusst, weshalb sie ihre Taxonomie Anfang des Jahres aktualisiert hat und nun einige Kernkraftinitiativen als mit den Klima- und Umweltzielen der EU vereinbar einstuft.
Kurzfristig besteht ein unvermeidbarer Konflikt zwischen dem Wunsch, die Energiesicherheit zu erhöhen, und dem Netto-Null-Ziel. Wenn die EU fest entschlossen ist, ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, ist in den kommenden Quartalen ein Anstieg des Verbrauchs anderer fossiler Brennstoffe unvermeidlich, was sich am Ausmaß der Umstellung von Gas auf Kohle zeigt, der durch den Anstieg der Gaspreise ausgelöst wurde.
Dennoch glauben wir, dass dieser Konflikt jenseits der sehr kurzfristigen Betrachtung die „Netto-Null“-Agenda letztlich ankurbeln wird. Seit dem Kriegsausbruch hat die Bundesregierung ihre Absicht bekannt gegeben, die Umsetzung ihres Gesetzes über erneuerbare Energiequellen zu beschleunigen, mit dem die Onshore- Windkraftkapazität von 55 auf 110 Gigawatt verdoppelt und gleichzeitig die Offshore-Windkraftkapazität deutlich erhöht werden soll. In Italien hat der Energieversorger Enel mit der Europäischen Kommission einen Vertrag über Zuschüsse für den Ausbau der Produktion in seinem bestehenden Solarmodulwerk auf das 15-Fache unterzeichnet, nachdem die Europäische Kommission erklärt hatte, „alles Erforderliche“ für den Wiederaufbau der Solarzellenproduktion zu tun.
Die britische Regierung hat sich mit der Einführung ihrer Energiesicherheitsstrategie, die bis 2030 die Umstellung von 95 % der Stromerzeugung auf kohlenstoffarme Quellen abzielt, angeschlossen. Bei all diese Initiativen wird es bis zur Umsetzung etwas dauern. Es ist jedoch deutlich, dass sich der Druck auf die politischen Entscheidungsträger, den Wandel voranzutreiben, infolge des Krieges in Europa noch weiter verschärft hat.
Die wichtigsten Konsequenzen für Anleger
Der Übergang in eine Welt mit Netto-Null-Emissionen wird enorme, aber ungleiche Auswirkungen auf alle Wirtschaftssektoren haben. Unsere Research-Analysten geben ihre Ansichten dazu an, wie sich der Übergang zu Netto-Null auf einige der Branchen auswirken wird, in denen die größten Veränderungen zu erwarten sind: Automobilindustrie, Energie, Infrastruktur, Immobilien, Einzelhandel und Versorgungsunternehmen.
Automobilindustrie
Energie
Infrastruktur
Pkw und leichte Nutzfahrzeuge verursachen mehr als ein Drittel der verkehrsbedingten Emissionen. Dies erklärt den ausgeprägten Fokus auf die Reduzierung von Fahrzeugemissionen und die Einführung von Elektrofahrzeugen, was zu einem der größten Umbrüche in der Geschichte der Branche geführt hat.
Die EU-Regulierungsbehörden führen den Vorstoß an, indem sie die bereits strikten Ziele für Fahrzeugemissionen für 2030 weiter verschärfen. Die US-Regulierungsbehörden haben sich dem europäischen Vorbild angeschlossen, indem sie die Kraftstoffverbrauchsstandards für Modelle verschärft haben, die in den Jahren 2024 bis 2026 verkauft werden sollen. Dieser Umbruch schafft erhebliche Belastungen für die Automobilindustrie. Er bietet aber auch Chancen für etablierte Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle nachhaltiger gestalten können, indem sie ihre Geschäftsaktivitäten trotz der damit verbundenen hohen Kosten proaktiv umgestalten.
