In den ersten beiden Teilen dieser Serie haben wir dargelegt, warum die anhaltenden Lieferprobleme und die angespannten Arbeitsmärkte eine bleibende Inflation in den Industrieländern erwarten lassen. Wir gehen nicht davon aus, dass die Inflationsraten weiter steigen. Die unbereinigte Inflation könnte ihren Höhepunkt erreicht haben oder wird dies im Frühjahr tun, und die Basiseffekte der höheren Energiepreise werden sie danach abbremsen. Die Pandemie dürfte jedoch eine Abkehr von der niedrigen Inflation, die den letzten Zyklus prägte, bewirkt haben.
Die Abbildungen 1 und 2 zeigen, dass sich die Analysten uneinig sind – die Bandbreite der Inflationsprognosen ist ungewöhnlich groß. Unsere Schätzungen liegen im oberen Bereich dieser Spanne. In diesem letzten Teil der vorliegenden Artikelreihe werfen wir einen Blick darauf, wie Sie Ihr Kapital in einem inflationären Umfeld schützen können.
Abbildung 1: Prognosen für den unbereinigten VPI in den USA
Prozentuale Veränderung zum Vorjahr, Quartalsdurchschnitt
Quelle: Bloomberg, BLS, J.P. Morgan Asset Management. VPI ist der Verbraucherpreisindex.
Guide to the Markets – Europe. Daten zum 20. Januar 2022.
Abbildung 2: Prognosen für den unbereinigten VPI in der Eurozone
Prozentuale Veränderung zum Vorjahr, Quartalsdurchschnitt
Quelle: Bloomberg, Eurostat, J.P. Morgan Asset Management. VPI ist der Verbraucherpreisindex. Daten zum 20. Januar 2022.
Vorsicht bei Bareinlagen und Staatsanleihen. Die Inflation bewirkt eine schnelle Erosion der Kaufkraft von Bareinlagen, insbesondere in einem Umfeld wie dem heutigen, in dem die Zinsen auf Sparkonten deutlich unter der Inflationsrate liegen (Abbildung 3). In den letzten zwei Jahren ist die Kaufkraft von €100 auf einem mit dem Leitzins der Europäische Zentralbank verzinsten Sparkonto bereits auf €96.20 gesunken. Sollte ein Sparer die Bareinlagen in der Hoffnung auf steigende Zinsen auf seinem Sparkonto behalten, dann wird er den aktuellen Inflations- und Zinsprognosen zufolge in fünf Jahren mehr als ein Zehntel einer Kaufkraft verlieren.
Abbildung 3: Rendite auf zu Beginn des Jahres 2020 investierte Bareinlagen
Rendite in %
Quelle: Bank of England, Bloomberg, ONS, Refinitiv Datastream, J.P. Morgan Asset Management. Die Realrenditen wurden anhand des Leitzinses der BoE abzüglich der Verbraucherpreisinflation berechnet. Die Leitzinsen für 2022 und spätere Jahre werden auf der Basis von OISForwards berechnet. Der VPI für 2022 und spätere Jahre wird unter Verwendung eines 5-jährigen Inflationsswaps in GB berechnet. Daten zum 20. Januar 2022.
Die Aussichten für Anleger mit Staatsanleihen sind nicht viel besser. Sollte sich am Markt die Meinung durchsetzen, dass die Inflation weiter andauert und die Geldpolitik in den kommenden Jahren stärker gestrafft werden muss als derzeit erwartet, könnte langlaufenden Staatsanleihen ein schwieriges Jahr bevorstehen. Bei einem Anstieg der 10-Jahresrendite bis Ende Jahr auf 2,5 %, wäre beispielsweise zu erwarten, dass eine 10-jährige US-Staatsanleihe eine negative Gesamtrendite von 7 % hätte. Bei einem Anstieg auf 3 % würde bei der Gesamtrendite die Marke von -10 % unterschritten.
