Ein Blick zurück auf die Wahlen seit 1932 zeigt, dass nahezu drei Viertel der amtierenden Präsidenten wiedergewählt wurden.
Maria Paola Toschi
Das politische Ereignis des Jahres wird die Präsidentschaftswahl am 3. November sein. Während Donald Trump mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Republikaner nominiert wird, herrscht erheblich weniger Klarheit darüber, wer die Demokraten anführen wird. Gegenwärtig gibt es drei Spitzenkandidaten für die Nominierung: Joe Biden als Kandidat der Mitte sowie Bernie Sanders und Elizabeth Warren vom linken Flügel der Partei. Warren und Sanders befürworten einige radikale politische Änderungen, einschließlich einer grundlegenden Reform des Gesundheitssystems, einer Aufspaltung großer Banken und Technologiefirmen, eines Fracking-Verbots und der Einführung von Vermögenssteuern und höheren Körperschaftssteuern. Die politischen Pläne von Biden sind vergleichsweise moderat, beinhalten aber auch eine Rücknahme der Steuersenkungen von 2017. Michael Bloomberg und Pete Buttigieg sind zwei weitere Kandidaten aus der Mitte, die aktuell keine ausgeprägten Favoriten aber eine weitere Beobachtung wert sind. Die Gunst der Wähler kann während des Verfahrens heftig schwanken – wie es beispielsweise bei Barack Obama der Fall war, der bei den Wahlen 2008 eine deutliche Führung von Hillary Clinton in den Umfragen umkehrte, um die Nominierung für die Demokraten und letztendlich die Wahlen zu gewinnen.
Bis Ende März sollten wir mehr Klarheit hinsichtlich des wahrscheinlichen demokratischen Kandidaten gewonnen haben, wenn zwei Drittel der Vorwahlergebnisse (nach Anzahl der Delegierten) bekannt sind. Auf die Vorwahlen folgen die jeweiligen Parteitage, auf denen die Kandidaten offiziell bestimmt werden. Danach stehen die Präsidentschaftsdebatten im September und Oktober an, bevor die Wahlbevölkerung der USA am 3. November endgültig ihre Stimmen abgibt (siehe Abbildung 1 mit einem Zeitstrahl der wichtigsten Ereignisse).
Abbildung 1: Wichtigste Ereignisse der US-Präsidentschaftswahl 2020
Quelle: J.P. Morgan Asset Management. Stand: 31. Dezember 2019.
Wer wird wahrscheinlich gewinnen? Die Geschichte favorisiert deutlich den Amtsinhaber: Ein Blick zurück auf die Wahlen seit 1932 zeigt, dass nahezu drei Viertel der amtierenden Präsidenten wiedergewählt wurden. In dieser Zeit ist allen amtierenden Präsidenten die Wiederwahl gelungen, wenn es in ihrer Amtszeit nicht zu einer Rezession kam, was den in letzter Zeit versöhnlicheren Ton des Präsidenten in Handelsangelegenheiten erklären könnte. Die Beliebtheitswerte von Präsident Trump sind jedoch geringer als die aller anderen Präsidenten, die später wiedergewählt wurden.
Es ist zu bedenken, dass der Präsident nur soweit Einfluss auf die Wirtschaft und Märkte ausüben kann, wie ihm die Verabschiedung von Gesetzen möglich ist. Und um kontroversere politische Beschlüsse durchzusetzen, benötigt er die Kontrolle sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat und beide Rennen sehen derzeit sehr eng aus. Bei einer starken Leistung für die Republikaner besteht eine realistische Chance, dass sie im November die Kontrolle über das Haus zurückgewinnen können. Für die Demokraten scheinen ihre Chancen, den Senat zurückzugewinnen, geringer zu sein, denn nur 35 Sitze der insgesamt 100 Sitze im Senat können in diesem Jahr wiedergewählt werden. Wenn der Status quo des politischen Stillstands anhält, kann es die Anleger trösten, zu wissen, dass er einige der radikaleren Vorschläge auf beiden Seiten erheblich einschränken könnte. Unabhängig vom Wahlergebnis ist wohl keine vollständige Lösung des Handelskonfliktes mit China zu erwarten – Umfragen legen nahe, dass es in der Wahlbevölkerung der USA breite Unterstützung für die Bekämpfung unfairer Handelspraktiken gibt (Abbildung 2).
Wir gehen davon aus, dass sich die US-Notenbank (Fed) vor dem Anschein hüten wird, sie würde durch ihre Entscheidungen politischen Einfluss auf die Wahlen ausüben. Deshalb dürften die Zinsen im Jahr 2020 (nach den drei Zinssenkungen im Jahr 2019) unverändert bleiben, sofern sich der Wirtschaftsausblick nicht erheblich ändert und ein Handeln der Fed unabdingbar macht.
Im Hinblick auf die Aktienmärkte sind konkrete Aussagen über die voraussichtliche Wirkung der Wahl schwer zu treffen. Historisch ist die Volatilität des S&P 500 in Wahljahren höher ausgefallen als in Jahren ohne Wahl, weil Märkte häufig Neubewertungen in Abhängigkeit der Politik der künftigen Regierung vornehmen. Die Märkte haben tendenziell unmittelbar nach der Wahl eines republikanischen Präsidenten positiver reagiert, da die Politik der Partei im Allgemeinen als marktfreundlicher gilt. Es ist aber unbedingt zu beachten, dass dies keineswegs ein verlässlicher Zusammenhang ist und dass andere wichtige Ereignisse auf geopolitischer und ökonomischer Ebene einen stärkeren Einfluss auf die Marktrichtung haben können.
Abbildung 2: Anteil der US-Wähler mit einer negativen Haltung zu China
Quelle: Pew Research Center (Spring 2019 Global Attitudes Survey), J.P. Morgan Asset Management. Daten zum 31. Dezember 2019.