Wir konzentrieren uns weiterhin auf Unternehmen mit ambitionierteren Elektrofahrzeugstrategien. Die langfristigen Gewinner werden wahrscheinlich diejenigen sein, die über dedizierte Plattformen für Elektrofahrzeuge und eine höhere vertikale Integration des Antriebsstrangs von batterieelektrischen Fahrzeugen (Battery Electric Vehicle, BEV) verfügen, einschließlich Investitionen in die Batteriezelle und ihre Lieferkette. Wir setzen eher auf Unternehmen, die sich auf reine Elektrofahrzeuge konzentrieren, als auf Brückentechnologien wie Hybridmotoren.
Diese Transformation macht zunehmend höhere Investitionsausgaben erforderlich, obwohl die Rentabilität von Elektrofahrzeugen für die meisten Unternehmen immer noch nicht mit der von Verbrennungsmotoren gleichzusetzen ist. Die Kosten für Batterien sind ein Schlüsselthema, wobei die Kostenparität gegenüber Verbrennungsmotoren wahrscheinlich erst später in diesem Jahrzehnt erreicht wird. Automobilhersteller, die Änderungen aufschieben, müssen jedoch mit erheblichem operativem Gegenwind, Apathie der Anleger und potenziell negativen Auswirkungen auf ihre Bonität rechnen. Selbst bei einer gewissen Erhöhung des Verschuldungsgrades sind diese Investition in die Zukunft unserer Meinung nach erfolgsentscheidend.
Prognosen für die Rentabilität der Anlagen mit den geringsten Emissionen und den niedrigsten Kosten für fossile Brennstoffe sind bei Investitionen im Energiesektor unerlässlich. Die europäische Energiekrise unterstreicht die bleibende Bedeutung, die fossile Brennstoffe für die Weltwirtschaft über Jahrzehnte hinaus behalten werden, selbst wenn der Verbrauch schließlich sinkt. Der jüngste Anstieg der Energiepreise hat es einigen substanzschwächeren Unternehmen ermöglicht, eine starke Aktienkursentwicklung zu erzielen. Wir sind jedoch der Ansicht, dass der Markt die Risiken von Strategien zur Energieumstellung bei diesen Unternehmen nicht angemessen berücksichtigt und sich bei einigen Fällen übermäßig auf möglicherweise temporäre Quellen von Cashflows und nicht auf nachhaltige Quellen konzentriert.
Erdgas war der wichtigste Treiber für den signifikanten Rückgang der Treibhausgasemissionen der USA in den letzten zehn Jahren. Die erhöhte Nachfrage nach Flüssigerdgas (LNG) in Asien als Ersatz für Kohle stellt eine große Investmentchance für Energieunternehmen dar, die zu einer erheblichen Reduzierung der Emissionen beitragen können. Das neue LNG-Angebot wird wahrscheinlich aus Regionen kommen, die größere Anforderungen in Bezug auf Umwelt, Soziales und Governance in der Produktion berücksichtigen, wie z. B. den USA oder Kanada, wobei die geringere Kohlenstoffintensität die Entwicklung in Richtung des Netto-Null-Ziels beschleunigt.
Für den Weg zur Netto-Null werden auch neue, skalierbare Technologien benötigt. Europa ist führend in der Entwicklung von groß angelegten, integrierten Lösungen. Ein Konsortium entwickelt ein grünes Wasserstoffzentrum in Nordeuropa mit einem Offshore-Windprojekt, das einen Wasserstoff produzierenden Elektrolyseur antreibt, mit dem eine Ölraffinerie teilweise dekarbonisiert werden kann. Ein skandinavisches Großprojekt wird CO₂ aus industriellen Quellen abscheiden, per Pipeline transportieren und in unterirdischen Offshore-Reservoirs dauerhaft speichern.
