
Es scheint so, als ob die Märkte zunehmend darauf hoffen, dass Goldlöckchen zurück ist und die Wirtschaft eine Rezession vermeiden kann, wenn die Inflation wieder auf den Zielwert zurückfällt. Unserer Ansicht nach, zu schön um wahr zu sein ...
Unser Ausblick für das kommende Jahr trug die Überschrift „2023: Ein schwieriges Jahr für die Wirtschaft, ein besseres Jahr für die Märkte“. Die Prognose war einfach: Eine Rezession wäre erforderlich, um die Inflation zu beseitigen. Die einzige Frage war, wie stark die Zinsen steigen müssten, um diese Rezession zu erzeugen. Die Zentralbanken hatten ihre Absichten angedeutet, wodurch die meisten Aktienmärkte der Industrieländer bereits im vergangenen Jahr abgestürzt waren. Wir waren also der Meinung, dass die Märkte für den bevorstehenden Wirtschaftsabschwung gut aufgestellt waren.
Nun sind sechs Monate vergangen, und für die Märkte ist es tatsächlich ein besseres Jahr. Aber es ist auch ein besseres Jahr für die Volkswirtschaften, als wir es uns vorgestellt hatten. Während das verarbeitende Gewerbe unter der Kombination aus schwächerer Nachfrage nach Gütern und steigenden Kosten gelitten hat, bleibt die Aktivität im Dienstleistungssektor bemerkenswert robust. Ein starker Arbeitsmarkt, aufgestaute Ersparnisse und der Wunsch, die während der Covid-Pandemie verpassten Erlebnisse nachzuholen, scheinen die Belastung durch höhere Kosten und Zinssätze aufgewogen zu haben.
Das robuste Wachstum hat jedoch nicht dazu geführt, dass die Märkte mit einer längeren Phase höherer Zinsen rechnen. Stattdessen drehte sich die Debatte am Rentenmarkt darum, wie schnell es zu Zinssenkungen kommen würde.
Es scheint so, als ob die Märkte zunehmend darauf hoffen, dass Goldlöckchen zurück ist und die Wirtschaft eine Rezession vermeiden kann, wenn die Inflation wieder auf den Zielwert zurückfällt.
Die Inflation würde schnell abklingen, so dass die Zentralbanken ihre Aufmerksamkeit auf die Unterstützung des Wachstums richten können. Anstatt eine Rezession herbeizuführen, werden sie darauf abzielen, eine solche zu verhindern, was Musik in den Ohren sowohl der Aktien- als auch der Anleiheinvestor:innen wäre.
Für uns fühlt sich das aber etwas zu schön an, um wahr zu sein. Es gibt noch eine Reihe von offenen Fragen, die im weiteren Verlauf des Jahres beantwortet werden müssen. Vor dem Hintergrund dieser Probleme kommen wir zu dem Schluss, dass die Zinssätze nicht präventiv gesenkt werden und eine Rezession daher immer noch wahrscheinlicher ist als keine Rezession. Falls die Zinsen gesenkt werden, liegt dies wahrscheinlich daran, dass eine Rezession eingetreten ist, die Risikoanlagen in Schwierigkeiten bringen könnte.
Aus diesem Grund konzentrieren wir uns in diesem Halbjahresausblick auf a) die Sicherstellung einer guten Diversifizierung des Portfolios gegenüber dem Rezessions- und Inflationsrisiko, b) die Allokation in relativ defensiven Titeln und c) die langfristigen Themen, die uns im Rahmen der Verlagerung von einer Welt der Überfluss hin zu einer Welt der Knappheit zunehmend dominant erscheinen.
Welche wirtschaftlichen Folgen werden die jüngsten Spannungen im Bankensektor haben?
Drei große Bankausfälle in den USA und die Rettung der Credit Suisse in Europa wurden von den Märkten als Ausdruck zunehmender Spannungen im Bankensektor angesehen. Nach einer kurzen Volatilitätsspitze im März ging die Risikoaversion an den Märkten jedoch zurück, da die schnelle Liquiditätsunterstützung durch die Zentralbanken und Übernahmen eine Eskalation verhinderten. Wir denken jedoch, dass die Marktwahrnehmung in dieser Hinsicht wahrscheinlich zu selbstgefällig ist. Wir erkennen zwar an, dass Banken deutlich besser kapitalisiert und reguliert sind als vor 15 Jahren, doch haben uns die Kreditumfragen in den USA und der Eurozone im ersten Quartal daran erinnert, wie sich die Probleme der Banken auf die breitere Wirtschaft auswirken können.