Indexgebundene Anleihen sind keine „inflationsgeschützten“ Anleihen, als die sie oft wahrgenommen werden. Inflationsgebundene Anleihen sind normalen bzw. Nominalanleihen vorzuziehen, wenn Anleger eine höhere Inflation erwarten als die bereits eingepreiste. Allerdings sind in den Preisen inflationsgebundener Anleihen bereits durchschnittliche Inflationsraten über die nächsten fünf Jahre von 2,8 % (CPI) in den USA und von 4,1 % (RPI) in Großbritannien berücksichtigt. Wer davon ausgeht, dass die Inflation in den nächsten fünf Jahren höher ausfällt, sollte eher zu inflationsgebundenen Anleihen greifen als zu normalen Staatsanleihen.
Beides sind und bleiben jedoch Anleihen. Und gleich wie normale Staatsanleihen gegenüber einem Anstieg der Renditen anfällig sind, trifft es inflationsgebundene Anleihen, wenn die Realrenditen steigen. Eine inflationsgebundenen Anleihe könnte in einem Umfeld mit einer über dem Inflationsziel liegenden Inflation immer noch Geld verlieren, wenn die geldpolitische Straffung der Notenbanken zu einem Anstieg der Realrenditen führt, wie es häufig der Fall war. Aus diesem Grund sind inflationsgebundene Anleihen unserer Ansicht nach derzeit nicht die beste Möglichkeit zur Absicherung gegen Inflation.
Wie sieht es mit Aktien aus? Aktien bieten in einem Umfeld mit moderater Inflation Schutz für Kapital. Eine breit angelegte Inflation ist letztlich ein Ausdruck der Ausübung von Preismacht durch Unternehmen und es gibt eine enge Beziehung zwischen Inflation und Unternehmensgewinnen (Abbildung 4).
Abbildung 4: Prozentuale Veränderung der US-Inflation und der Erträge des S&P 500
für die aktuelle Periode gegenüber dem Vorjahr, ausgewiesen als Gewinn je Aktie während der letzten zwölf Monate
Quelle: BLS, IBES, Refinitiv Datastream, Standard & Poor’s, J.P. Morgan Asset Management.
Guide to the Markets – Europe. Daten zum 20. Januar 2022..
Trotz der gängigen Meinung «Inflation ist gut für Aktien» gibt es zwei Vorbehalte .
Erstens ist eine stark erhöhte Inflation eher nicht gut für Aktien. Inflation ist wie Schokolade. Zu wenig von ihr ist unbefriedigend, da dies oft auf eine chronisch schwache Nachfrage in der Wirtschaft insgesamt zurückzuführen ist. Ebenso problematisch ist jedoch eine zu hohe Inflation. Denn ab einem bestimmten Punkt müssen die Notenbanken in der Regel eingreifen und die Wirtschaft abkühlen. Dieser Prozess verläuft selten reibungslos und führt häufig zu einer Rezessionsphase, in die Margen unter Druck geraten und Unternehmensgewinne und Aktienkurse tendenziell fallen.
Sofern sich die Inflation in diesem Frühjahr schnell bei etwa 3 % in den USA und Grossbritanninen sowie bei 2 % in der Eurozone einpendelt, dürfte das Inflationsumfeld die Aktienmärkte nicht in Schwierigkeiten bringen.
Der zweite Vorbehalt ist, dass einige Sektoren und damit auch Aktienstile und Regionen stärker von einer höheren Inflation profitieren als andere. Abbildung 5 zeigt die historische Korrelation zwischen Inflationserwartungen und der Wertentwicklung verschiedener Aktien-Benchmarks im Vergleich zu den globalen Large- und Mid-Cap-Aktien im MSCI ACWI Index.