Europäische Ölunternehmen sind führen bei diesen Investitionen, da sie auf bestehenden Kompetenzen aufbauen und technische Fähigkeiten erweitern. Allerdings bleibt selbst mit einer starken industriellen Integration und einer unterstützenden Bepreisung von CO2-Emissionen die Wirtschaftlichkeit auf heutigem Stand marginal. Zusätzliche technologische Fortschritte sind für einen umfassenderen Einsatz dieser Strategien unverzichtbar. Es ist noch zu früh, um die großen langfristigen Gewinner zu identifizieren, im vergangenen Jahr ist der Markt aber bei weniger differenzierten Dekarbonisierungsstrategien mit niedrigen Eintrittsbarrieren erlahmt.
Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, müssen Energieunternehmen ihre herkömmlichen Geschäfte herunterfahren und gleichzeitig in neue klimafreundliche Geschäftsfelder investieren und mit ihnen verbundene Erwartungen erfüllen. Für Energieunternehmen werden sich in diesem Zeitraum zahlreiche Möglichkeiten bieten, die Erträge durch bestehende Geschäftsmodelle zu steigern. Expansionsmöglichkeiten, die einen dauerhaften Shareholder Value schaffen, könnten angesichts der Risiken rund um die Verwertung von Technologien und der Größenordnung des Kapitals, das an diesem weltverändernden Wandel teilhaben möchte, eher rar sein.
Die Energiewende hin zu Netto-Null ist angesichts der direkten Auswirkungen auf Chancen und Risiken innerhalb des Sektors seit vielen Jahren ein Schwerpunkt im Bereich der privaten Infrastruktur.
Die Umsetzung der Energiewende wird auch weiterhin eine Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten bieten. Wir gehen davon aus, dass die Energieversorger weiter in grüne Infrastruktur investieren, da sie sich zunehmend von traditionellen fossilen Brennstoffen abwenden und auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Die Instabilität erneuerbarer Energien bedeutet jedoch, dass die Stromerzeugung wahrscheinlich durch Erdgaserzeugung und - bei sinkenden Kosten - in gewissem Maß durch Batterien ergänzt wird. Wir gehen ferner davon aus, dass ergänzende Investitionen in die Übertragungs- und Stromversorgungsnetze erforderlich sein werden, da die Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien häufig abseits der städtischen Zentren liegen.
Für die wirtschaftsweite Entwicklung in Richtung des Netto-Null-Ziels werden auch erhebliche Investitionen benötigt, die über das hinausgehen, was traditionell als grüne Infrastruktur angesehen wird. Wir erwarten beispielsweise Investitionen in die Integrität von Pipelines, um Leckagen zu reduzieren, in weniger kohlenstoffintensive Wärmequellen und in Speicherkapazitäten, um eine stärkere Verwendung von Biokraftstoffen zu ermöglichen.
Wir gehen davon aus, dass das Risiko von „Stranded Assets“ weiter im Fokus bleiben wird, mit besonderem Augenmerk auf CO2-intensivere fossile Brennstoffe, wobei der Zeitrahmen noch unklar ist. Die Bewertungen stellen ein weiteres Risiko für Anleger dar. Das kürzlich deutlich gestiegene Interesse der Anleger an grüner Infrastruktur hat die Nachfrage erhöht, aber das Angebot solcher Investments ist nicht so schnell gewachsen, was sich auf die zukunftsgerichteten Renditen auswirken könnte. Schließlich müssen die Kosten der Energiewende für die Verbraucher unter Kontrolle bleiben, um die Unterstützung der allgemeinen Dekarbonisierung zu gewährleisten. Ein nachhaltiges Management wichtiger Infrastrukturen mit Fokus auf Governance ist entscheidend für risikobereinigte Renditen.
Immobilien
Einzelhandel
Versorger
Die Reduzierung der Kohlenstoffabhängigkeit und die Reduzierung des Stromverbrauchs, wo immer dies möglich ist, verringert die Betriebskosten einer Immobilie und verbessert somit ihre Wertentwicklung und Rendite. Gleichermaßen kann die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes die Attraktivität einer Immobilie für die begehrtesten Mieter von heute erhöhen, was einen Wettbewerbsvorteil darstellt, der eine Erhöhung des Mietpreises ermöglicht.
