2022 war für Anleger ein sehr schwieriges Jahr. Vom Januar bis zum Markttief Ende Oktober gaben die globalen Anliehe- und Aktienpreise um mehr als 20 % nach. Der heftige Inflationsschub nach der Pandemie und die dramatische geopolitische Krise in der Ukraine trugen zu diesen Verlusten bei. Außerdem wurden sie durch aggressive Zinserhöhungen der Zentralbanken bei dem Versuch, die Inflation zu bekämpfen, verschärft.
Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass Märkte durch Phasen mit hoher Volatilität gehen, häufig spielt jedoch das Verhalten der Anleger eine wichtige Rolle bei diesen Marktschwankungen. In Zeiten mit großen Unwägbarkeiten fällt es Anlegerinnen und Anlegern oft schwer, die Implikationen ökonomischer Schocks zu bewerten, worauf ihre Emotionen die Überhand gewinnen, was zu Überreaktionen und einem rapiden Auf und Ab an den Märkten führt.
Wenn die Schlagzeilen pessimistisch sind und die Märkte Verluste verzeichnet haben, kann der Verkauf von Aktien für Anlegerinnen und Anleger verlockend sein, die befürchten, das noch größere Verluste kurz bevorstehen. Abbildung 1 zeigt, dass sich während der letzten großen Kurseinbrüche (beim Platzen der Dotcom-Blase, in der globalen Finanzkrise und während der Covid-19-Pandemie) die größten NettoKapitalabflüsse aus dem S&P 500 Index erst ereigneten, nachdem der Markt bereits stark nachgegeben hatte.
Abbildung 1: Entwicklung des S&P 500 und Kapitalflüsse
In Mrd. USD, Netto-Veränderungen über 3 Monate (links); Indexniveau (rechts)
Quelle: Investment Company Institute, Refinitiv Datastream, Standard & Poor’s, J.P. Morgan Asset Management. Die Kapitalflüsse entsprechen den langfristigen Kapitalflüssen bei US-Aktien, ab 2006 unter Berücksichtigung von ETF-Kapital. Die historische Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Guide to the Markets – Europe. Daten zum 31. Dezember 2022.
Leider zeigt uns die Geschichte, dass es meist die falsche Strategie ist, zu verkaufen, wenn der Markt bereits erheblich im Minus liegt.
In Abbildung 2 sind einige Zeitpunkte dargestellt, in denen der S&P 500 Index um mehr als 25 % eingebrochen ist. In den meisten Fällen hat der Index seinen Vor-Krisen-Stand bereits im nächsten Jahr übertroffen. Nur nach den zwei größten Abverkäufen der letzten Zeit – der Dotcom-Blase im Jahr 2001 und der globalen Finanzkrise 2008 – hat die Erholung länger gedauert. Dennoch erreichte der Index auch in diesen beiden Fällen wieder das zu Beginn der Baisse verzeichnete Niveau, woran ein lang anhaltender positiver Marktzyklus anschloss.
Volatilität ist ein Ergebnis der tendenziell zyklischen Entwicklung von Volkswirtschaften. Auf Zeiträume mit einer Verlangsamung des Wachstums und Rezession, die Kursverluste verursachen, folgen üblicherweise geld- und haushaltspolitische Maßnahmen, die zur nächsten Phase ökonomischer Belebung und Expansion beitragen. Märkte können sehr heftig auf Meldungen über politische Eingriffe mit dem Ziel, die Wirtschaftsdynamik umzukehren, reagieren.
Man sollte unbedingt im Blick behalten, dass Märkte zukunftsorientiert sind und ihre Entwicklung an den Erwartungen des zukünftigen Wachstums hängt. Deshalb setzt die Markterholung häufig früher ein, als die Belebung der Wirtschaftsaktivität.
Die Erfahrung lehrt uns, warum es wichtig ist, mit einem langfristigen Anlagehorizont zu investieren. Unsere Berechnungen zeigen, dass 1 US-Dollar, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts in den S&P 500 investiert wurde, Ende 2020 auf 2.600 Dollar angewachsen wäre (S. 89 des Guide to Markets Q1 2023). Dieses Wachstum wurde trotz zahlreicher Krisen und dramatischer Ereignisse in diesem Zeitraum erzielt. Beispiele sind die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren, der Zweite Weltkrieg, die Energiekrise in den 1970er Jahren, die Dotcom-Blase, die Anschläge auf New York und Washington am 11. September 2001, die globale Finanzkrise, das „Taper Tantrum“ in den USA und die Covid-19-Pandemie. Langfristig steigen die Wirtschaftsleistung und die Preise von Vermögenswerten tendenziell, getrieben vom Bevölkerungswachstum, unternehmerischen Investitionen und neuen Technologien.
Die wichtigste Erkenntnis für Anlegerinnen und Anleger ist, dass sie ihre langfristige Finanzplanung nicht von kurzfristigen pessimistischen Nachrichten abhängig machen sollten. Denn das führt nur zu oft dazu, das in der Nähe der tiefsten Kurse verkauft wird und Chancen, die sich in Phasen mit Volatilität ergeben, ungenutzt verstreichen.
Abbildung 2: Renditen über 12 Monate im Anschluss an Markteinbrüche um 25 %
in %, Gesamtrendite des S&P 500 in USD
Quelle: Bloomberg, S&P Global, J.P. Morgan Asset Management. Die historische Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Guide to the Markets – Europe. Daten zum 31. Dezember 2022.
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