Seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens im Jahr 2015 haben Anlegerinnen und Anleger den Treffen der COP (Conference of the Parties, Konferenz der Vertragsparteien) mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Im Pariser Abkommen, das den Abschluss des Klimagipfels COP 21 bildete, verpflichteten sich 196 Länder, den globalen Temperaturanstieg auf „2 Grad Celsius oder weniger“ im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Seitdem haben Regierungen auf der ganzen Welt Maßnahmen und Regelungen eingeführt, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft voranzutreiben.
Auf jeder nachfolgenden Weltklimakonferenz wurden mehr oder weniger zahlreiche offizielle internationale und nationale Verpflichtungen oder Zusagen gemacht, die wiederum politische Maßnahmen und Regelungen zu ihrer Umsetzung nach sich zogen. Diese Verpflichtungen und die flankierenden politischen Maßnahmen und Regelungen haben Anlegerinnen und Anleger erheblich beeinflusst und zu einer Vielzahl von klimabezogenen Investitionsstrategien und Benchmarks geführt, die darauf abzielen, die mit dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verbundenen Risiken und Chancen zu erfassen.
Die diesjährige COP in Baku – auch als „Finance COP“, „die wichtigste COP vor NDC 3.0“ und „die COP mit den unsichersten Ergebnissen“ bezeichnet – versuchte eine Einigung in zwei sehr wichtigen Fragen zu erzielen: neue Finanzierungszusagen für Entwicklungsländer und die Umsetzung von Artikel 6 des Pariser Abkommens zur Schaffung eines globalen Kohlenstoffmarktes.
Das Ergebnis war gemischt: Einige wichtige Meilensteine wurden erreicht, viele andere blieben ungelöst.
New Collective Quantified Goals und NDC 3.0
2009 einigten sich die Staaten auf der COP 15 in Kopenhagen auf das Ziel, jährlich 100 Mrd. US-Dollar an Klimafinanzierung bereitzustellen, um Entwicklungsländer beim Aufbau von Klimaresilienz zu unterstützen und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu beschleunigen. Dieses Ziel wurde schließlich im Jahr 2022 erreicht – zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Inzwischen ist der Bedarf an Klimafinanzierung für Entwicklungsländer jedoch deutlich gestiegen. Jüngste Prognosen der Vereinten Nationen gehen von einem jährlichen Bedarf von 1,1 Bio. US-Dollar aus, um die Widerstandsfähigkeit zu stärken und die Netto-Null-Ziele zu erreichen1.
Auf der COP 29 konnte man sich nach einer Verlängerung der Sitzungszeit darauf einigen, das neue Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantified Goal, NCQG) bis 2035 auf 300 Mrd. US-Dollar pro Jahr zu erhöhen, mit dem Bestreben, bis 2035 einen Betrag von 1,3 Bio. US-Dollar pro Jahr aus öffentlichen und privaten Quellen zu erreichen.
Die Einigung war nicht unumstritten, da eine Reihe von Ländern, darunter die am wenigsten entwickelten Länder, die im Verhandlungsblock vertreten waren, erklärten, dass die vereinbarte Summe dem Ausmaß und der Dringlichkeit des Klimawandels nicht gerecht werde2. Ein weiterer wichtiger Streitpunkt war die Unklarheit über das Verhältnis zwischen nicht schuldenbildender finanzieller Unterstützung wie Zuschüssen, die von den am meisten gefährdeten Entwicklungsländern viel stärker bevorzugt werden, und Krediten.
Die Folgen für die Weltwirtschaft könnten erheblich sein, wenn die Länder nicht genügend Finanzmittel erhalten, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu beschleunigen und sich an ein wärmeres Klima anzupassen. Eine aktuelle Schätzung zeigt, dass das globale BIP mit jedem Grad Celsius Erwärmung um bis zu 12% sinken könnte, etwa sechsmal so viel wie in früheren Schätzungen3. Darüber hinaus könnte die Kontroverse um das neue NCQG die Glaubwürdigkeit der neuen Ziele für die national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) in Frage stellen, während sich die Länder auf ihre überarbeiteten NDC-Ziele vorbereiten.
Als zentrales Element des Pariser Abkommens sehen die NDCs Dekarbonisierungsziele sowie klimabezogene Maßnahmen auf Länderebene vor. Diese neuen NDCs, auch bekannt als NDC 3.0, sollen nicht nur einen weltweit koordinierten Ansatz zur Erreichung des gemeinsamen Ziels, den Temperaturanstieg auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, beinhalten, sondern auch entsprechende nationale Übergangspläne, um die auf der COP 28 gemachten Zusagen zur Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien, zur Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030 und zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu erfüllen. Allerdings konnten sich die Länder auf der COP 29 nicht auf sektorale Ziele einigen. Ohne einen globalen Konsens wird die bevorstehende Ankündigung neuer NDCs umso wichtiger, da diese Zusagen voraussichtlich in die jeweiligen nationalen Übergangspläne einfließen werden.