Umfragen zur Kreditvergabe von Banken ergaben, dass fast 50% der US-Geschäftsbanken und annähernd 25% der Banken in der Eurozone bereits im ersten Quartal die Kreditstandards für Unternehmen verschärft hatten. In den letzten 30 Jahren ging dieses Niveau in der Regel mit einer Rezession einher. Ein höheres Makrorisiko, eine geringere Risikotoleranz und Beschränkungen der Bilanz werden als Hauptfaktoren für die jüngste Verschärfung der Kreditbedingungen angesehen. Dies dürfte sich kurzfristig kaum ändern, da die trüben Aussichten für Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie ein Abschwung im Kreditzyklus die Risikotoleranz der Banken vorerst niedrig halten dürften.
Bilanzbeschränkungen durch nicht realisierte Verluste und Abflüsse von Einlagen werden nachlassen, sobald die Zinssätze sinken. Ein Szenario einer schnellen Abkühlung der Kerninflation wäre in dieser Hinsicht der beste Fall, da die Zentralbanken Spielraum für niedrigere Leitzinsen hätten, was sich auch in lockereren Kreditbedingungen niederschlagen würde. Leider gehen wir nicht davon aus, dass die Inflation schnell genug abklingt.
Werden die Unternehmen angesichts nachlassender Erträge Stellen streichen?
Eine weitere Unsicherheit besteht darin, wie sich der Arbeitsmarkt verhält. Wenn die Gewinne unter Druck geraten, fahren Unternehmen schnell ihre Investitionen zurück und streichen anschließend Stellen, um ihre Margen zu verbessern. Dies stellt dann den Einstieg in einen Teufelskreis dar, da eine höhere Arbeitslosigkeit zu einem weiteren Rückgang der Nachfrage, der Gewinne usw. führt.
Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass Unternehmen ihre Investitionspläne zurückfahren, aber die Beschäftigungsabsichten bleiben relativ robust. Dies könnte die Tatsache widerspiegeln, dass es für Unternehmen nach der Pandemie so schwierig war, Arbeitskräfte zu finden, und sie daher bereit sind, diese in der Hoffnung vorzuhalten, dass der Abschwung nur von kurzer Dauer sein wird.
Es ist auch möglich, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handelt und ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit bevorsteht. Die Zentralbanken stehen vorerst vor einem schwierigen Balanceakt. Sie benötigen eine Abschwächung des Arbeitsmarktes, um das Lohnwachstum und die Inflation zu senken, aber es behagt den Zentralbanken auch nie, die Ursache für steigende Arbeitslosigkeit zu sein. Dieses Ergebnis im Vorfeld einer nationalen Wahl liefern zu müssen, wie es im Jahr 2024 in Großbritannien und in den USA der Fall sein wird, macht das Leben noch unangenehmer.
Wird sich sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation abkühlen?
Die Gesamtinflation dürfte in den kommenden Monaten weiter zurückgehen, und Europa wird von günstigen Basiseffekten profitieren, da die starken Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln, die im letzten Jahr um diese Zeit zu verzeichnen waren, allmählich aus der jährlichen Berechnung herausfallen.
Wir sind jedoch weniger davon überzeugt, dass die Kerninflation rasch auf 2% zurückkehren wird. Die Nachfrage nach Dienstleistungen ist nach wie vor lebhaft, da die Haushalte anscheinend immer noch bestrebt sind, die in den Covid-Zeiten verlorenen Erlebnisse nachzuholen. Die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt und der anhaltende Lohndruck werden auch die Kosten und Preise weiter in die Höhe treiben, bis eine Rezession eintritt.
Abgesehen von den kurzfristigen Preistreibern besteht unsere größte Sorge darin, dass wir uns nur schwer vorstellen können, dass die Warenpreisinflation so niedrig und stabil sein wird wie in der Vergangenheit. Der US-Verbraucher zahlte für den Warenkorb, den er 2020 kaufte, genauso viel wie 20 Jahre zuvor. Für den britischen Verbraucher war es wie 30 Jahre zuvor. Angesichts der höheren Inputkosten im Zuge der Abkehr von fossilen Brennstoffen und des geringeren disinflationären Einflusses der Globalisierung ist eine Wiederholung dieses Kunststücks kaum zu erwarten.