Um die erforderlichen Kohlenstoffreduzierungen zu erreichen, müssen sich Immobilieneigentümer jedoch mit potenziell hohen Investitionsausgaben anfreunden. Wenn sich ein Eigentümer beispielsweise dafür entscheidet, Geräte zu ersetzen, die noch nicht am Ende ihrer Nutzungsdauer sind, um die Reduktionsziele zu erreichen, steigert das die Kosten. Allerdings werden von der Politik oft Anreize geboten, um die Umrüstung voranzutreiben.
Auf der anderen Seite steigen die Kosten für CO2. Bußgelder und Strafen, die auf dem Verbrauch oder den Emissionen basieren, stellen für Immobilienbesitzer in Märkten mit strengen Vorschriften einen echten Kostenfaktor dar. Auch die Nachhaltigkeitsbewertungen von Anlagen durch verschiedene Branchengruppen veranlassen die Eigentümer, genauer auf den Verbrauch zu achten. Mieter wollen zunehmend in Objekten arbeiten oder wohnen, die ihren allgemeinen unternehmerischen/ persönlichen Zielen entsprechen.
Viele Immobilieneigentümer nutzen Grünstromzertifikate (Renewable Energy Credits, RECs), um beim Verfolgen ihres Netto- Null-Ziels die CO2-Emissionen auszugleichen. Grünstromzertifikate werden ausgestellt, wenn eine Anlage eine Megawattstunde Energie aus einer erneuerbaren Quelle, wie z. B. Wind oder Sonne, erzeugt. Bedauerlicherweise werden derzeit zu wenig Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen gebaut, um die Nachfrage nach Grünstromzertifikaten zu decken, sodass der Preis für Grünstromzertifikate erheblich gestiegen ist.
Eine attraktive Möglichkeit, den CO2-Ausstoß einer Immobilie zu verringern, ist die Installation von Solarmodulen und die Nutzung der vor Ort erzeugten Energie für die Stromversorgung der Immobilie – allerdings ist wie in anderen Bereichen auch hier ein zuverlässiger Batteriespeicher erforderlich, um diese Option effizienter zu gestalten. Die Vermietung von Dächern oder Parkplätzen an einen Solaranbieter sind weitere Optionen, um erneuerbare Energie in das öffentliche Stromnetz einzuspeisen und der Anlage eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen.
Bekleidung ist für 10 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Angesichts der erweiterten Lieferketten sind Einzelhandelsmarken bei direkter Betrachtung nur für einen Bruchteil dieser Emissionen verantwortlich. Branchenführenden Marken betrachten aber immer noch das gesamte Emissionsprofil ihrer Produkte und versuchen, die Emissionen in jeder Phase der Lieferkette zu reduzieren.
Mehr als die Hälfte der Gesamtemissionen entstehen in den Phasen der Fasergewinnung, -aufbereitung, -verwebung und -verarbeitung. Eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien in nationalen Stromnetzen wird hilfreich sein, kurzfristig kann jedoch der Wechsel zu weniger energieintensiven Spinn- und Färbeprozessen das Umweltprofil eines Produkts wesentlich verändern. Auch Recyclingfasern haben einen deutlich kleineren ökologischen Fußabdruck, der zum Beispiel nur 10 % des Fußabdruck neuer Baumwollfasern ausmacht.
Marken verankern dieses Wissen nun in ihren Konstruktionsteams, um Prozessverbesserungen schon bei der Produktkonzeption zu ermöglichen, und sie setzen sich Ziele in Bezug auf das Emissionsprofil von Textilien. Ein prominenter französischer Luxusanbieter hat sogar eine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt, die neben den traditionellen Finanzabschlüssen zur Bewertung einzelner Markenmanagementteams verwendet wird.