Ein globaler Kohlenstoffmarkt
Es wurde eine wegweisende Einigung über die Schaffung eines von den Vereinten Nationen geförderten globalen Compliance-Marktes für Kohlenstoffgutschriften aus nachhaltigen, entwicklungsorientierten Projekten zur Minderung oder Vermeidung von Treibhausgasemissionen auf der Grundlage von Artikel 6 des Übereinkommens von Paris erzielt. Wesentliche Elemente eines glaubwürdigen globalen Kohlenstoffmarktes wie Umweltintegrität, Transparenz, Zusätzlichkeit und die Festlegung von Referenzwerten wurden definiert.
Dies ist nicht dasselbe wie bestehende Compliance-Märkte, etwa die Emissionshandelssysteme in verschiedenen Teilen der Welt wie Europa, Kalifornien oder China, da es sich dabei im Wesentlichen um ein „Cap-and-Trade“-System handelt, bei dem eine Obergrenze für Treibhausgasemissionen innerhalb eines Industriesektors festgelegt wird und Emissionsrechte oder Emissionszertifikate an Unternehmen verteilt werden. Diese Obergrenzen sinken im Laufe der Zeit, so dass die Unternehmen einen Anreiz haben, ihre Emissionen zu reduzieren oder sauberere Technologien einzuführen.
Kohlenstoffgutschriften, die im Rahmen des neuen Mechanismus durch eine Vielzahl von Aktivitäten generiert werden, wie z. B. Projekte im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienzverbesserungen sowie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, können von den Ländern zur Erfüllung ihrer NDCs herangezogen werden. Die Gespräche darüber, wie sie möglicherweise als eine Form der finanziellen Unterstützung von Industrieländern an Entwicklungsländer im Rahmen des NCQG angerechnet werden können, sind noch nicht abgeschlossen und es lohnt sich, sie im Auge zu behalten. Dies ist besonders wichtig für Entwicklungsländer, die reich an natürlichen Ressourcen sind, die für die Kohlenstoffsequestrierung und -speicherung genutzt werden können.
Es gibt bereits einen außerbörslichen oder bilateralen Markt für ähnliche Arten von Kohlenstoffgutschriften, der weitgehend keiner behördlichen Aufsicht unterliegt. Der freiwillige Kohlenstoffmarkt wurde in den letzten Jahren von den Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wegen mangelnder Qualitätssicherung stark kritisiert, was zu einem deutlichen Rückgang des Handelsvolumens führte. Organisationen wie die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) und die Weltbank haben eine Reihe von Grundsätzen4 zur Förderung der finanziellen Integrität und ordnungsgemäßen Funktion der bestehenden freiwilligen Märkte eingeführt. Einrichtungen wie der Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM) haben bereits Rahmenbedingungen und Verfahren5 für die Methodik und Bewertung von freiwilligen Kohlenstoffgutschriften entwickelt, die vom Markt weithin als Best Practices anerkannt werden.
Die auf der COP 29 verabschiedete Methodik trägt mit ihren ergänzenden Merkmalen und einem anderen Ansatz, der sich auf die Einhaltung der Vorschriften und die behördliche Aufsicht stützt, dazu bei, viele der in den IOSCO- und ICVCM-Vorschlägen dargelegten Grundsätze zu stärken. Darüber hinaus kann der neue globale Kohlenstoffmarkt, sobald er mit klaren Regeln auf der Ebene der teilnehmenden Länder voll funktionsfähig ist, eine weitere wichtige Quelle für den Kohlenstoffausgleich sein, die von Unternehmen, Anlegerinnen und Anlegern oder Einzelpersonen für ihre jeweiligen Dekarbonisierungsziele in Betracht gezogen wird.
Finanzierung durch den Privatsektor
Obwohl es nicht das Ziel der COP ist, spezifische Maßnahmen oder Regelungen zu entwickeln, hat sie die Befugnis, Regierungsbehörden und Standardsetzer zusammenzubringen, um Ansätze für eine Zusammenarbeit zu diskutieren und zu vereinbaren, insbesondere im Hinblick auf die Mobilisierung von Finanzmitteln. Eine bemerkenswerte Ankündigung, die für Anlegerinnen und Anleger und Emittenten von GSS+-Anleihen6 relevant ist, ist die Einführung einer Multi-Jurisdiction Common Ground Taxonomy (M-CGT)7 zwischen China, der Europäischen Union und Singapur. Diese Initiative baut auf der bilateralen EU-China Common Ground Taxonomy der Europäischen Kommission und der People's Bank of China auf.