Wenn die Warenpreisinflation im Durchschnitt höher ausfällt, müssten die Zentralbanken die Dienstleistungsinflation senken, wenn sie ihr 2%-Ziel dauerhaft erreichen wollen. Es sei daran erinnert, dass die Inflation im US- Dienstleistungssektor das letzte Mal unter 1% fiel, als eine sehr tiefe Rezession herrschte. Die wirtschaftlichen Kosten eines solchen Vorhabens machen dieses Ergebnis unserer Ansicht nach politisch unrealistisch. Für die Regierungen scheint eine gewisse unvorhergesehene Inflation auch ein leichterer Ausweg aus einem Schuldenproblem zu sein, nachdem sie die Option der Sparmaßnahmen bereits ausgeschöpft haben. Jüngste Umfragen zu den Inflationserwartungen deuten darauf hin, dass wir mit unserer Vermutung, dass mittelfristig eine höhere Inflation zu erwarten ist, nicht alleine dastehen. Sollten die Zentralbanken noch in diesem Jahr die Zinsen senken, bevor eine Rezession einsetzt, würde dies unsere Überzeugung noch verstärken, dass die Anlegenden ihre Portfolios sowohl auf eine mittelfristig höhere durchschnittliche Inflation als auch auf häufigere Inflationsschwankungen vorbereiten sollten.
Wird Europa im nächsten Winter Energieprobleme haben?
Europa, das letzten Juli seinen größten Energielieferanten verlor, konnte den erwarteten Wirtschaftskollaps im Winter verhindern. Wärmere Temperaturen, die Drosselung der Industrieproduktion und Energiesparmaßnahmen führten dazu, dass die Vorratstanks für die Jahreszeit ungewöhnlich voll blieben. Die fallenden Großhandelspreise für Gas tragen nun dazu bei, die Inflation zu senken und das Verbrauchervertrauen wiederzubeleben.
Pessimisten würden argumentieren, dass dies mehr Glück als Verstand war und im nächsten Winter erst einmal wiederholt werden muss. Aber die Ausgangslage ist so gut, dass das Rennen schon halb gewonnen ist: Die Gasspeicher in der EU sind zu über 70% gefüllt, im Vergleich zu knapp über 50% zur selben Zeit im letzten Jahr. Die Gaspreise bei kurzfristigen Kontrakten sind gesunken, doch selbst die weiter in die Zukunft reichenden Preise deuten darauf hin, dass der nächste Winter immer sicherer wird, sofern die Temperaturen nicht besonders streng sind. Währenddessen läuft der Wettlauf um eine heimische Lösung auf der Basis erneuerbarer Energien. Wir sind allgemein optimistisch, dass die Energiepreise nicht erneut stark ansteigen werden.
Wird die Erholung in China nur von kurzer Dauer sein?
Nach dem Ende der Null-Covid-Maßnahmen verlief die Erholung in China ähnlich wie zuvor in den USA und in Europa. Die Stimmung in der Dienstleistungsbranche verbesserte sich deutlich, da die chinesischen Verbrauchenden die Aktivitäten nachholten, auf die sie während des Lockdowns verzichten mussten. Die Investitionstätigkeit war jedoch im Vergleich zu früheren Erholungszyklen relativ gedämpft, da sich die weltweite Güternachfrage abschwächte und das inländische Kreditwachstum weniger expansiv war.
Die Indikatoren für das Geschäftsklima im zweiten Quartal deuten nun auf eine schwächere Wachstumsdynamik in der Zukunft hin, da die Immobilienprobleme das Vertrauen im Privatsektor immer noch belasten und die finanziellen Puffer nach der Pandemie nicht so umfangreich sind wie in Europa oder den USA.
Wir räumen zwar ein, dass das chinesische Wachstum im Jahr 2023 hinter den relativ optimistischen Markterwartungen zu Beginn des Jahres zurückbleiben könnte, doch wäre es verfrüht, das gesamte Jahr abzuschreiben. Die moderate Staatsverschuldung gibt den Entscheidungsträgern Spielraum für zusätzliche fiskalische Anreize, während die sehr niedrige Inflation es der People's Bank of China (PBOC) ermöglicht, die Leitzinsen zu senken, um die Bilanzen der privaten Haushalte und Unternehmen zu stützen.
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