Was fehlt, ist das Bewusstsein auf Seiten der Verbraucher. Derzeit geben nur 7 % aller Konsumenten an, dass Nachhaltigkeit der wichtigste Faktor bei ihrer Kaufentscheidung ist, und der Aufstieg günstiger Ultra-Fast-Modemarken hat die Menge von Bekleidungsstücken, die auf Deponien landen, in die Höhe getrieben. Eine prominente europäische Bekleidungskette hat allein 2021 in allen Geschäften Altkleidersammelstellen eingerichtet und über 16.000 Tonnen Kleidung und Schuhe zur Wiederverwendung oder Verwertung gesammelt. Auf Branchenebene befinden sich die Recyclinginitiativen aber noch in den Kinderschuhen. Wir sehen die Gefahr, dass neue Vorschriften wie z. B. die EU-Ökodesign-Richtlinie dieses Thema akut machen könnten, indem sie die Recyclingfähigkeit von Textilien vorschreiben, bislang gibt es aber noch keine konkreten Vorschläge. Gegenwärtig gibt es kaum Anzeichen für eine Differenzierung von Markenbewertungen auf Grundlage von Umweltfaktoren, was vermutlich auf die Kombination aus den bisher begrenzten Aktivitäten durch Verbraucher und Regierungen zurückzuführen ist.
Ein global koordinierter Vorstoß in Richtung des Netto-Null-Ziels hat enorme Auswirkungen auf den Versorgungssektor. Die Solar- und Windkrafterzeugung – obwohl sie die günstigste Form neuer Kapazitäten darstellt – stieg 2020 gerade einmal auf 10 % der weltweiten Stromerzeugung. Die Elektrifizierung von emissionsintensiven Sektoren wie Transport und Wohnheizung könnte auch dazu führen, dass der Strombedarf bis 2050 (laut Prognosen der Internationalen Energieagentur) um das Dreifache steigt, nachdem er in den meisten Industrieländern zwei Jahrzehnte lang unverändert geblieben ist oder sogar abnahm.
Für Versorgungsunternehmen bieten sich durch die Energiewende eine Fülle von Investitionsmöglichkeiten, angefangen bei der Onshore- und Offshore-Windkraft- und Solarstromerzeugung. Das Netto-Null-Szenario der IEA sieht eine Erhöhung der Wind- und Solarenergieanlagen auf das Vierfache im Jahr 2030 gegenüber 2020 vor. Die umfassende Elektrifizierung wird zu erheblichen Investitionen in Stromnetze wie Übertragungs- und Verteilernetze führen. Der steigende Marktanteil erneuerbarer Energien wird im Rahmen der Bekämpfung von Versorgungsinstabilität und des Baus von Energiespeichern - mit CO2-neutralen Optionen wie Batterien und Technologien für grünen Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung - neue Anlagechancen schaffen.
Es wird relative Gewinner und Verlierer geben. Die Umstellung stellt die Existenz der Betreiber von Gasinfrastruktureinrichtungen in Frage, insbesondere bei Betreibern von Niederdruckleitungen, über die Gas an Wohnimmobilien geliefert wird. Die meisten Versorgungsunternehmen befinden sich mitten in der Umstellung von der durch fossile Brennstoffe dominierten Energieerzeugung zu erneuerbaren Energien, und einige werden sich besser und schneller anpassen als andere. Viele der relativen Gewinner dürften unter den europäischen Versorgern zu finden sein, die beim Wechsel zu erneuerbaren Energien zu den ersten zählten. Acht der zehn größten Anbieter erneuerbarer Energien sind europäische Unternehmen mit Börsennotierung, und diese Größe bringt Wettbewerbsvorteile in Form von geringeren Kosten, bevorzugtem Zugang zu neuen Projekten und etablierten Beziehungen zu Regulierungsbehörden und Kunden.