Die erweiterte Taxonomie beschreibt Aktivitäten, die in allen drei Gerichtsbarkeiten als „grün“ gelten und durch die Emission grüner Anleihen und Fondsinvestitionen gefördert werden können. Das weltweite Volumen von GSS+-Anleihen wird 2024 den Rekordwert von 1 Bio. US-Dollar aus dem Jahr 2021 übertreffen, basierend auf selbstberichteten Daten und Climate Bonds Initiatives. Initiativen wie die M-CGT haben das Potenzial, die regulatorische Kohärenz zwischen den verschiedenen rechtlichen Definitionen „grüner“ Wirtschaftstätigkeiten zu erhöhen und den Compliance-Aufwand für grenzüberschreitende Anlegerinnen und Anleger zu verringern. Dies wird immer wichtiger, da die Anlegerinnen und Anleger mit unterschiedlichen regulatorischen Offenlegungspflichten und aufsichtsrechtlichen Ansätzen zum „Greenwashing“ konfrontiert sind.
Eine weitere Priorität für den öffentlichen Sektor ist die Suche nach Wegen, um die Finanzierung des Anpassungsbedarfs durch den Privatsektor zu erhöhen. Dieser wird bis 2030 auf etwa 387 Mrd. US-Dollar pro Jahr geschätzt, aber 2022 standen nur 27,5 Mrd. US-Dollar an internationalen öffentlichen Mitteln zur Verfügung. Der UNEP-Bericht „Adaptation Gap Report 2024“8 zeigt, dass ungefähr ein Drittel der Finanzierungslücke für Anpassungsmaßnahmen bereits in Bereichen besteht, die in der Regel vom Privatsektor finanziert werden und daher ein Schwerpunktbereich für private Anlegerinnen und Anleger sein könnten.
Neben grünen Staatsanleihen wurden zwei Modalitäten vorgeschlagen, die für den Privatsektor praktikabler sind: (i) neue Finanzinstrumente wie versicherungsgebundene Instrumente und Debt for Adaptation Swaps und (ii) Mischfinanzierungen oder Co-Investitionen des Privatsektors mit multilateralen Entwicklungsbanken und/oder Staatsfonds.
Während auf der COP 29 keine große Einigung erzielt wurde, wird kein Staatshaushalt ausreichen, um den gesamten Kapitalbedarf für den Aufbau von Resilienz und die Anpassung an ein wärmeres Klima zu decken. Der Bedarf an mehr öffentlich-privaten Partnerschaften und innovativen Finanzierungsstrukturen wird weiter steigen.
Fazit
In einer Zeit großer geopolitischer Unsicherheit auf der ganzen Welt hat die COP 29 zwei wichtige Meilensteine erreicht: das NCQG zur Unterstützung der Entwicklungsländer und einen globalen Kohlenstoffmarkt. Auch wenn viele Details noch ausgearbeitet werden müssen, bietet das, was bestätigt wurde, den Ländern die Möglichkeit, den Umgang mit klimabedingten Risiken im eigenen Land im Verhältnis zu anderen Ländern und Interessengruppen zu überdenken. Angesichts des globalen Charakters des Klimawandels ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Ein gutes Beispiel dafür war die Ankündigung Norwegens9 auf der COP 29, 50 Mio. US-Dollar in den Climate Action Catalyst Fund der Asiatischen Entwicklungsbank zu investieren, der handelbare Gutschriften gemäß Artikel 6.4 generieren soll.
Die nächste große Herausforderung ist die Mittelbeschaffung. Die öffentlichen Finanzen sind aufgrund der aktuellen makroökonomischen Bedingungen weltweit angespannt. Die Finanzierung durch den privaten Sektor muss deutlich erhöht werden. Innovative Ansätze zur Verbesserung der Interoperabilität zwischen verschiedenen rechtlichen Standards, wie z. B. nachhaltige und grüne Taxonomien, sowie die Schaffung weiterer öffentlich-privater Partnerschaften und neuer Finanzierungsinstrumente können sowohl den Regierungen neue Finanzierungsquellen erschließen als auch Investitionsmöglichkeiten für Anlegerinnen und Anleger schaffen. So hat beispielsweise der kürzlich in El Salvador durchgeführte „Debt for Nature Swap“ in Höhe von 1 Mrd. US-Dollar dazu beigetragen, einen Teil der Schulden des Landes im Austausch gegen den Schutz von Flussökosystemen zu refinanzieren. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Nachfrage nach verwandten Lösungen wie Aufforstung und Wiederaufforstung sowie Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung zunehmen wird, da die Kohlenstoffsequestrierung ein wesentlicher Bestandteil des Plans für den globalen Kohlenstoffmarkt ist.
Die einzige Konstante im Leben ist der Wandel. Wie der physische Klimawandel sind auch die Klimaverhandlungen sehr volatil und entwickeln sich schnell. Deshalb werden wir die internationalen Verhandlungen genau verfolgen, um mögliche Auswirkungen auf Investitionen abschätzen zu können.