Abbildung 5: Korrelation der Aktienmärkte mit Änderungen der USInflationserwartungen
Korrelation zwischen der Entwicklung der US-Inflationserwartungen und der sechsmonatigen relativen Performance von Indizes gegenüber dem MSCI ACWI seit Mitte 2000
Quelle: MSCI, Refinitiv Datastream, J.P. Morgan Asset Management. Ausgewiesen sind die Korrelationen zwischen der sechsmonatigen relativen Performance des jeweiligen Sektors/Stils bzw. der jeweiligen Region mit der Entwicklung des MSCI All-Country World Index und der Veränderung der Inflationserwartungen über sechs Monate, gemessen an den Sätzen der US-5y5y-Inflationsswaps. Bei allen verwendeten Indizes handelt es sich um MSCI. Die verwendeten Substanz-, Wachstums-, Volumen- und Sektorindizes beziehen sich auf das Universum des MSCI All-Country World. Daten zum 31. Dezember 2021.
Zyklische Sektoren wie Finanzen, Industrie, Grundstoffe und Energie schneiden in Zeiten steigender Inflationserwartungen tendenziell besser ab als der globale Benchmark. Im Gegensatz dazu haben defensive Titel und Wachstumswerte tendenziell zu kämpfen. Der Technologiesektor wirkt heute am anfälligsten, da seine Bewertungen in den letzten Jahren von den niedrigen Zinssätzen und flachen Renditekurven profitiert haben dürften.
Alternative Anlagen bieten Anlegern viele Möglichkeiten, ihr Kapital vor Inflation zu schützen. Inflation wird letztlich durch eine zu hohe Nachfrage im Verhältnis zum verfügbaren Angebot verursacht. Wenn sich dieses Ungleichgewicht auf die Immobilienmärkte erstreckt, können diese durch steigende Mieten und Kapitalwerte eine gute Inflationsabsicherung bieten. Es ist jedoch zwischen Immobilienmärkten mit starker Nachfrage im Verhältnis zum Angebot und Märkten mit strukturell gestörter Nachfrage zu unterscheiden.
Die langfristig laufende Verlagerung hin zum Online- Shopping, die durch die Pandemie beschleunigt wurde, sowie der pandemiebedingte Wechsel zum Home-Office setzen die Nachfrage nach Einzelhandelsimmobilien strukturell unter Druck. Dem gegenüber steht, dass die Nachfrage nach Industrie- und Logistikimmobilien, die für den Online- Handel genutzt werden, weiterhin sehr stark ist. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass eine starke Nachfrage nach Büroflächen besteht. Dieser Sektor profitiert von dem Wunsch, Mitarbeitende gleichzeitig an einem Ort zusammen zu bringen.
Ein selektives Engagement in globalen Immobilien kann also zum Schutz vor Inflation beitragen. Auch bei einigen Infrastrukturanlagen ist ein Inflationsschutz in den vertraglich vereinbarten Renditen festgelegt, weshalb sie eine gute Inflationsabsicherung bieten.
Gold wird von Anlegern in der Regel als gute Absicherung gegen Inflation betrachtet, was aber nicht immer der Fall ist. Gold ist ein Vermögenswert, der keine Erträge liefert und daher attraktiv wird, wenn die Renditen von Anleihen in den negativen Bereich rutschen. Dies kann bei hoher Inflation geschehen, insbesondere wenn die Notenbanken die Kontrolle verlieren. Wenn die Notenbanken bei hoher Inflation jedoch die Zinsen vor dem Hintergrund eines robusten Wachstums erhöhen, können die Realrenditen steigen – was üblicherweise zu einem problematischeren Umfeld für Gold führt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine anhaltend moderate Inflation ein Risiko für Bareinlagen und Staatsanleihen darstellt. Gold und indexgebundene Anleihen bieten möglicherweise eine nicht so gute Absicherung wie häufig angenommen. Sollte die Inflation eher moderat ausfallen und sich bei etwa 3 % einpendeln, gehen wir davon aus, dass die Aktienrenditen solange die Inflation übertreffen, bis die Zinssätze schließlich so weit steigen, dass sie eine Rezession auslösen. Finanz-, Energieund Industriewerte sowie die in alternativen Märkten verfügbaren Optionen dürften jedoch die beste Inflationsabsicherung bieten.
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