Dennoch dürfte sich der Übergang zu Netto-Null-Zielen insgesamt sehr positiv auf den Versorgungssektor auswirken, da sich aus der steigenden Stromnachfrage und den zahlreichen Anlagegelegenheiten Chancen zum Schaffen von Mehrwert ergeben. Nach einem durchschnittlichen Kursrückgang von 15 % im Jahr 2021 für globale Aktien im Bereich erneuerbarer Energiegewinnung sehen wir nun attraktive Bewertungen bei einer Reihe von Unternehmen, von denen wir erwarten, dass sie von dieser Chance für extrem langfristiges Wachstum profitieren werden.

Fazit
Um die Netto-Null-Emissionsziele bis 2050 zu erreichen, sind einschneidende Veränderungen in der Weltwirtschaft erforderlich. Bereits die Quantifizierung des Ausmaßes des Problems stellt eine Herausforderung dar. Bei den Berechnungen sollten die Größe und der wirtschaftliche Entwicklungsstand eines Unternehmens oder Landes berücksichtigt werden, anstatt ausschließlich das Emissionsvolumen zu betrachten. Um die Emissionen zu reduzieren, ist eine Kombination aus verstärkter sauberer Energieerzeugung und Elektrifizierung bei gleichzeitiger Verbesserung der Effizienz erforderlich. Um die verbleibenden unvermeidbaren Emissionen zu kompensieren, werden Strategien zum Ausgleich benötigt, deren Kapazität jedoch begrenzt ist. Die meisten Branchen stehen vor der Aufgabe, Emissionen zu reduzieren und nicht nur auszugleichen. Anleger sollten das Engagement von Unternehmen aus diesem Blickwinkel bewerten.
Die Politik wird der wichtigste Impulsgeber für den Wandel sein, indem sie nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“ sowohl Anreize für Investitionen, Forschung und Entwicklung schafft, als auch eine CO2-Bepreisung vorsieht. Der Krieg in der Ukraine hat den Wunsch der politischen Entscheidungsträger, sich von fossilen Brennstoffen zu lösen, weiter verstärkt. Unsere Research-Analysten sehen sowohl Chancen als auch Risiken in ihren Sektoren: In Branchen wie Versorgungsunternehmen finden wir attraktive Bewertungen bei mehreren Unternehmen, die von dem enormen Anstieg der Stromnachfrage profitieren dürften. In anderen Bereichen, wie dem Energiesektor finden sich hingegen Beispiele dafür, dass sich der Markt möglicherweise zu stark auf potenziell vorübergehende Quellen von Cashflows konzentriert.
Nach einem Jahrzehnt der Dominanz von verbraucherorientierten Technologieunternehmen werden Unternehmen, die klimabasierte Technologielösungen ermöglichen können, in Zukunft wohl die größten Nutznießer neuer Umweltinitiativen sein. Unabhängig von der jeweiligen Branche, die in Betracht gezogen wird, ist ein umfassendes Verständnis der Auswirkungen der bevorstehenden politischen Veränderungen auf den Cashflow und die Bewertungen ein wesentlicher Bestandteil jeder Investitionsentscheidung, die heutzutage getroffen wird.
1 https://www.carbonbrief.org/guest-post-how-energy-efficient-led-bulbs-lit-up-india-in-just-five-years. Eine politische Initiative hat LED-Leuchtmittel für den nationalen Markt in großem Umfang beschafft und sie über Händler zu niedrigeren Preisen, aber immer noch mit Gewinn, verkauft. Der Absatz von LED-Leuchtmitteln schnellte von 5 Millionen im Jahr 2014 auf etwa 670 Millionen im Jahr 2018 in die Höhe. Die jährlichen Energieeinsparungen durch das Projekt reichen schätzungsweise aus, um ganz Dänemark ein Jahr lang mit Strom zu versorgen.
2 Our World in Data - https://ourworldindata.org/global-land-for-agriculture
3 Obwohl die Spanne der Schätzungen groß ist, wird häufig ein Wert zwischen 40 USD und 80 USD pro tCO₂e als notwendig erachtet, um die globale Erwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen (Mainstreaming the transition to a net-zero economy, The Group of Thirty, Oktober 2020).